RECHT UND KAPITALMARKT

US-Sanktionen - ein unauflösbares Dilemma?

Geschäftsleiter in der Zwickmühle zwischen europäischen und amerikanischen Regeln - Abstimmung mit Behörden angeraten

US-Sanktionen - ein unauflösbares Dilemma?

Von Amir-Said Ghassabeh*)In diesen Tagen möchte man nicht in den Schuhen deutscher Geschäftsleiter stecken, die sich nicht nur mit den Folgen eines immer weiter anschwellenden Handelskonflikts zwischen den USA und der EU auseinandersetzen müssen, sondern auch noch zu entscheiden haben, ob sie das in der Regel hochprofitable Iran-Geschäft ihres Unternehmens bald einstellen müssen.Zu dieser Entscheidung werden die Geschäftsleiter durch die von US-Präsident Donald Trump am 8. Mai 2018 angekündigte Wiedereinführung der US-Sekundärsanktionen gezwungen. Nach diesen US-Beschränkungen ist es deutschen Unternehmen nach Ablauf der Übergangsfristen am 6. August 2018 bzw. 4./5. November 2018 untersagt, Geschäfte in bestimmten iranischen Sektoren – wie beispielsweise Automobilsektor, Häfen/Schifffahrt/Schiffbau, Energiesektor (Erdöl, Erdgas, Petrochemie) sowie Banken und Versicherungen – und mit bestimmten iranischen Personen und Unternehmen – wie zum Beispiel mit den meisten iranischen Banken (einschließlich der iranischen Zentralbank), der National Iranian Oil Company sowie der Islamic Republic of Iran Shipping Lines – fortzuführen. Eines weiteren US-Bezugs bedürfen die verbotenen Iran-Geschäfte nach den extraterritorial wirkenden US-Regeln hingegen nicht.Halten sich deutsche Unternehmen nicht an die Beschränkungen, drohen ihnen heftige Strafen wie der Ausschluss vom US-(Finanz-)Markt sowie die Aufnahme in die US-Sanktionsliste, der sogenannten Specially Designated Nationals And Blocked Persons List. Letzteres bedeutet vor allem, dass es anderen amerikanischen und nichtamerikanischen Unternehmen dann untersagt wäre, jede Art von Geschäften mit dem Verletzer-Unternehmen zu tätigen. Dies allein dürfte schon genügend Abschreckungswirkung haben, auch wenn die Strafen für Sekundärsanktionsbrüche in der Regel keine Geldbußen oder Geldstrafen beinhalten.Zu allem Überdruss müssen deutsche Geschäftsleiter gleichzeitig auch die gegenläufigen Antiboykottregelungen der EU bzw. Deutschlands berücksichtigen, die die Befolgung der US-Beschränkungen grundsätzlich verbieten. Klärung der RechtslageSo hat die Europäische Kommission als Reaktion auf die Wiedereinführung der US-Sekundärsanktionen die Reaktivierung der sogenannten Blocking Regulation bis spätestens zum 5. August 2018 angekündigt. Nach dieser EU-Verordnung wird es europäischen Unternehmen aller Voraussicht nach untersagt sein, die betreffenden US-Sanktionen zu befolgen. Tun sie es doch, droht ihnen eine Bestrafung nach nationalem Recht.In Deutschland müssen Geschäftsleiter zudem das sehr weit gefasste Boykott-Verbot in § 7 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) beachten. Danach ist die Abgabe einer Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr, durch die sich ein Inländer an einem Boykott gegen einen anderen Staat beteiligt (Boykott-Erklärung), verboten. Die Beendigung eines Iran-Geschäfts wegen der wiedereingeführten US-Sanktionen dürfte wohl schon vom Wortlaut dieser Verbotsnorm erfasst sein. Gibt ein Unternehmen gleichwohl eine unzulässige Boykott-Erklärung ab, ist diese nichtig und begründet zudem eine mit bis zu 500 000 Euro bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit.Deutsche Geschäftsleiter stehen damit vor einem schier unlösbaren Dilemma. Halten sie sich an die US-Regeln, verstoßen sie gegen die bußgeldbewehrten Antiboykottregelungen; befolgen sie dagegen die EU- bzw. deutschen Vorgaben, drohen heftige US-Strafen. Das Einhalten der verschiedenen Rechtsordnungen scheint danach unmöglich.Die Größe und Bedeutung des US-Markts einerseits und die in vielen Fällen nicht unbegründete Angst vor US-Strafen andererseits verleiten Geschäftsleiter jedoch oftmals dazu, die US-Vorgaben ohne Weiteres zu befolgen. Dabei wird häufig übersehen, dass sie dadurch nicht nur einen Bußgeldtatbestand auslösen, sondern sich gegenüber ihrem eigenen Unternehmen persönlich haftbar machen können. Dies gilt selbst dann, wenn die betreffende Maßnahme in erster Linie nur zum Wohle der Gesellschaft erfolgt. Auf ihr unternehmerisches Entscheidungsermessen kann sich die Geschäftsleitung im Grundsatz nicht berufen.Um dieses Dilemma aufzulösen, empfiehlt sich Geschäftsleitern daher regelmäßig folgende Vorgehensweise:Geschäftsleiter sollten zunächst prüfen, ob und inwieweit das bestehende Iran-Geschäft tatsächlich von den US-Sanktionen betroffen ist, ob und inwieweit nach US-Recht die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung besteht und schließlich welche konkreten Abwicklungsmaßnahmen hinsichtlich der Geschäftsaktivitäten im Iran nach den US-Sanktionen erforderlich und genügend sind.Wie bereits angedeutet verbieten die US-Sanktionen nicht per se jedes Iran-Geschäft. Sogar in den von den US-Beschränkungen betroffenen Sektoren können bestimmte Geschäfte noch möglich sein. Zudem bleiben auch nach Wiedereinsetzung der US-Sekundärsanktionen bestimmte Bereiche für Geschäftsaktivitäten offen. So erlaubt die US-Regierung gegenwärtig im Rahmen von sogenannten Generallizenzen den Export von Nahrungsmitteln, landwirtschaftlichen Produkten, pharmazeutischen Produkten und medizinischen Geräten sowie den Export zahlreicher Standard-IT-Produkte und -Software in den Iran.Dazu bleibt auch weiterhin grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, bei den zuständigen US-Behörden Ausnahmegenehmigungen (OFAC-Lizenzen) für bestehende oder geplante Iran-Geschäftsaktivitäten einzuholen. Je nach Größe und Bedeutung des Iran-Geschäfts sollte diese Option ernsthaft in Erwägung gezogen werden. So kann es im Einzelfall durchaus opportun sein, die Iran-Geschäftsaktivitäten nicht zu beenden, sondern einfach bis auf Weiteres ruhen zu lassen. Parallel könnte eine OFAC-Lizenz beantragt werden mit dem Ziel, das Iran-Geschäft schnellstmöglich wieder aufnehmen zu können. Prüfung bestehender VerträgeVor dem Hintergrund der veränderten politischen Lage sollten Geschäftsleiter zudem klären, welche Rechte und Pflichten nach den bestehenden Vereinbarungen mit den iranischen Geschäftspartnern bestehen. Viele Verträge, die nach Inkrafttreten des Nuklearabkommens mit dem Iran am 16. Januar 2016 abgeschlossen wurden, ermöglichen eine Beendigung und Abwicklung der Vertragsverhältnisse aufgrund wiedereingesetzter US-Sekundärsanktionen. Aber auch ohne spezifische vertragliche Regelung kann in bestimmten Fällen ein Kündigungsrecht des deutschen Vertragspartners begründet sein. Darüber hinaus sollten Geschäftsleiter auch prüfen, welche potenziellen Gegenansprüche der iranischen Vertragsseite bei einer ungerechtfertigten Beendigung der Geschäftsbeziehungen zustehen. Nur nach einer sorgfältigen Abwägung der Risiken und Chancen für das Unternehmen können Geschäftsleiter es auf einen Schadensersatz ankommen lassen.Vor allem im Hinblick auf § 7 AWV wird teilweise gefordert, den weiten Anwendungsbereich des deutschen Boykottverbots durch ein zusätzliches subjektives Element einzuschränken. So soll nach einigen Stimmen in der juristischen Literatur mangels Absicht keine unzulässige Boykott-Erklärung vorliegen, wenn die Erklärung in erster Linie zur Abwendung eines erheblichen Schadens für das Unternehmen abgegeben wird. Um hier letzte Sicherheit zu bekommen, bietet es sich regelmäßig an, schon frühzeitig die Abstimmung mit den zuständigen Verfolgungsbehörden in Deutschland zu suchen. Insbesondere sollte vor dem Hintergrund drohender US-Strafen mit den deutschen Behörden auch abgeklärt werden, ob und inwieweit im Einzelfall von der Verfolgung potenzieller Verstöße gegen die Antiboykottregelungen absehen werden kann.Lässt sich der Konflikt zwischen den sich wechselseitig ausschließenden Verhaltensvorgaben nicht anderweitig lösen, sind deutsche Geschäftsleiter berechtigt, eine am Unternehmenswohl orientierte, kaufmännisch vertretbare Ermessensentscheidung über die Befolgung einer Verhaltensvorgabe zu treffen. Die Entscheidung muss dabei auf einer angemessenen Informationsgrundlage beruhen.—–*) Dr. Amir-Said Ghassabeh ist Principal Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Hamburg.