Vogel friss oder stirb

Nach der bilanziellen Restrukturierung bleibt häufig operative Sanierung aus

Vogel friss oder stirb

Von Walther Becker, FrankfurtDer mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) attraktiver gewordene Debt-to-Equity-Swap wird bisher vorwiegend vor einer drohenden Insolvenz angewendet. Wie Volker Beissenhirtz von der Kanzlei Schultze & Braun berichtet, läuft der Tausch von Fremd- in Eigenkapital meist außerhalb des ESUG, also kurz bevor ein Unternehmen zum Amtsgericht gegangen ist. Es ist vielfach die Drohung, dass nachrangige Gläubiger und Aktionäre leer ausgehen, wenn sie nicht zustimmen, damit die bilanzielle Sanierung vor Insolvenzanmeldung dann doch durchgeht – nach der Devise “Vogel friss oder stirb”.Dies ist jüngst bei Solarworld der Fall gewesen, und dies zeichnet sich nun auch bei IVG Immobilien ab. Lediglich Centrosolar entledigte sich mit dem Swap in der Insolvenz eines Großteils ihrer Verbindlichkeiten. Nach Einschätzung von Beissenhirtz, der das ESUG ebenso wie andere Restrukturierungsexperten als großen Fortschritt bezeichnet, klemmt es in der Anwendung des Schutzschirmverfahrens nach wie vor bei den Insolvenzgerichten, die sich mit der Umsetzung seiner Erfahrung nach schwertun.Hatte beim Holzwerkstoffhersteller Pfleiderer das ESUG gegriffen und die Streubesitzaktionäre gingen leer aus, so sollen sie bei Solarworld oder IVG noch ein Trostpflaster von ein paar Prozent am Kapital erhalten. Bei der Baumarktkette Praktiker ist eine solche Swap-Lösung seit der Insolvenz auch der Tochter Max Bahr, die als Filetstück der Gruppe galt, in weite Ferne gerückt.Der Fall Conergy – das Solarunternehmen meldet vor einigen Wochen Insolvenz, nachdem erst 2011 durch ein “Retterkonsortium” Kredite in Eigenkapital gewandelt wurden – werde von Kritikern ungerechtfertigterweise als Exempel dafür genannt, dass die Restrukturierung mit diesem Instrument nicht greift. Das aber liege primär daran, dass bisher auf die bilanzielle Restrukturierung vielfach nicht die operative Sanierung folgt. Beissenhirtz spricht von Chapter 22 – also zweimal 11 mit Blick auf das US-Insolvenzrecht. Nach dem Financial Engineering werde zu wenig auf die operative Anpassung an die Marktgegebenheiten geachtet.Ein Debt-to-Equity-Swap, der bei hoch verschuldeten Buy-outs (also ohne außenstehende Aktionäre) schon länger in schwierigen Fällen angewendet wird, läuft als Sachkapitalerhöhung oder Share-Deal. Beim ersten Weg wird das Kapital auf den noch vorhandenen Betrag des Eigenkapitals herabgesetzt und anschließend effektiv erhöht. Dabei bringen Gläubiger – meist Hedgefonds, die sich die Schuldtitel mit enormen Abschlägen von den ursprünglichen Kreditgebern zugelegt hatten – die Forderung als Sacheinlage ein.Beim Share-Deal hingegen übertragen die Altgesellschafter bestehende Gesellschaftsanteile auf den Forderungsinhaber, der im Gegenzug auf seine Forderung verzichtet. Diese Kapitalmaßnahmen bedurften zuvor der Zustimmung beziehungsweise Mitwirkung der Altgesellschafter, dies ist mit dem ESUG nicht mehr erforderlich. Nun lässt sich im Planverfahren gegen den Willen der Altgesellschafter “swappen”. So können eine Überschuldung beseitigt, die Eigenkapitalquote erhöht und die Finanzierungskosten gesenkt werden, was Ertragskraft stärken und Bonität verbessern soll und dem Erhalt der operativen Einheiten dient.