Milliardendeal

Viessmann-Milliardendeal wird zum Politikum

Die Unternehmerfamilie Viessmann versilbert ihren Heizungskonzern. Der US-Rivale Carrier zahlt 12 Mrd. Euro zu 80% in bar - das ist das 13Fache des operativen Gewinns. Die Politik beäugt den Deal argwöhnisch. Für ein Veto dürfte aber die Rechtsgrundlage fehlen.

Viessmann-Milliardendeal wird zum Politikum

Wärmepumpen

Viessmann-Milliardendeal wird zum Politikum

US-Konzern Carrier zahlt 12 Mrd. Euro in bar und Aktien für deutsche Heizungs-Familienfirma – Bundesregierung will den Deal prüfen

cru/wf Frankfurt/Berlin

Die Unternehmerfamilie Viessmann versilbert ihren Heizungskonzern. Der US-Rivale Carrier zahlt 12 Mrd. Euro zu 80% in bar – das ist das 13Fache des operativen Gewinns. Die Politik beäugt den Deal argwöhnisch. Für ein Veto dürfte aber die Rechtsgrundlage fehlen, da es sich nicht um kritische Infrastruktur handelt.

Die Unternehmerfamilie Viessmann verkauft den Löwenanteil ihres Heizungskonzerns mit 85% vom Umsatz und dem derzeit lukrativen Wärmepumpengeschäft für 12 Mrd. Euro an den börsennotierten US-Konzern Carrier Global aus Florida. Die Amerikaner bezahlen den Kaufpreis nach eigenen Angaben zu 80% in bar und zu 20% in Aktien des neu entstehenden Unternehmens. Carrier Global ist rund dreimal so groß wie die jetzt verkaufte Viessmann Climate Solutions mit 4 Mrd. Euro Umsatz und 11.000 Beschäftigten. Das durch die Fusion entstehende Unternehmen hat 45.000 Beschäftigte und wird 2023 rund 22 Mrd. Dollar Umsatz machen. Laut Carrier entspricht der Kaufpreis für Viessmann Climate Solutions dem 13Fachen des operativen Gewinns (Ebitda) im Jahr 2023.

Durch den Aktienanteil des Kaufpreises wird die Familie Viessmann zum Großaktionär von Carrier mit einem Anteil von 6,8%. Viessmann-Co-Chef Maximilian Viessmann, der Sohn von Aufsichtsratschef Martin Viessmann, rückt in den Verwaltungsrat von Carrier und bestimmt dort künftig als einziger im Board vertretener Aktionär über die strategische Richtung des neu entstehenden globalen Konzerns mit. Von den 10 Mrd. Euro Barerlös des Verkaufs der Klimasparte gehen 106 Mill. Euro für die 106 Jahre Unternehmensgeschichte als Sonderbonus an die 11.000 Beschäftigten des verkauften Unternehmensteils.

Carrier wurde bei dem Deal von Linklaters beraten. Bei Viessmann waren Goldman Sachs und Hengeler Mueller engagiert.

Alle Aktivitäten der Viessmann Group außerhalb des jetzt verkauften Geschäftsfelds Climate Solutions sind von der Transaktion nicht betroffen. Die Viessmann Group bleibe ein eigenständiges Familienunternehmen im vollständigen Besitz der Unternehmerfamilie, teilte Viessmann mit. Kerngeschäft der verbliebenen Gruppe ist Viessmann Invest – eine Holding mit Beteiligungen an 30 Firmen, darunter etwa das Vertical-Farming-Start-up Priva – sowie die Kühltechnik für Supermärkte und Krankenhäuser.

Die Familie will sich über die Heizungsbranche hinaus auf CO2-Vermeidung, CO2-Reduktion und CO2-Speicherung fokussieren. Der Erlös von fast 10 Mrd. Euro aus dem Zusammenschluss mit Carrier werde größtenteils in die Viessmann Group reinvestiert. Daneben werde ein erheblicher Anteil in philanthropische Aktivitäten fließen. Die Viessmann Group werde auch Eigentümerin ihrer Traditionsmarke bleiben. Während Carrier die Marke Viessmann im Wärmesektor lizenziert und weiter ausbaut, wird die Viessmann Group ihre Präsenz in anderen Branchen stärken.

Derzeit erzielt die Viessmann Group – ohne das jetzt verkaufte Geschäftsfeld Climate Solutions – mit rund 4.000 Mitarbeitenden einen Gesamtumsatz von 1 Mrd. Euro (inklusive nicht konsolidierter Gesellschaften). Klare Zielsetzung und Ambition der Viessmann Group ist es, spätestens bis zum Ende des Jahrzehnts auf eine Größe zu wachsen, die den Geschäftsbereich Climate Solutions mit derzeit 4 Mrd. Euro Umsatz übertrifft.

„Der globale Klimawandel schreitet schnell voran und das 1,5-Grad-Klimaziel droht, außer Reichweite zu geraten”, sagte CEO Max Viessmann. “Als lösungsorientiertes Familienunternehmen sehen wir unsere Verantwortung darin, unseren positiven Beitrag gegen den negativen Trend des Klimawandels zu verstärken – auch über unser traditionelles Geschäftsfeld hinaus.”

Dennoch trifft der Deal auf eine kritische Haltung des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne). Habeck will den bei der geplanten Übernahme der Viessmann-Heiztechnik überprüfen, ob der deutsche Markt gestärkt wird. Die hiesige Produktionskapazität solle ausgeweitet werden, sagte Habeck vor der Presse in Berlin.  Die Wärmepumpen des mittelständischen Unternehmens würden mit dem neuem Kapital des US-Konzerns Carrier Global mit der Zeit günstiger werden, erwartet der Grünen-Politiker. Er verwies auf die geplante Ausweitung der Produktion. Das hessische Unternehmen habe ein attraktives Produkt, aber einen finanzstarken Partner gesucht, so Habeck.

In welcher Weise sich das Bundeswirtschaftsministerium konkret einschaltet wird, blieb am Mittwoch offen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums wies drauf hin, dass das Verfahren noch ganz am Anfang stehe. Es habe erst einen ersten Kontakt mit dem Unternehmen gegeben. Die Bundesregierung kann von gewissen Schwellenwerten an nach dem Außenwirtschaftsgesetz Übernahmen von außereuropäischen Investoren überprüfen und auch untersagen. Rechtlich einschreiten kann sie nur, wenn die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist oder kritische Infrastrukturen betroffen sind. Dies liegt bei Viessmann zumindest nicht auf der Hand. In der Vergangenheit ging es um Fälle, die die Stromversorgung oder die Produktion von Rüstungsgütern betrafen. Vor allem richtete sich er kritische Blick auf Investoren aus Ländern wie China, die selbst ihren Markt für Investoren beschränken und mit ausländischen Investitionen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Ziele verfolgen.

Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums erinnerte auch an die kartellrechtliche Prüfung bei einer solchen Übernahme.  Jenseits der rechtlichen Prüfung könne das Ministerium auch mit Gesprächen einwirken, in dem es die richtigen Leute an einen Tisch bringen, sagte der Sprecher.