HERBSTKONFERENZ – 1ON1 SUMMIT - IM GESPRÄCH: MICHAEL QUATEMBER, BET-AT-HOME

Verlängerung und Elfmeterschießen erwünscht

Der CEO des Anbieters von Online-Sportwetten und -Spielen über Uefa-Finalrunden, die intakte Prognose und regulatorische Hürden

Verlängerung und Elfmeterschießen erwünscht

Als Online-Wettanbieter profitiert Bet-at-home von der Aufstockung der Endrundenteilnehmer an Fußball-WM und -EM. “Je mehr Spiele, desto mehr Wettmöglichkeiten”, erklärt CEO Michael Quatember. Im ersten Halbjahr belastete daher die Unterbrechung der nationalen Ligen. Nachteilig war auch, dass im August die Finalrunden der Champions und Europa League ohne Rückspiele auskamen; zudem gab es keine Verlängerung oder gar Elfmeterschießen. Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtFußball-Europameisterschaft und Olympische Spiele um ein Jahr verschoben, der Spielbetrieb zahlloser Ligen in diversen Sportarten unter- oder sogar abgebrochen, das Viertel- und Halbfinale der Uefa Champions League sowie der Europa League um die Rückspiele verkürzt – das kann für einen Anbieter von Online-Sportwetten nicht gut sein. Ist es auch nicht. “Das Sommerloch im Fußball hatten wir dieses Jahr schon von März bis Mai”, sagt Michael Quatember. Wie der Co-CEO von Bet-at-home im Gespräch mit der Börsen-Zeitung aber deutlich macht, waren die indirekten negativen Auswirkungen der staatlich verordneten Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Covid-19-Virus längst nicht so gravierend für das Unternehmen, wie Anleger offenbar zunächst vermutet hatten. Von Mitte Februar bis Mitte März war die Aktie von knapp 50 Euro auf 18 Euro eingebrochen. Inzwischen hat sich der Kurs auf rund 37 Euro erholt (siehe Chart). EM-Marketing früh gestoppt”Unsere Prognose für 2020, die Ende des Vorjahres – als die Pandemie noch überhaupt kein Thema war – geplant und Anfang März veröffentlicht wurde, hat nach wie vor Bestand”, betont Quatember, der im Vorstand des Anbieters von Online-Sportwetten und -Gaming (Roulette, Blackjack, Poker etc.) für die Finanzen zuständig ist. Das zeige, dass das Unternehmen erstens adäquat und frühzeitig reagiert habe – so seien bereits im März, als sich die Absage bzw. Verschiebung der für den Sommer geplanten Fußball-EM erahnen ließ, die Marketingplanungen dafür gestoppt worden. Es seien keine Verträge mit Bezug auf den Wett-Event geschlossen worden, wodurch auch die GuV-Rechnung nicht belastet wurde. Zweitens, so Quatember im Rahmen der vom Finanzintermediär Equity Forum als 1on1 Summit abgehaltenen Herbstkonferenz, sei durch zusätzliche Einnahmen in anderen Segmenten ein Teil der Erlösausfälle kompensiert worden. Je mehr Spiele, desto besserQuatember redet aber die jüngste Entwicklung im Sportwettenbereich nicht schön. Mit Blick auf die Finalrunden in Champions und Europa League sagt er: “Das Wettrisiko bei nur einem Spiel pro Abend ist größer, als wenn sich das Risiko auf mehrere Spiele verteilt.” Negativ sei für Bet-at-home auch gewesen, dass die Finalspiele ohne eine einzige Verlängerung oder gar ein Elfmeterschießen auskamen, was sonst viele Kunden zu Zusatzwetten animiere. Darüber hinaus seien mehr Spiele – also Hin- und Rückspiele – grundsätzlich besser fürs Geschäft als eine Finalrunde. Das ist auch der Grund, warum dem Österreicher die avisierte Ausweitung der Teilnehmerzahlen an den Endrunden von Fußball-WM und -EM gefällt: “Je mehr Spiele, desto mehr Wettmöglichkeiten.”In der Lockdown-Phase seien Kunden auf alternative Wettangebote ausgewichen, etwa Randsportarten wie Tischtennis und E-Sports. “Doch so positiv die Verzehnfachung des Wettvolumens im E-Sports-Bereich im ersten Halbjahr auch gewesen ist”, so Quatember, “das Segment macht bislang eben nur 1 % der Sportwettenerlöse aus.”Der Gaming-Bereich, der inzwischen für über 60 % des Umsatzes stehe, habe sich im ersten Semester insgesamt solide entwickelt. Umsatzzuwächse dank des Lockdown, der eingeschränkte Möglichkeiten zu Freizeitaktivitäten mit sich brachte, habe man aber nicht feststellen können. “Die Pandemie ist für uns keine Verkaufsförderung.” Im Gegenteil: Ansteigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und düstere Konjunkturperspektiven hätten besonders in der Anfangszeit der Krise zur Ausgabenzurückhaltung bei Kunden geführt.Als Herr der Zahlen betont Quatember die “Super-Equity- und Super-Cash-Situation” von Bet-at-home. Zum 30. Juni betrug die Eigenkapitalquote 51 (30.12.2019: 44) %, und die liquiden Mittel lagen bei 61 (55) Mill. Euro. Zudem verweist der CEO auf die “sehr variable und damit vorteilhafte G+V-Struktur”. Gewinn im zweiten QuartalDer Vorstand erwartet für 2020 ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zwischen 23 und 27 (i. V. 35) Mill. Euro. Nach den ersten sechs Monaten lag das Ebitda bei 15,8 (21,3) Mill. Euro, wobei das zweite Quartal dazu immerhin 6,8 (8,6) Mill. beitrug. Quatember unterstreicht, dass damit nach “dem schwierigeren Halbjahr” bereits mehr als die Hälfte des angepeilten Ebitda im Gesamtjahr verdient worden sei. Der Brutto-Wett- und Gaming-Ertrag (vergleichbar dem Umsatz in der Industrie) soll zwischen 120 Mill. und 132 Mill. Euro liegen, wobei der Rückgang zum Vorjahreswert von 143 Mill. Euro insbesondere auf rechtliche Restriktionen in einzelnen Märkten zurückzuführen sei. Im ersten Halbjahr lag dieser Wert bei 62,3 (71,1) Mill. Euro.Mit den “rechtlichen Restriktionen” sind vor allem die Probleme in der Schweiz und in Polen gemeint. Sie sind – neben den negativen Auswirkungen der Coronakrise – der zweite große Belastungsfaktor für Bet-at-home. So wird seit Juli 2019 in der Schweiz die Internetseite von Bet-at-home geblockt. Das Land stand nach Analystenschätzungen für bis zu 2 % des Brutto-Wett- und Gaming-Ertrags des Konzerns. Hintergrund der blockierten Webseiten ist gemäß Quatember, dass nach Schweizer Recht nur Wett- und Spieleanbieter, die eine Lizenz für stationäre Retail-Läden betreiben, auch eine Lizenz für Online-Geschäfte beantragen dürfen. Die Zahl der Lizenzen für Offline-Shops sei aber limitiert. Nach Ansicht des Vorstandes verstößt dies gegen die unternehmerische Freiheit sowie das Diskriminierungsverbot und widerspricht somit der schweizerischen Bundesverfassung. Bet-at-home habe deswegen den Rechtsweg beschritten. Wichtiger Markt geschlossenEs ist nicht das erste Mal, dass Bet-at-home mit der Regierung bzw. Bürokratie eines Landes über Kreuz liegt. In Polen, damals der drittwichtigste Markt nach Österreich und Deutschland, wird seit dem 1. Juli 2017 von staatlicher Seite der Zugang zur Internetseite von Bet-at-home und anderen ausländischen Online-Wettanbietern blockiert. Grund ist das damalige Inkrafttreten eines neuen Online-Glücksspielgesetzes. Aufgrund dieses Gesetzes gewährte die Regierung nur noch eine Online-Sportwetten- und Casino-Lizenz; diese wurde an ein Unternehmen aus Polen vergeben. Der Wegfall dieses Geschäfts habe Bet-at-home wehgetan, räumt Quatember ein, doch habe in der Folgezeit starkes Wachstum auf den beiden Hauptmärkten “den Verlust des Polen-Geschäfts annähernd kompensiert”. Langer Rechtsstreit in PolenNach wie vor gibt Bet-at-home den polnischen Markt nicht verloren – das Unternehmen hat den Rechtsweg beschritten und ist bereit, bis vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, “der in ähnlich gelagerten Fällen schon oft pro Dienstleistungsfreiheit entschieden hat”. Denn nach EU-Recht müsse ein Online-Wett- und Spieleanbieter, der in einem EU-Land eine Lizenz erhalten habe – und Bet-at-home habe Lizenzen von Malta, England, Irland, Österreich und in Schleswig-Holstein erhalten -, in einem anderen EU-Land nicht generell von diesem Geschäft ausgeschlossen werden. “All unsere Rechtsberater, auch die polnischen, sagen voraus, dass der EuGH dieses Gesetz ablehnen und uns recht geben wird”, sagt Quatember. Bis zu einem letztinstanzlichen Urteil “wird es aber noch Jahre dauern”, räumt der Co-CEO ein. Aber wenn es so weit ist, habe man den Vorteil einer großen Kundenkartei für Polen. “Diese Kunden zu reaktivieren ist viel kostengünstiger, als neue zu akquirieren.” Ein ähnlich lang andauernder Rechtsstreit könnte auch in der Schweiz drohen.Das ehemalige SDax-Mitglied Bet-at-home gehört seit 2009 mehrheitlich (52 %) der französischen Betclic Everest SAS Group. Die Marktkapitalisierung liegt bei 260 Mill. Euro. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen hat Bet-at-home die angekündigte Dividende von 2 Euro je Aktie trotz der Krise nicht verringert oder gestrichen. “Auch um das hohe Cash-Polster abzubauen und dadurch die Belastung durch Negativzinsen zu verringern”, sagt Quatember. Es gebe keinen festen Dividendenplan, doch soll auf mittlere Sicht jedes Jahr die reguläre Dividende erhöht werden. Davon abweichen würde man, falls sich die Gelegenheit böte, “einen Wettbewerber mit seinem Kundenstock zu einem attraktiven Preis zu kaufen”.