GASTBEITRAG

Verantwortung für Unternehmen und Investoren

Börsen-Zeitung, 1.9.2018 Hätten die Aktionäre von Bayer zur Monsanto-Übernahme explizit befragt werden sollen? Ist der Aufsichtsrat von Volkswagen ausreichend unabhängig, um wirklich einen echten Neuanfang nach dem Dieselskandal zu schaffen? War das...

Verantwortung für Unternehmen und Investoren

Hätten die Aktionäre von Bayer zur Monsanto-Übernahme explizit befragt werden sollen? Ist der Aufsichtsrat von Volkswagen ausreichend unabhängig, um wirklich einen echten Neuanfang nach dem Dieselskandal zu schaffen? War das besondere Vergütungsprogramm der Deutschen Börse für den früheren Vorstandsvorsitzenden angemessen?Fragen wie diese beschäftigen in jüngster Zeit nicht nur die Öffentlichkeit, sie sind auch für die Investoren in den betroffenen Unternehmen von hoher Relevanz. Schließlich sind die Regelungen zu Verantwortlichkeiten sowie Entscheidungsprozessen und – mehr noch – die Verhaltensweisen des Managements von Unternehmen entscheidende Faktoren für den langfristigen Geschäftserfolg und damit die Wertentwicklung am Kapitalmarkt.Für Investoren ist daher Corporate Governance (= gute Unternehmensführung und -kontrolle), die sich nicht nur an Gesetze hält, sondern berechtigte Erwartungen der Stakeholder ernst nimmt und auf Umwelt sowie Gesellschaft achtet, entscheidend für die Beurteilung von Unternehmen. Nicht von ungefähr hat in den vergangenen Jahren der Dialog mit Unternehmen im direkten Gespräch und auf Hauptversammlungen deutlich zugenommen. Steward für den EndanlegerEs geht dabei um die Verantwortung, sachkundig und transparent den Einfluss kraft der Finanzierungsrolle und Stimmrechte geltend zu machen. Da sie dies als Treuhänder ihnen anvertrauter Gelder tun, agieren die Investoren als “Steward” für die Endanleger. Umfassende “Stewardship” ist mittlerweile Selbstverständnis großer Investoren und wird auch durch die in der Umsetzung in deutsches Recht befindliche EU-Aktionärsrechterichtlinie gefordert.Die DVFA-Kommission Corporate Governance hat sich das Ziel gesetzt, Best Practice für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung in börsennotierten Unternehmen zu fördern und Investment Professionals bei der Umsetzung ihrer Stewardship-Aufgaben zu unterstützen. Zu den Aktivitäten der Kommission gehört es, aktuelle Aspekte der Corporate Governance zu thematisieren, Standards mitzuentwickeln und relevante regulatorische Prozesse mitzugestalten. Angesichts der Vielzahl der für deutsche Börsenunternehmen relevanten Vorgaben zur Erfüllung angemessener Governance-Verhältnisse wurde seit einiger Zeit kritisch vermerkt, dass die stimmenmäßig einflussreichen institutionellen Investoren oft unterschiedliche Positionen in wesentlichen Fragen wie Unabhängigkeit des Aufsichtsrats oder Struktur der Vorstandsvergütung vertreten. Evaluierung mittels ScorecardDie mit maßgeblichen Vertretern der vier größten Fondsgesellschaften und Wissenschaftlern besetzte DVFA-Kommission verfolgt daher eine Abstimmung von grundsätzlichen Positionen in signifikanter Form. Dies erfolgt auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Fachkreisen (wie zuletzt dem Arbeitskreis: “Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung”), bei denen gemeinsame Linien gefunden werden konnten. Weiterhin stellt sich die Kommission die Aufgabe, die kapitalmarktmäßige Bewertung der Governance-Verhältnisse des einzelnen Unternehmens durch die Vorstellung wesentlicher Qualitätskriterien mittels einer Scorecard (DVFA Scorecard for Corporate Governance) zu ermöglichen. Anhand des vom deutschen Governance Kodex gestellten Rahmens können damit die aus Sicht der Investoren qualitativ wichtigen Punkte und deren Gewichtung evaluiert werden. Wegweiser-FunktionDie Kommissionsarbeit prägt die dialogbezogene Erarbeitung von praxisgerechten Standards, die dem Verständnis der signifikanten Governance-Anliegen der großen Investoren in Deutschland dienen sollen. Damit verbindet sich weiterhin eine Wegweiser-Funktion für andere (auch internationale) Großanleger und Stimmrechtsberater, ohne deren individuelle Behandlung kritischer Fälle einzugrenzen.—-Michael Schmidt, Vorsitzender der DVFA Kommission für Corporate Governance—-Christian Strenger, Stellvertretender Vorsitzender der DVFA Kommission für Corporate Governance