IM GESPRÄCH: CHRIS PEETERS

"Vier Übertragungsnetzbetreiber sind zu viel"

Der Vorstandschef von Elia über eine Deutsche Netz AG - Kapitalerhöhung geplant - Deutsche Investoren bevorzugt gesucht

"Vier Übertragungsnetzbetreiber sind zu viel"

Zuletzt machte der Brüsseler Stromnetzkonzern Elia von sich reden, als die Bundesregierung die Belgier zu Hilfe holte, um den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns SGCC bei der ostdeutschen 50Hertz zu verhindern. Nun sucht Elia-Chef Chris Peeters nach deutschen Investoren für neue Aktien. Bis zu 435 Mill. Euro soll die Kapitalerhöhung für ein Kabel nach England einspielen.cru Düsseldorf – Dass Großbritannien näher an Europa heranrückt, erscheint angesichts des Brexit nahezu undenkbar. Doch für Chris Peeters, Vorstandschef der Elia Group, ist genau das Normalität. Der an der Euronext börsennotierte Übertragungsnetzbetreiber hat Anfang 2019 mit dem britischen Stromautobahnenbetreiber National Grid das 600 Mill. Pfund teure Unterseekabel Nemo Link fertiggestellt, das das belgische und das britische Stromnetz miteinander verbindet. Bisher liefert der Interkonnektor billigen Atomstrom von Belgien nach England. Künftig kann die Verbindung vor allem die überschüssige Einspeisung von Strom aus Sonne und Wind – wo immer sie anfällt – dorthin verteilen, wo der Bedarf besteht. Bis zu 435 Mill. EuroZur nachträglichen Finanzierung dieses Projekts mit 110 Mill. Euro Eigenkapital und zur Finanzierung weiterer Vorhaben hat die Hauptversammlung der Elia Group im Mai eine Kapitalerhöhung um bis zu 435 Mill. Euro (Marktkapitalisierung: 3,6 Mrd. Euro) beschlossen – als öffentliches Angebot mit Bezugsrecht für die Altaktionäre. Haupteigentümer von Elia ist mit 45 % der Anteile die kommunale belgische Beteiligungsgesellschaft Publi-T. Mit der Emission beauftragt ist laut Marktkreisen J.P. Morgan. “Wir werden die neuen Aktien dann an den Markt bringen, wenn sie den besten Preis erzielen”, sagt Elia-Chef Peeters im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das werde irgendwann zwischen heute und Ende 2019 sein. “Die neuen Aktien, die nicht von den Altaktionären gezeichnet werden, wollen wir bevorzugt an Investoren aus Deutschland ausgeben.”Eine bedeutende Verbindung zum deutschen Stromnetz hat Elia aber auch so schon. Der belgische Konzern ist mit 80 % der Anteile Haupteigentümer des ostdeutschen Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. Die übrigen 20 % gehören seit Juli 2018 der deutschen Staatsbank KfW.Die KfW hatte die Beteiligung auf Anweisung der Bundesregierung für einen Betrag von fast 1 Mrd. Euro übernommen. Ohne diese Intervention hätte der australische Infrastrukturfonds IFM das Aktienpaket an den chinesischen Staatskonzern SGCC (State Grid of China Corporation) verkauft. Das hatte in Berlin Besorgnis über die nationale Sicherheit ausgelöst, weil die Beteiligung mit einem Sitz im Board von Elia für die Chinesen verbunden gewesen wäre.Schon Anfang 2018 hatten die Belgier einen ersten 20-%-Anteil an 50Hertz übernommen, den der australische IFM zum Verkauf gestellt hatte. Später hatte Elia den Anteil von 60 auf 80 % erhöht. Das geschah auch auf Drängen der Bundesregierung. KfW steigt wieder ausAber das 50Hertz-Aktienpaket soll nicht dauerhaft bei der KfW bleiben. “Es gibt durchaus Interesse von Investoren”, sagt Peeters. “Mein Eindruck ist, dass die KfW sich damit Zeit lässt, mir scheint da keine Eile zu herrschen.” Ein schneller Verkauf könnte nur an einen großen Fonds erfolgen. “Ich denke, die KfW wird lieber an mehrere kleinere Investoren wie Family Offices oder einzelne Banken verkaufen”, vermutet der großgewachsene, blonde, 53 Jahre alte Belgier.Die Debatte über die Abwehr chinesischer Investitionen in kritische Infrastruktur hält Peeters für richtig: “Da geht es um sensible Anlagen. Europa sollte nicht naiv sein.” Man könne nicht offen sein für Investitionen aus einem Land, das selbst einen solchen Zugang zu seiner Infrastruktur niemals gewähren würde. Wer im Aufsichtsrat von Elia oder einem anderen Übertragungsnetzbetreiber sitze, erfahre viel über mögliche Schwachstellen in der Cyberabwehr und gelange so an Informationen, die im Fall eines Konflikts mit Leichtigkeit gegen das betreffende Land eingesetzt werden könnten. “Das sind geopolitische Fragen. Es geht nicht darum, was morgen passieren könnte, sondern darum, was in 20 Jahren ist”, sagt der studierte Bauingenieur Peeters, der in seinen 14 Jahren bei McKinsey und danach als Europachef des Erdölexplorateurs Schlumberger viel herumgekommen ist, bevor er 2015 CEO von Elia wurde.Trotz der Besorgnis über die nationale Sicherheit hält Peeters eine Verstaatlichung der Übertragungsnetzbetreiber, wie sie als “Deutsche Netz AG” immer wieder diskutiert wird, für die absehbare Zukunft für unwahrscheinlich. “Das wäre sehr teuer und würde dem Gedanken des freien Markts widersprechen.” Doch könne es einen schnelleren Fortschritt der Energiewende befördern, wenn der Staat sich an den Netzbetreibern beteilige und im Aufsichtsrat vertreten wäre, weil dann das Verständnis für die Hindernisse beim gewünschten Netzausbau in den Behörden wachse. “Vier Übertragungsnetzbetreiber, wie es sie in Deutschland gibt, sind vielleicht ein oder zwei zu viel”, sagt Peeters. Allerdings wären die Unternehmen im Fall einer Fusion auch erst einmal mehr mit sich selbst beschäftigt. Wichtig für das Gelingen der europaweiten Energiewende seien die Interkonnektoren zwischen den nationalen Stromnetzen. Über diese grenzüberschreitenden Verbindungen kann der in schwankender Menge zur Verfügung stehende Sonnen- und Windstrom besser verteilt werden, Schwankungen können ausbalanciert werden. “Unsere Gesellschaft wird weiter elektrifiziert werden, um CO2 zu vermeiden”, sagt Peeters. Elektrifizierung nimmt zuDer Wandel, bei dem bald auch Mobilität und Heizen vom Strom abhängen, werde sich beschleunigen. “Es ist wie am Anfang des 20. Jahrhunderts. Da dauerte der Wechsel von der Kutsche zum Auto ab einem bestimmten Wendepunkt auch nur wenig mehr als zehn Jahre.”Jetzt sei dieser Wendepunkt für den Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroauto gekommen. Die vielen Millionen neuer Elektroautos sollen als rollender Speicher für den zeitweise überschüssigen Ökostrom dienen, der dann aus den Batterien ins Netz gespeist wird, wenn er dort benötigt wird. Damit dieser Austausch zwischen Stromnetz und Elektroautobatterien für die Kunden reibungslos und zum richtigen Zeitpunkt gelingt, arbeitet Elia derzeit an einem Interface mit einer digitalen Sprache, die von Kunden gleichermaßen verstanden werden kann. Dafür sind zahlreiche Kooperationen mit anderen Unternehmen notwendig. “Wir werden in Kürze auch auf die deutschen Autohersteller zugehen, unter anderem auf VW”, kündigt Peeters an.