Ein Schutz vor Überraschungen im Wettbewerb
Serie – So finanziert Deutschland Wachstum: Robert Bosch Venture Capital (1)
Ein Schutz vor Überraschungen im Wettbewerb
Mit Beteiligungen an Start-ups und Kooperationen will sich Bosch einen Innovationsvorsprung verschaffen
Von Joachim Herr, München
Bosch Ventures hat Beteiligungen an mehr als 70 jungen Unternehmen im Portfolio. Hinzu kommen einige hundert gemeinsame Projekte mit Start-ups. Mit ihrer Hilfe wollen Konzerneinheiten von Bosch Lösungen finden. So will das Stuttgarter Unternehmen mit Innovationen im Wettbewerb vorn bleiben.
Das Ziel ist klar. „Unsere Top Mission ist relativ einfach", sagt Ingo Ramesohl, einer der beiden Geschäftsführer der Robert Bosch Venture Capital GmbH. „Das erfüllen wir mit zwei Hebeln“, berichtet er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Bosch erwirbt erstens Beteiligungen von 5 bis 25% an Start-ups. Zweitens arbeitet der Konzern in der sogenannten Venture-Client-Abteilung „Open Bosch“ mit jungen Unternehmen zusammen.
Aktiv werden die Venture-Manager aller Geschäftsdivisionen von Bosch, die auf alle Regionen der Welt verteilt sind, wenn sich eine Geschäftseinheit des Stiftungskonzerns mit einem Problem meldet. „Dann prüfen wir, ob eine Kooperation mit einem Start-up sinnvoll sein könnte und bahnen möglichst einfach eine Zusammenarbeit an“, berichtet Ramesohl. „Wir finden fast immer irgendwo auf der Welt ein Start-up, das geeignet ist.“ Bosch habe eine sehr große Datenbasis.
Batterietausch-Systeme und Digitalkarten
Ein Beispiel für eine solche Technologiepartnerschaft ist Sun Mobility, ein Start-up in Indien, das ein Batterietausch-System für die Elektromobilität anbietet. Oder Atlatec: Das Karlsruher Unternehmen ist Spezialist für hochauflösende Digitalkarten für Fahrerassistenz und automatisiertes Fahren. Die Zusammenarbeit hatte 2019 begonnen, drei Jahre später übernahm Bosch den Partner. Ein Kauf ist aber nicht die Regel.
Im Jahr schaue sich Bosch Ventures 2.000 bis 3.000 Unternehmen an; in fünf bis zehn werde investiert, berichtet Ramesohl. Zur Zeit seien mehr als 70 Unternehmen im Portfolio, die Bosch steuere. In den meisten habe das Unternehmen einen Sitz im Verwaltungsrat. Darüber hinaus gebe es einige hundert gemeinsame Projekte mit Start-ups. „Im Jahr kommen etwa 30 bis 50 dauerhafte Kooperationen hinzu“, sagt Ramesohl. Nur in wenigen Fällen sei die Verbindung beendet worden.
"Ein Riesengewinn für beide Seiten“
Dank der Partnerschaft könne Bosch rasch von den Ideen der jungen Firmen profitieren. „In Kooperationen können wir den Start-ups mit ihrer Roadmap früh helfen, so dass die Produkte auch in relativ kurzer Zeit für Bosch einsetzbar sind. Das ist ein Riesengewinn für beide Seiten, und Bosch als Partner von Start-ups hat auch immer eine positive Signalwirkung.“ Ramesohl fügt einen willkommenen Nebeneffekt hinzu: „Dank unserer Investments und Kooperationen sehen wir, was in der Start-up-Branche weltweit passiert, und werden so nicht von neuen Wettbewerbern überrascht.“
Nicht nur Bosch wird beliefert
Die jungen Firmen beliefern mitunter auch Wettbewerber von Bosch: „Dass die Unternehmen erfolgreich sind und auch andere Kunden haben, wird von uns sogar gewünscht.“ Mit nur einem Kunden könne kein Unternehmen glücklich sein. Dank des eigenen Engagements könne Bosch schneller und stärker die Vorteile der Zusammenarbeit nutzen. „Wir lassen uns aber keine Vorkaufsrechte einräumen“, fügt Ramesohl hinzu. „Das würde den Wert des Unternehmens schmälern.“
Venture-Tochter 2007 gegründet
Bosch Ventures gibt es seit 2007. Derzeit werden Investitionen aus dem fünften internen Fonds finanziert, der mit 250 Mill. Euro ausgestattet ist. Mit den vier vorherigen in etwas geringerem Volumen ergibt sich eine Summe von mehr als 1 Mrd. Euro. „Die Beteiligungen aus dem Fonds 1 haben wir mit einem ordentlichen Return komplett verkauft“, berichtet Ramesohl. „Wir gehören mit unserer Rendite zum besten Viertel der institutionellen Investoren in Europa.“ Die Rendite dürfe Bosch nicht beziffern. Zu den von Bosch finanzierten Fonds kommt in China Boyuan Capital hinzu, die zusätzlich externe Mittel einsammelt – auch von anderen Industrieunternehmen.
„In Europa gehören wir zu den größten Industrieinvestoren – auch weil wir das schon lange machen“, sagt Ramesohl. Je erfolgreicher Bosch in diesem Geschäft sei, umso besser sei die Sichtbarkeit und umso besser der Deal-Flow. Neue Engagements kämen oft über andere Investoren zustande. Der Austausch sei in diesem „People Business“ eine wichtige Quelle. „Wir haben Kontakte zu allen wichtigen Investoren in der Welt in unserer Branche.“ Zudem kämen immer mehr Start-ups auf Bosch zu.
Netzwerk mit sieben Büros
Schließlich erwähnt Ramesohl das eigene Netzwerk mit sieben Büros: zwei in den USA, zwei in Schanghai, zwei für Europa in Deutschland und eine kleine Niederlassung in Tel Aviv. Auf Start-up-Konferenzen ließen sich etwa schnell und relativ einfach Kontakte knüpfen.
Fünf Jahre bis Marktstart
Die Haltedauer der Beteiligungen beziffert Ramesohl auf acht bis zehn Jahre. „In der Regel investieren wir in Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen haben, die nach drei bis fünf Jahren skaliert werden können.“ Als Beispiel für erfolgreiche Exits nennt der Geschäftsführer das US-amerikanische Unternehmen Ion Q, das Quantencomputer entwickelt und vermarktet. Es ist an der Nasdaq in New York gelistet. Das finnische Medizintechnikunternehmen Optomed ging an die Nasdaq in Helsinki, und das Halbleiterunternehmen Movidius wurde an Intel verkauft.