Viel Wind um Flender
Von Annette Becker, BocholtBeim Antriebstechniker Flender ist am 1. September zumindest schon einmal Zeit für einen Piccolo. Denn dann werden die Bocholter mit der Integration des von der Mutter Siemens kommenden Geschäfts mit Windgeneratoren in den eigenen Konzern den ersten Meilenstein auf dem Weg zum eigenständigen, börsennotierten Unternehmen hinter sich lassen. Der Spin-off des Getriebeherstellers von Siemens samt Börsengang – also der Zeitpunkt fürs Knallen der Sektkorken – soll dann im Frühjahr 2021 folgen.Zwar hatte Siemens-Chef Joe Kaeser jüngst für Unruhe am Standort Bocholt gesorgt, als er den Verkauf als Alternative zum Börsengang ins Spiel brachte. Horst Kayser, Chairman der Portfolio Companies von Siemens, versucht jedoch zu beruhigen: Sollte ein Investor ein Angebot für Flender auf den Tisch legen, sei der Siemens-Vorstand verpflichtet, sich eine etwaige Offerte anzuschauen. Aber: “Die Börsennotierung im Wege der Abspaltung ist unser Plan”, macht Kayser den Punkt und liefert mit den Stichworten Transaktionssicherheit und Sachdividende die maßgeblichen Argumente.Im Wege des Spin-off will sich Siemens auf weniger als die Hälfte des Grundkapitals zurückziehen, könnte sich aber zugleich als langfristiger Ankerinvestor positionieren. Die Abspaltung von Flender aus Siemens ist zwar nicht vergleichbar mit dem für Herbst geplanten Börsengang von Siemens Energy – schon allein der Größe wegen. Was die Prozesse anbelangt, gilt Energy aber sicher als Blaupause für den 1899 gegründeten Getriebespezialisten.Auch Andreas Evertz, der im April dieses Jahres an seine alte Wirkungsstätte in Bocholt zurückgekehrt ist – diesmal als Chief Executive Officer (CEO) -, lässt im Pressegespräch keine Zweifel daran, dass es im kommenden Jahr zum Börsengang kommt. Vorausgesetzt, die Siemens-Aktionäre geben auf der nächsten Hauptversammlung grünes Licht für die Abspaltung.”Flender ist ein Hidden Champion”, proklamiert Evertz, auch wenn man das unter dem Siemens-Dach nur schwer erkennen könne. “Wir gehören in allen Industrien, in denen wir unterwegs sind, mindestens zu den Top 3 der Branche. Erklärtes Ziel ist es, überall zur Nr. 1 aufzusteigen”, erklärt der Maschinenbauingenieur selbstbewusst.Doch wenngleich die Antriebstechnik von Flender nach eigener Darstellung in 15 Branchen zum Einsatz kommt, steht das Windgeschäft unter der Marke Winergy im Zentrum. Auf den Geschäftsbereich entfällt nach den Angaben etwa die Hälfte des Konzernumsatzes von grob 2 Mrd. Euro (inklusive der Windgeneratoren). Zwar ist das Windgeschäft letztlich aus dem Industriegeschäft erwachsen, wie Evertz erläutert. Heute lernten jedoch beide Segmente voneinander.Das Windgeschäft ist denn auch der Kern der künftigen Equity Story. Zusammen mit den Windgeneratoren entsteht ein neues wachstumsstarkes Geschäft. Waren die Kunden vor ein paar Jahren noch skeptisch, dass die Verschmelzung des Getriebes mit dem Generator zielführend ist, hat nach Einschätzung von Evertz inzwischen ein Umdenken eingesetzt. Aus gutem Grund, reduziere die Verschmelzung der beiden Komponenten doch die Kosten, befähige zu höherer Leistung und führe letztlich auch zu geringerem Verschleiß.”Unsere Produkte sind vielleicht nicht so sexy wie ein Smartphone, aber es gibt sicher keine Zukunft ohne Antriebstechnik”, wirbt Evertz. Zu den größten Wettbewerbern im Windgeschäft zählen ZF und die chinesische NGC, Letztere ist allerdings international nicht so breit aufgestellt. Das Industriegeschäft ist dagegen stark fragmentiert mit entsprechend vielen Wettbewerbern, die laut Evertz allesamt ernst genommen werden.Zwar gibt sich der Börsenaspirant mit Zahlen und Fakten noch sehr zugeknöpft. Das hält Evertz jedoch nicht davon ab, die Latte hochzulegen: “Wir wollen in allen Segmenten schneller wachsen als der jeweilige Markt”, formuliert der 51-Jährige den eigenen Anspruch. Eine starke Aussage, die sich allerdings dadurch relativiert, dass es keine Angaben zum Marktwachstum der jeweiligen Segmente gibt. Dem hält Evertz entgegen: “Wir wissen, dass wir Marktanteile gewinnen, das ist, was zählt.” Margenstarker ServiceNeben dem forcierten Ausbau des Windgeschäfts richtet Evertz den Fokus auch auf das margenträchtige Service-Geschäft. Heute entspreche der Serviceanteil im Industriegeschäft etwa dem Branchendurchschnitt. Mit Durchschnitt will sich der CEO, der vor seiner Rückkehr zu Flender Private-Equity-Investoren bei Unternehmenskäufen beriet, jedoch nicht zufrieden geben.