Viele Normen für Industrie 4.0

In Berlin wird diskutiert, ob Amerikaner oder Deutsche die Standards für das industrielle Internet setzen

Viele Normen für Industrie 4.0

Werden US-amerikanische Softwarekonzerne die Standards für die globale Maschinenkommunikation setzen und die deutschen Anlagenhersteller zu bloßen Hardwarelieferanten degradieren? Bei einer Podiumsdiskussion des Maschinenbau-Gipfels in Berlin waren sich Vertreter aus den USA, Deutschland und China einig: Beim industriellen Internet wird es nicht einen Standard für alles, sondern eher viele Einzelnormen geben.ds Berlin – Wer kann Produktionsmaschinen besser über das Internet vernetzen: Amerikaner, Deutsche oder gar die Japaner? Wer wird bei Industrie 4.0, oder – wie es in Amerika heißt – beim “Industrial Internet” die Standards setzen? Und an wem orientiert sich die Weltmacht China? Diese Fragen wurden auf dem Maschinenbau-Gipfel, zu dem sich die Investitionsgüterindustrie in Berlin traf, am Mittwoch kontrovers diskutiert.”Siemens, Hitachi und General Electric sind Wettbewerber, aber nicht Deutschland, Japan und Amerika”, sagte Richard Soley, Executive Director beim amerikanischen Industrial Internet Consortium (IIC), das in Konkurrenz zu der deutschen Plattform Industrie 4.0 steht und von vielen deutschen Mittelständlern mit Argwohn betrachtet wird. Zu den rund 250 Unternehmen, die sich der US-amerikanischen Plattform angeschlossen haben, gehören auch die deutschen Großkonzerne Bosch, Siemens, SAP und Infineon.Die Schlagworte “Industrie 4.0” (Deutschland), “Internet der Dinge” (USA) oder Cyber-physikalische Systeme (Japan) bezeichneten im Prinzip alle dasselbe, so Soley, und es helfe einfach nicht weiter, dauernd von einer Konkurrenz der einzelnen Länder zu sprechen.Soley stellte auch die These infrage, dass US-Unternehmen mit ihrer im Silicon Valley gepflegten Kultur des Scheiterns tatsächlich experimentierfreudiger seien als deutsche. “Diese Ansicht ist verbreitet, aber ich weiß nicht, ob sie korrekt ist”, sagte er vor deutschem Publikum. Innovative Unternehmen, egal ob in den USA oder in Deutschland, arbeiteten nach dem Prinzip “Versuch und Irrtum”, und zu scheitern sei in Ordnung, “sofern man schnell scheitert und schnell dabei lernt”. Wie beim NetzsteckerDer IIC-Lenker zeigte sich zudem überzeugt, dass es bei der Vernetzung von Maschinen keinen weltweiten Einheitsstandard geben werde. Manche Standards würden offene Organisationen setzen, andere wiederum einzelnen Unternehmen. Der Sorge deutscher Mittelständler, amerikanische Softwarekonzerne könnten ihre Standards in der Maschinensoftware rigoros durchsetzen und die deutschen Weltmarktführer zu bloßen Hardware-Lieferanten degradieren, widersprach er indirekt.Da alle Unternehmen ihre Produkte global verkaufen wollten, würden viele Organisationen globale Standards anlegen. Da aber maximale Interoperabilität verschiedener Produkte nötig sei, würden die Unterschiede der Standards – egal, wer sie setzt – nicht groß ausfallen; ähnlich wie bei Netzsteckern für Elektrogeräte, deren weltweit unterschiedliche Normen sich durch einfache Adapter überbrücken lassen. Ähnlich sah das auch der chinesische Vertreter in der Diskussionsrunde: “Ich glaube nicht, dass eine einzelne Firma oder Organisation einen einzigen Standard durchsetzen wird”, sagte Ömer Sahin Ganiyusufoglu, Berater des Vorstandsschefs des chinesischen Maschinenbauers Shenyang Machine Tool. Man werde sich eher industrieübergreifend auf einzelne Normen einigen. “Nicht nur BMW oder Daimler, sondern auch Google und Apple beschäftigen sich mit Autos. Alle sehen ein, dass man da den Schulterschluss üben und bei der Kommunikation auf einen gemeinsamen Nenner kommen muss”, sagte er. “Die große Dominanz einer einzigen Firma sehe ich nicht.” China schaut nach GermanySeinem Publikum aus deutschen Maschinenbauern schmeichelte er gehörig: “Wir arbeiten auch mit Amerikanern und Japanern zusammen. Aber was den Maschinenbau betrifft, lassen wir die Kirche im Dorf. Bei Industrie 4.0 schauen wir mehr in Richtung Deutschland.” Die Orientierung an deutscher Produktionstechnik sei in der gesamten chinesischen Industrie und auch in der Regierung der Volksrepublik verankert, so der Shenyang-Manager. “Chinesen wollen immer das Beste. Das Beste für die Chinesen ist das Deutsche”, sagte er. Was aus Deutschland komme, gelte als “Spiegel von Qualität, Fortschritt und Innovation”. Den VW-Skandal, der an “Made in Germany” kratzt, erwähnte er nicht.Der Shenyang-Manager ließ durchblicken, dass auch China bei der Softwareentwicklung für Maschinen genau wie Deutsche und Amerikaner Ambitionen anmelden wird. “Bei IT und Internet ist die junge chinesische Generation mindestens auf Augenhöhe mit den Besten der Welt”, sagte er. Spitze bei HardwareDass Deutschland bei Maschinensoftware nicht unbedingt die globale Nummer-1-Position beanspruchen kann, war den Aussagen von Eberhard Veit, Vorstandschef des Automationsspezialisten Festo, indirekt zu entnehmen. “Bei der Hardware ist der deutsche Maschinenbau Spitze”, sagte er. Auch Veit zeigte sich gewiss, dass die Frage nicht weiterhelfe, ob Amerikaner, Asiaten oder Deutsche bei der Vernetzung von Maschinen besser seien und welche Allianzen nötig seien. Deutschland werde nicht mit den Chinesen gegen die Amerikaner paktieren oder mit den Amerikanern gegen die Chinesen. “Wir werden uns nicht über Normen bekriegen.” Vielleicht, so der Manager, werde die deutsche Plattform Industrie 4.0 ja auf der kommenden Hannover Messe mit der Konkurrenzorganisation IIC den öffentlichen Schulterschluss üben und dabei zeigen, dass man in 90 % der Themen derselben Ansicht sei.