KommentarWohnungskonzerne

Vergesellschaftung? Kein Problem

Die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin wäre verfassungsrechtlich möglich. Zu diesem Schluss kommt eine hochrangige Expertenkommission nach mehr als einjährigen Beratungen. Den neuen Berliner Senat bringt das in die Bredouille.

Vergesellschaftung? Kein Problem

Vergesellschaftung? Kein Problem

ahe Berlin

Die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne ist verfassungsrechtlich möglich, sagen Juristen. Der neue Berliner Senat ist in der Bredouille.

Vor dem Roten Rathaus in Berlin wehten am Mittwochmittag wieder die lila-gelben Fahnen der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen". Die linken Aktivisten demonstrierten, dass ihr 2021 gewonnener Volksentscheid endlich von der Politik umgesetzt wird. Im Rathaus übergab zur gleichen Zeit eine hochrangige Expertenkommission unter dem Vorsitz der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) ihr gut 150 Seiten starkes Gutachten an den neuen Regierenden Bürgermeister der Stadt, Kai Wegner. Es sollte die Frage klären, ob die geforderte Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen rechtlich überhaupt möglich ist. Das letzte Vorpreschen des Senats in Sachen Mieterschutz endete ja bekanntlich peinlich: Das Bundesverfassungsgericht kassierte den schönen Mietendeckel gleich wieder ein.

Däubler-Gmelin und die zwölf anderen Experten kamen nach mehr als einem Jahr Beratung nun zu dem Ergebnis: Anders als beim Mietendeckel gibt es bei dem jetzigen Vorhaben kein Bundesgesetz, das dem entgegenstehen würde. Nach Artikel 15 des Grundgesetzes wäre damit eine Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen möglich – auch wenn dieser Artikel in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie angewandt wurde. Und gerade dies macht die juristische Interpretation bei den weiteren Details so schwierig. Um die Verhältnismäßigkeit einer Vergesellschaftung und die Höhe der Entschädigung, die an die betroffenen Konzerne zu zahlen ist, gab es heftige Diskussionen innerhalb der Expertenkommission und mehrere Minderheitenvoten, die im lang erwarteten Abschlussbericht festgehalten wurden. Eine Mehrheit war auf jeden Fall der Meinung, dass eine Entschädigung auch unterhalb der Verkehrswerte der Immobilien zulässig sei.

Den neuen Regierenden Bürgermeister von der CDU bringt der Bericht in die Bredouille, da er damit weiter ein Thema vorantreiben muss, von dem er eigentlich gar nichts hält. Er sei nach wie vor skeptisch bezüglich einer Vergesellschaftung, betonte Wegner am Mittwoch. "Das ist der falsche Weg." Und dieser könnte richtig teuer werden: Im Zuge des Volksentscheids 2021 war von 29 Mrd. bis 36 Mrd. Euro die Rede, die die "Enteignungen" auf dem Wohnungsmarkt kosten könnten. Trotzdem will Wegner jetzt erst einmal ein "Vergesellschaftungsrahmengesetz" für Berlin erarbeiten lassen. Ex-Bundesverfassungsrichter und Kommissionsmitglied Michael Eichberger ist sich allerdings jetzt schon "zu 100%" sicher, dass ein solches Gesetz erneut in Karlsruhe landet. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft wetterte auf jeden Fall schon, dass die Berliner Enteignungsträume eine massive Verunsicherung von Investoren bedeuteten und damit ganz Deutschland als Wirtschaftsstandort schadeten.

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