Varta kommt als Mikroausgabe an die Börse zurück
Von Walther Becker, FrankfurtVarta kennt fast jeder. Aber nur wenige das Unternehmen in heutiger Gestalt, das aus dem alten Batteriehersteller entstanden ist. Einige Nummern kleiner als die einstige Industrieikone und Holding der Familie Quandt, aber auf Zukunftstechnologien fokussiert. Erst vor wenigen Jahren von der Börse genommen, soll die Varta AG in etwa vier Wochen den Kurszettel der Frankfurter Börse (Prime Standard) verlängern. Die Pläne sehen vor, dass unter Führung von Jefferies und Unicredit sowie HSBC rund 200 Mill. Euro aus einer Kapitalerhöhung eingeworben werden. “Pre Money” schätzen Analysten die Bewertung auf 500 Mill. bis 600 Mill. Euro. Angepeilt wird ein Streubesitz um 40 %, ist zu hören, ohne dass sich das Unternehmen dazu äußert. “Post Money” ergäbe dies eine Größenordnung für die Streubesitz-Marktkapitalisierung um 300 Mill. Euro. Gehen die Pläne auf, wäre Varta der drittgrößte Börsengang 2016 in Frankfurt – nach Innogy und dem Windanlagenbauer Senvion. In der Bewertung orientieren sich Beobachter als Vergleichsunternehmen an Hörgeräteherstellern wie Sonova, William Demand oder GN Store Nord.Denn die einstige Industrieikone hat sich nach der Abgabe des Commodity-Geschäfts mit Batterien unter dem österreichischen Investor Michael Tojner, dem Varta über seine Schweizer Montana Tech Components gehört, auf Mikrobatterien für Hörgeräte, kabellose Elektronik sowie Energiespeichersysteme konzentriert. Die Mikrobatterien wurden noch unter der alten Varta gestartet, Energiespeicherlösungen im Zuge der Energiewende 2012 begründet. Hier entstehen noch Anlaufverluste. In dieser Division macht CEO Herbert Schein – er ist seit 25 Jahren bei Varta, wo er als Elektroingenieur in der Produktapplikation anfing – enorme Wachstumschancen aus. Wie er und sein dieses Jahr aus dem Aufsichtsrat ins Management gewechselter CFO Michael Pistauer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagten, rechnen sie vor allem bei Power Packs, stationären dezentralen Lithium-Ionen-Energiespeichern, Mikrobatterien für Unterhaltungselektronikprodukte wie kabellose Kopfhörer und Hörgeräteakkus mit starkem Wachstum.Das Traditionsunternehmen, das nicht wie die alte Varta in Hannover, sondern im schwäbischen Ellwangen sitzt, hatte Tojner für 30 Mill. Euro übernommen und über die Jahre etwa 80 Mill. Euro investiert. Er legte sich dann auch die Aktiengesellschaft zu und damit Namen samt Logo. Tojner, einer der Gründer des Wettanbieters Bwin, habe keine Exit-Perspektiven, betont Pistauer, und wolle die Mehrheit behalten. Er stelle lediglich die Mehrzuteilung von 15 % des Basisangebots.Varta erwirtschaftet drei Viertel des Umsatzes von knapp 200 Mill. Euro mit Knopfzellen für Hörgeräte, Uhren oder Kameras. Den Rest stellen Batterien zur Speicherung von Energie aus Fotovoltaikanlagen. Schein will aus dem Emissionserlös etwa 50 Mill. Euro für eine automatisierte Fabrik für Power Packs und andere Investitionen nutzen und 50 Mill. Euro für Akquisitionen reservieren, die er sich vor allem im Energiespeichergeschäft vorstellt.Bei Mikrobatterien für Hörgeräte hat sich der Markt zuletzt stark konzentriert, sagt Schein. Von ehemals etwa zwölf Herstellern seien nurmehr Varta und Rayovac – mit einem gemeinsamen Marktanteil von 80 % – sowie ein chinesischer und ein koreanischer Anbieter übriggeblieben. Panasonic oder Duracell verließen den Markt. Im vorigen Jahr setzte Varta 195 Mill. Euro um und verdiente operativ (Ebitda) 29,5 Mill. In den ersten neun Monaten 2016 wurden 161 Mill. Euro erlöst bei einem Ebitda von 21,8 Mill. Euro. Zum Vergleich: Varta erzielte mit Autobatterien vor dem Verkauf des Geschäfts Einnahmen von 590 Mill. Euro und ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen von 29 Mill. Euro.Varta hatte nach der Realteilung durch die Familie Quandt, die auch BMW-Großaktionär ist, mit Batterien für Autos, Industrie und Haushalt ihre Blüte. Dann wurden im Jahr 2000 für weniger als 300 Mill. Euro 92 % des Unternehmens an DB Investor (Deutsche Bank) verkauft und das Geschäft in Einzelteilen verwertet. Mit dem Verkauf der Gerätebatteriesparte und der Veräußerung der Autobatterien wurden 578 Mill. Euro eingestrichen. Es folgten Squeeze-out, Delisting und Spruchstellenverfahren. Und jetzt die Rückkehr an die Börse – wenn nicht der Ausgang der US-Wahlen noch einen Strich durch die Rechnung macht.