Varta steht vor Jahr der Bewährung
Varta steht vor Jahr der Bewährung
Die jüngsten Quartalszahlen lassen Investoren hoffen – Batteriehersteller wird vom Börsenstar zum Sanierungsfall
hek Frankfurt
Der finanziell angeschlagene Batteriehersteller Varta, der einen scharfen Sparkurs fährt, hofft auf eine Erholung des Geschäfts mit den kleinen Lithium-Ionen-Zellen für kabellose Kopfhörer. Diese Sparte bescherte dem Unternehmen aus Ellwangen im Osten Baden-Württembergs einst hohe Gewinne und eine erstaunliche Rally des Aktienkurses. Doch mit dem Abschwung der Weltwirtschaft und den hohen Inflationsraten geriet der Absatz ins Stocken. Hinzu kam, dass Varta ihre Marktdominanz und damit auch ihre Preissetzungsmacht verlor und preisgünstige Konkurrenten aus China Marktanteile gewinnen. Der Konzern hatte die Nachfrage überschätzt und zu stark in den Ausbau seiner Kapazitäten investiert.
Erfolgsgeschichte von gestern
Folge war eine Serie von Prognosesenkungen. Von der „Erfolgsgeschichte Made in Germany“, mit der Varta auf der Homepage noch immer wirbt, kann schon lange keine Rede mehr sein. Das Unternehmen ist ein Sanierungsfall. Wenigstens verlängerten die Konsortialbanken im April 2023 die Fremdkapitalfinanzierung bis Ende 2026, wenn auch zu veränderten, also schlechteren Konditionen. Zuvor hatte der Großaktionär Montana Tech des Investors Michael Tojner, wie von Kreditinstituten gefordert, knapp 51 Mill. Euro über eine Kapitalerhöhung eingeschossen.
Im Finanzaufwand hinterlässt der Deal mit den Banken bereits tiefe Spuren. Die Zinsaufwendungen gegenüber Kreditinstituten schossen in den ersten neun Monaten 2023 von 3,0 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum auf 19,4 Mill. Euro in die Höhe – ein Anstieg um 16,4 Mill. Euro. Neben den höheren Zinsen schlägt sich hier auch das gestiegene Volumen der Fremdfinanzierung nieder.
Energiespeicher boomen
Als Lichtblick werten Analysten, dass die Zahlen im dritten Quartal besser ausfielen als erwartet. Der Umsatz legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11% auf 215 Mill. Euro zu, und das adjustierte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) kam auf 28,8 Mill. Euro voran. Varta profitierte von dem Boom der Energiespeichersysteme, dem nachlassenden Kostendruck bei Rohmaterialien und Energie und niedrigeren Personalkosten im Zuge der Restrukturierung. Allerdings stehen unter dem Strich nach neun Monaten schmerzhafte 115,8 Mill. Euro Periodenfehlbetrag, die auf 554,1 Mill. Euro Umsatz fußen. Der hohe Nettoverlust zeigt, dass Varta längst nicht über den Berg ist.
Aktie erholt sich
Die im SDax vertretene Aktie hat sich von den Ende Mai/Anfang Juni markierten Tiefs bei 14/15 Euro gelöst und zeigt im Trend aufwärts. Vorausgegangen war ein von Spitzenkursen jenseits von 150 Euro ausgehender Absturz. Derzeit bewegt sich die Notierung im Bereich von 20 Euro. Sorge bereitet den Analysten von Alster Research weiter die hohe Nettoverschuldung.
Im ersten Halbjahr 2023 war das Geschäft mit Lithium-Ionen-Knopfzellen, die an Smartphonehersteller wie Samsung und Apple gehen, nahezu zum Erliegen gekommen. Der Umsatz kollabierte um drei Viertel auf 19,2 Mill. Euro. Im dritten Quartal setzte eine gewisse Besserung ein. Vor allem in den Monaten August und September habe sich die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien für kabellose Headsets erholt, teilte Varta im November mit.
Allerdings blieb der Quartalsumsatz des Coin-Power-Segments noch um 27,6% hinter dem Vorjahreswert zurück, und das Management gab zu verstehen, dass die Nachfrage einzelner Großkunden volatil bleiben dürfte. Das adjustierte Ebitda der Sparte verharrte mit −2,5 Mill. Euro im roten Bereich, fiel aber nicht mehr so desaströs aus wie zuvor. Nach neun Monaten stehen 32,9 Mill. Euro operativer Segment-Verlust zu Buche. Bezogen auf 44,4 Mill. Euro Umsatz ergibt das eine erschütternd hohe Verlustrate von 72%.
Umsatzanstieg erwartet
Neben den wachstumsstarken Energiespeichersystemen stützt das Standardgeschäft mit Haushaltsbatterien, vom Umsatz her das größte Segment, den krisengeplagten Konzern. Der Verkauf von Hörgeräte- und Mikrobatterien ging zwar in den ersten drei Quartalen 2023 deutlich zurück, aber die Marge legte infolge des Trends zu wiederaufladbaren Hörgeräten und rückläufiger Energie- und Rohmaterialkosten zu.
Bereits im vergangenen Sommer hatte Varta für das Jahr 2024 einen Umsatzanstieg auf mindestens 900 Mill. Euro angekündigt. Im Vergleich zu den für 2023 erwarteten 820 Mill. Euro wäre das eine Zunahme um ein Zehntel. Als Treiber des Wachstums nannte das Unternehmen Energiespeichersysteme und eine Erholung bei den zuletzt stark enttäuschenden Lithium-Ionen-Produkten.