„Vertrauen gewinnt man nicht mit der Brechstange“
Im Interview: Klaus Fröhlich
„Vertrauen gewinnt man nicht mit der Brechstange“
Der Group Chief Investment Officer des Ölkonzerns Adnoc aus Abu Dhabi über die geplante Übernahme des Kunststoffriesen Covestro aus Leverkusen
Es wäre die erste Komplettübernahme eines Dax-Konzerns durch einen Staatskonzern aus den Golfstaaten. Der Öl- und Gasriese Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten will für 14,4 Mrd. Euro (inkl. Schulden) den deutschen Kunststoffkonzern Covestro erwerben. Adnoc-Chief-Investment-Officer Klaus Fröhlich, aufgewachsen in Gießen und Frankfurt, erklärt, wie willkommen sich Adnoc in Deutschland fühlt und was das Unternehmen in den kommenden Jahren vorhat.
Herr Fröhlich, Adnoc, dem staatlichen Ölkonzern der Vereinigten Arabischen Emirate, stehen über die nächsten fünf Jahre 150 Mrd. Dollar für Investitionen zur Verfügung. Der nächste Zukauf wird Covestro. Sie leiten als Group Chief Investment Officer die Corporate-Finance-Abteilung, die das ausführt. Welche Strategie hat Adnoc bei den Investitionen?
Es geht nicht einfach nur um ein großes Investitionsvolumen. Wir sind seit Jahrzehnten in der Energiewelt unterwegs und haben als Value-Added-Investor Erfahrung mit großen Anlagen. Das nutzen wir jetzt, um unser Geschäft auf die Energiewende vorzubereiten und zu diversifizieren. Gas wird ein wichtiger Brennstoff in der Übergangsphase sein. Deshalb bauen wir dieses Geschäft aus. Wir sind und werden ein verlässlicher Energielieferant für Deutschland und Europa sein, nachdem Russland weggefallen ist. Aber wir globalisieren auch: Wir haben einen Anteil am LNG-Projekt „Rio Grande“ in den USA erworben und sind an einem LNG-Projekt in Mosambik beteiligt.
Welche neuen Geschäftsfelder erschließen Sie sich noch?
Wir erweitern von der Grundlagenchemie auf die Spezialchemie. Neben den Chemieunternehmen Borealis, Borouge und der Beteiligung am Wiener Energiekonzern OMV werden weitere Firmen ins Portfolio kommen. Darüber hinaus wollen wir unser Geschäft mit Ammoniak, das wir schon sehr lange betreiben, auch in der neuen Energiewelt ausbauen. Da wird Ammoniak dazu dienen, Wasserstoff zu transportieren. Nicht zuletzt haben wir uns auch bei Masdar – der Abu Dhabi Future Energy Company – beteiligt, um in erneuerbare Energie und die Produktion von Wasserstoff zu investieren.
Zur Person
Klaus Fröhlich arbeitet seit 2020 als Group Chief Investment Officer für Adnoc in Abu Dhabi. Covestro kennt er noch aus seiner Zeit als Investmentbanker von Morgan Stanley. 2015 brachte er das Kunststoffgeschäft von Bayer als „Covestro“ an die Börse. Dass er neun Jahre später eine Übernahmeofferte für das Unternehmen platziert, hätte er sich nicht träumen lassen.
Wie haben Sie Adnoc neu aufgestellt?
Wir haben beispielsweise in den letzten Jahren sechs IPOs gemacht, die heute eine Marktkapitalisierung von addiert 120 Mrd. Dollar auf die Waage bringen. Zum Beispiel haben wir die Adnoc Logistics & Shipping Company separat aufgestellt und an die Börse gebracht. Das hat viel zusätzlichen Wert kreiert, weil das Listing die ganze Unternehmenskultur verändert hat.
Und jetzt kommt die geplante Übernahme von Covestro. Sie haben die damalige Bayer-Tochter vor neun Jahren als Investmentbanker bei Morgan Stanley in Frankfurt an die Börse gebracht. Hätten Sie gedacht, dass Sie das Unternehmen einmal kaufen würden?
Nein, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Dass wir Covestro ausgewählt haben, hat auch nichts damit zu tun, dass ich damals den Börsengang begleitet habe oder vielleicht die Leute dort kenne. Es war ein systematischer Prozess, und am Ende kam heraus, dass Covestro hervorragend zu uns passt. Kunststoffe wird es immer geben – auch nach der Energiewende.
Sie bieten 14,4 Mrd. Euro für Covestro inklusive Schulden. Die Due Diligence läuft. Wie schnell kann der Deal in trockene Tücher kommen?
Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Wir haben alles gut vorbereitet. Aber es gibt keinen Automatismus. Wir machen kein M&A um jeden Preis. In Brasilien ist unsere Übernahme von Braskem, einem petrochemischen Unternehmen, das thermoplastische Harze herstellt, am Ende nach langen Verhandlungen zum Beispiel nicht zustande gekommen.
Es wird bei Covestro ein Investment Agreement geben. Was ist aus Ihrer Sicht das größte Hindernis?
Ich würde das nicht als Hindernis bezeichnen. Aber sich in die Welt der deutschen Mitbestimmung einzudenken und sich damit wohlzufühlen, ist sicher etwas, das Zeit beansprucht hat. Aber das ist auch nicht außergewöhnlich. M&A braucht einen langen Atem und Disziplin. Vertrauen gewinnt man nicht mit der Brechstange. Gerade bei transformatorischen Transaktionen dauert es lange, bis beide Seiten Vertrauen fassen.
Klaus Fröhlich, CIO von AdnocWir sind gekommen, um zu bleiben.
Inwiefern unterscheiden Sie sich mit Adnoc von einer Private-Equity-Firma?
Wir sind als strategischer Investor langfristig orientiert. Uns ist Deutschland wichtig. Wir haben hier langjährige Geschäftsverbindungen. Wir liefern „blauen“ Wasserstoff an den Kupferkonzern Aurubis, und unser LNG wird in Brunsbüttel angelandet. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wir wollen nicht in ein paar Jahren wieder verkaufen, und wir werden auch in einer schwierigen Phase des Chemiezyklus investieren, wenn der Kapitalmarkt das nicht hergibt.
Covestro wäre die erste Komplettübernahme eines Dax-Konzerns durch einen Staatskonzern aus den Golfstaaten. Auch DB Schenker könnte an Käufer aus der Region gehen. Wie willkommen sind Investoren aus Golfstaaten in Deutschland?
Wir fühlen uns willkommen. Ich habe keinerlei Aversion gespürt. Im Gegenteil. Man schätzt unsere Verlässlichkeit als Energielieferant und unseren respektvollen Umgang. Das öffnet uns Türen. Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten als guter Partner. Es gibt eher Erklärungsbedarf, was Adnoc so macht und wer wir sind – auch das ist normal bei solchen Transaktionen.
Es gibt Synergien mit Ihren Unternehmen und den Beteiligungen Borouge in Abu Dhabi sowie OMV in Österreich und Borealis. Welche sind das?
Es gibt keinerlei Überschneidungen oder Überlappungen. Das ist ein völlig anderer Zweig der Chemie. Covestro wird eigenständig aufgestellt bleiben. Wir verstehen Covestro als Wachstumsplattform.
Wie wollen Sie das Wachstum als Eigentümer von Covestro unterstützen?
Wenn das Management von Covestro Kapitalbedarf für Investitionen hat, dann sind wir in der Lage, das zu stemmen. Für das Management ist das eine ziemlich gute Ausgangsposition. Zusätzlich haben wir ein großes globales Netzwerk, was als Value-Add-Investor Türen öffnen kann.
Bei Covestro wurden 500 von 18.000 Stellen abgebaut. Welche Zusagen können Sie für die Beschäftigten in Deutschland geben?
Wir werden das respektieren, was das Management mit der Belegschaft aushandelt.
Covestro wird dieses Jahr um die 1,3 Mrd. Euro Ebitda machen. Sie wollen das Elffache zahlen. Ist das nicht zu viel?
Wir sind langfristig orientiert und sehen das Potenzial von Covestro als Wachstumsplattform für uns. Das Ergebnis in einem Jahr in einer zyklischen Industrie ist hier nicht ausschlaggebend.
Adnoc respektiert deutsche Mitbestimmung
Sie wollen Covestro komplett übernehmen. Mit welcher Mindestannahmeschwelle werden Sie in der Offerte operieren?
Wenn wir uns einigen, wird es ein Übernahmeangebot für alle ausstehenden Aktien geben.
Wollen Sie Covestro letztlich von der Börse nehmen?
Dazu kann ich Ihnen heute nichts sagen.
Fürchten Sie, dass sich bei Covestro schon „räuberische“ Aktionäre eingekauft haben, um Sie zu erpressen?
Dazu möchte ich auch nichts sagen.
Wie hält es Adnoc mit europäischen Corporate-Governance-Standards?
Natürlich respektiert Adnoc, wie die Mitbestimmung in deutschen Aufsichtsräten funktioniert, und weiß, dass das ein überaus erfolgreiches Modell ist. Deutschland hält nicht umsonst an dem zweistufigen Führungsmodell mit Vorstand und Aufsichtsrat fest. Gute Governance ist bestimmt auch einer der Gründe, warum Deutschland die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt geworden ist.
Klaus Fröhlich, CIO von AdnocWir haben volles Vertrauen in die Entscheidungen des Managements.
Sichern Sie Covestro Eigenständigkeit zu?
Ja. Wir haben volles Vertrauen in die Entscheidungen des Managements.
Sind kulturelle Themen ein Problem?
Von unserer Seite aus nicht. Adnoc hatte schon immer viele internationale Partnerschaften. Schon die ersten Konzessionen vor 70 Jahren wurden an westliche Unternehmen vergeben. Umgekehrt ist auch Covestro ein internationales Unternehmen mit mehr als 50 Werken in aller Welt. Die Belegschaft ist international. Beide Seiten sind offen füreinander.
Das Interview führten Annette Becker und Christoph Ruhkamp.