Verkaufslabel "Made in Russia"
Der Werkzeugmaschinenbauer DMG Mori produziert ab sofort auch in Uljanowsk, knapp 900 Kilometer südöstlich von Moskau. Die zunächst rund 1 200 Hightech-Maschinen pro Jahr sind nur für den russischen Markt bestimmt. DMG unterwirft sich dabei der “Local Content”-Politik der Regierung.Von Andreas Heitker, UljanowskDer Name Gildemeister hat in Russland noch immer einen guten Klang. Schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs machten die Bielefelder wieder Geschäfte in der damaligen Sowjetunion. In Spitzenjahren verbuchte Gildemeister bis zu 50 % des Umsatzes in Russland. Doch dann kamen die Umbrüche in den achtziger Jahren, die mit einem Zusammenbruch des Marktes einhergingen. Der Faden wurde lange nicht wieder aufgenommen. Erst 2005 eröffnete der heute unter DMG Mori firmierende Maschinenbauer wieder ein Büro in Moskau. In Uljanowsk, der Geburtsstadt von Lenin, zurrte DMG jetzt einen weiteren Schritt zur Wiederbelebung der alten Freundschaft fest: In der Wolga-Metropole wurde das wahrscheinlich modernste Werk im ganzen Konzern eröffnet.In dem Fertigungs- und Montagewerk werden künftig pro Jahr 1 200 Hightech-Maschinen der Baureihe “Ecoline” produziert. Die Kapazitäten können aber ohne Weiteres auch verdoppelt werden, wie Vorstandschef Rüdiger Kapitza bei der Eröffnung deutlich machte. 330 000 Quadratmeter hat sich DMG Mori in dem Industriepark vor den Toren von Uljanowsk gesichert. Der Platz ist damit fast siebenmal so groß wie am Stammsitz in Bielefeld.Uljanowsk ist ein Zentrum des russischen Maschinenbaus. Bedeutende Kunden aus der Luftfahrt und dem Automobilbau sitzen hier. Antonow-Transportflugzeuge werden hier produziert. Fabriken von GAZ oder Lada liegen in überschaubaren Entfernungen. An gleich drei Universitäten werden vor Ort Fachkräfte ausgebildet, die bei DMG etwa 600 bis 700 Euro im Monat verdienen. Der Gouverneur der Region bemüht sich speziell auch um deutsche Unternehmen. Infrastruktur und Produktionsbedingungen gelten als vorbildlich. Und im vergangenen Jahr hat auch Schaeffler bereits ein Werk in dem Industriepark eröffnet.DMG Mori hat bisher rund 70 Mill. Euro in das neue Werk investiert. Als das Projekt vor etwa sechs Jahren gestartet wurde, konnte noch niemand ahnen, in welch einem schwierigen politischen Umfeld die neue Produktion starten würde. “Ich bin kein Politiker, und das hier ist kein politisches Projekt. Das ist nur eine Werkzeugmaschinenfabrik”, betont Konzernchef Kapitza. Aber auch er muss mit Blick auf die westliche Embargo-Politik gegenüber Russland feststellen, dass DMG mit der Eröffnung “nicht den günstigsten Zeitpunkt” in den bilateralen Beziehungen erwischt hat. Nachfrage eingebrochenIm deutschen Werkzeugmaschinenbau ist die Nachfrage aus Russland im vergangenen Jahr um fast ein Drittel eingebrochen. Vor allem chinesische Wettbewerber haben daher in jüngster Zeit die Gunst der Stunde genutzt. Die Geschäfte werden schwieriger. Auch DMG Mori muss sich die Lieferung jeder Maschine nach Russland vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) genehmigen lassen. 2014 und 2015 wurde zwar kein Antrag abgelehnt. Die Genehmigungen verzögern sich wegen des Antragsstaus in der Behörde aber immer wieder.Für DMG ist Russland heute ein 100-Mill.-Euro-Markt. Vor wenigen Jahren war in Bielefeld das jährliche Umsatzpotenzial noch auf das Doppelte geschätzt worden. Der russische Anteil am weltweiten Werkzeugmaschinenmarkt ist zwar mit etwa 3 % nur gering (siehe Tabelle) – er gilt allerdings bis heute noch als deutlich ausbaufähig. Maschinen nur für RusslandBei DMG Mori sind alle in Uljanowsk produzierten Maschinen für den russischen Markt vorgesehen. Der Wegfall von Transport- und Logistikkosten verbilligt diese um etwa 20 % im Vergleich zu Importen vergleichbarer Anlagen aus Deutschland. Zudem fallen Währungsrisiken weg, da auch viele Zulieferer in Rubel bezahlt werden, die allerdings erst einmal gefunden und entsprechend geschult werden müssen.DMG Mori hofft aber, künftig mit dem Label “Made in Russia” punkten zu können. Der Konzern unterwirft sich daher von vornherein der “Local Content”-Politik der russischen Regierung, mit der die einheimische Wirtschaft – nicht erst seit den westlichen Sanktionen, aber seither besonders – gestärkt werden soll. Spätestens 2018 muss DMG Mori daher nachweisen, dass auch mindestens 50 % der Zulieferungen aus Russland kommen. Nur dann wäre der Status als “russischer Produzent” auch zu halten. Und nur dann wären auch staatliche Handelshemmnisse zu umgehen: Denn immer wieder wird die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen an die Erfüllung von “Local Content”-Bestimmungen geknüpft. Maschinen russischer Hersteller werden so gezielt bevorzugt.