Voestalpine spart für stabilen Gewinn
Mit Kostensenkungen und verringerten Investitionen spart Voestalpine auf ein stabiles Ergebnis hin. Der scheidende Vorstandschef Wolfgang Eder fordert von der EU-Kommission, dass Stahlkonzernen die Kosten für CO2-Emissionsrechte zurückgezahlt werden. Sonst werde ein Unternehmenssterben einsetzen.cru Düsseldorf – Voestalpine kommt durch den unerwartet stark gestiegenen Preis für Erz-Pellets unter Druck, der sich binnen Jahresfrist beinahe verdoppelt hat auf 116 Dollar je Tonne. Österreichs größter Stahl- und Technologiekonzern muss deshalb hart daran arbeiten, 2019/20 ein im Jahresvergleich stabiles Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 1,6 Mrd. Euro zu erreichen. “Wir haben ein Kostensenkungsprogramm aufgelegt, das uns im laufenden Jahr 50 Mill. und im kommenden Jahr 100 Mill. Euro Einsparung bringen wird”, sagte der scheidende Vorstandschef Wolfgang Eder im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Nach 15 Jahren an der Spitze wechselt Eder nach der Hauptversammlung am 3. Juli in den Aufsichtsrat und wird von Stahlspartenchef Herbert Eibensteiner abgelöst.Um die Jahresprognose zu erreichen, bleibt laut Eder neben der Effizienzsteigerung auch die Möglichkeit, an den Investitionen zu sparen, die gewöhnlich bei rund 1 Mrd. Euro liegen. Im laufenden Jahr sollen sie um rund 10 % geringer ausfallen, was weitere 100 Mill. Euro einbringt. Gleichzeitig verweist Eder auf eine Reihe von externen Unsicherheitsfaktoren, wie etwa den Protektionismus des US-Präsidenten, Preisänderungen bei Rohstoffen, Auswirkungen von Abgastests im Automobilbereich oder die Folgen eines Brexits.Für die nahe Zukunft will der Konzern gemeinsam mit einer neuen österreichischen Regierung in Brüssel auf eine Änderung der Regeln für die CO2-Emissionsrechte dringen. Die Kosten von Voestalpine für den Kauf von CO2-Zertifikaten werden sich wegen des Preisanstiegs von 60 Mill. Euro im Jahr 2018 auf voraussichtlich an die 100 Mill. Euro im laufenden Jahr erhöhen. “Dieses Geld sollte uns und den anderen Unternehmen der europäischen Stahlbranche zurückgegeben werden, damit wir es in klimaschonende Technologien investieren können”, sagte Eder. Kampf ums ÜberlebenSonst werde es etliche Unternehmen der Stahlbranche in Europa bald nicht mehr geben. Zusätzlich müsse auf Importe aus Ländern außerhalb Europas, die weniger strenge Regeln zur CO2-Vermeidung anwenden, ein entsprechender Aufschlag, vergleichbar einer CO2-Steuer, erhoben werden, um so gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. “Der durch die Klimapolitik erzwungene Technologiewandel wird die wichtigste Herausforderung für die Stahlindustrie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten”, sagte Eder.Zugleich setzen der Industrie auch die zunehmenden Billigimporte aus Ländern wie Russland oder der Türkei zu. Die Ursache sind die Schutzzölle der USA – unter anderem gegen Stahl aus China, der auf Umwegen oder durch Verdrängungseffekte auf anderen Märkten seinen Weg nach Europa findet. “Dagegen sollten die Schutzmaßnahmen verstärkt werden. Wenn aber die Politik entscheidet, den europäischen Markt trotz der zunehmend ruinösen Konkurrenz für Importe offen zu halten, dann sollten zumindest der Konsolidierung keine Steine in den Weg gelegt werden”, sagte Eder mit Blick auf die von den Kartellwächtern in Brüssel untersagte Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit dem Europageschäft des indischen Konkurrenten Tata.Welche Handelspolitik die USA verfolgen, betrifft Voestalpine direkt in eher überschaubarem Umfang. Der Umsatzanteil der in die USA aus Europa oder Brasilien exportierten Stahlprodukte, die von Antidumping-Maßnahmen oder dem nationalen Sicherheitsgesetz Section 232 aus dem Kalten Krieg betroffen sind, liegt bei Voestalpine nur bei rund 400 Mill. Euro und wird in erheblichem Umfang über Sondergenehmigungen entschärft, die allerdings immer wieder erneuert werden müssen.Die EU bildet mit einem Umsatzanteil von 65 % (2018/19) den größten Absatzmarkt von Voestalpine. Es folgen Nordamerika (Nafta) mit 16 % und Asien mit 8 %. Die Automobilindustrie ist mit einem Umsatzanteil von 34 % die führende Kundengruppe. Es folgen die Energieindustrie (15 %), Bahnsysteme (11 %), Maschinen- und Stahlbau (9 %), Bauindustrie (9 %) und Haushaltsgeräte/Konsumgüter (5 %). Umfeld “rasch verdüstert””Wichtiger als die direkten Effekte sind die indirekten Effekte der US-Handelspolitik. Die Konjunktur kommt massiv unter Druck. Das Umfeld verdüstert sich rasch wegen des zunehmenden Protektionismus”, warnte Eder. Vielleicht werde der Konzern am Ende des Tages vor diesem Hintergrund seine kostenoptimierte Standortpolitik überdenken und wieder stärker dort vor Ort produzieren müssen, wo die Produkte auch abgesetzt werden.Parallel zu den politischen Rahmenbedingungen kämpfte Voestalpine im abgelaufenen Geschäftsjahr allerdings auch mit hausgemachten Schwierigkeiten: Neben einer planmäßigen Hochofen-Großreparatur belasteten den Konzern 2018/19 noch weitere Sonderthemen, wie der verzögerte Hochlauf der US-Automobilaktivitäten und eine Rückstellung für kartellrechtliche Untersuchungen. Voestalpine ist bereits fünfmal ins Visier der deutschen Kartellwächter geraten, die am 12. September 2017 wegen des Verdachts auf Preisabsprachen bei Grobblechen in den Geschäftsräumen in Linz eine Razzia veranlassten.