WER GEHT, WER KOMMT

Volkswagen im Führungschaos - Deutsche Bank schafft Remedur

"Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" - Nach fünf Wachwechseln im Dax mindestens zwei Nachfolgen 2016

Volkswagen im Führungschaos - Deutsche Bank schafft Remedur

Von Walther Becker, FrankfurtAnshu Jain verlässt fluchtartig die Kommandobrücke. Jürgen Fitschen bleibt anstandshalber noch knapp ein Jahr an Bord. Die Doppelspitze der Deutschen Bank ist Anfang Juni Geschichte, de facto regiert mit John Cryan (55) seitdem eine einzige starke Hand das Geschehen in den Frankfurter Zwillingstürmen: Ein echter Neuanfang soll es werden.”Ich bin auf Distanz zu Winterkorn”: Mit diesem Satz des Jahres von Ferdinand Piëch nahm das Schicksal bei Volkswagen, Europas größtem Autohersteller, seinen Lauf. Doch was in Frankfurt im Juni auf den Weg gebracht wurde, schlug in Wolfsburg zunächst fehl. Erst infolge des Abgasskandals wurde dort auch an der Vorstandsspitze der Wechsel erreicht. Zuvor hatte Aufsichtsratschef Piëch (78) im April seine letzte Schlacht, die Machtprobe mit dem Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn (68) verloren. In dem beispiellosen Machtkampf zog der Großaktionär den Kürzeren. Derart abgewatscht zog sich Piëch zurück – abgesehen davon, dass er mit seiner Frau Ursula in einer “Triumphfahrt” durchs Wolfsburger Werkstor im offenen Bugatti gefahren sein soll, nachdem sein langjähriger Weggefährte Winterkorn infolge von Dieselgate den Hut genommen hatte.Der Abgasbetrug geht kaum direkt auf das Konto des Patriarchen aus Österreich. Doch das autokratische System, in dem die Manipulation gedieh, durchaus. Und die strategische Ausrichtung des Konzerns mit seinen zwölf Marken auch. Interimistisch übernahm Berthold Huber von der IG Metall den Aufsichtsratsvorsitz; seit Oktober hat der langjährige CFO Hans Dieter Pötsch (64) die Leitung des Kontrollgremiums inne. Matthias Müller (62), der ursprünglich nicht von Stuttgart wegwollte, wurde von Porsche an die Volkswagen-Spitze geholt; Frank Witter (56), seit 1992 im Konzern, rückte zum Finanzchef auf. Früh entschiedenFünf Stabwechsel gab es im ablaufenden Jahr im Dax, so viel wie zuletzt 2007. Sie waren weniger spektakulär als bei Deutscher Bank und Volkswagen. Bei der Allianz trat Oliver Bäte an, BMW wird von Harald Krüger geführt und die Deutsche Börse von Carsten Kengeter. Noch keine Nachfolge ist für Martin Blessing gefunden, den seit 2008 amtierenden Chef der Commerzbank, der seine Absicht kundtat, den Vertrag nicht verlängern zu wollen. Bei Merck tritt Stefan Oschmann (58) das Erbe von Karl-Ludwig Kley an, der im Juni des neuen Jahres 65 wird. Adidas-Chef Herbert Hainer (61), der am längsten amtierende Chf im Dax, der unter Druck von Hedgefonds steht, hatte bis März 2017 verlängert; Marijn Dekkers (58) will Bayer 2017 verlassen, Strategievorstand Werner Baumann (53) gilt als Nachfolger.Früh entschieden wurde am Neckar. Der Vorstandschef von Heidelberg Cement, Dr. Bernd Scheifele, ist gerade mal 56 Jahre alt und wirkt alles andere als amtsmüde. Doch schon 2015 wurde er quasi offiziell der Kronprinz ausgerufen. Vorstandsmitglied Dr. Dominik von Achten (49) darf als der Wunschkandidat an der Spitze des Dax-Konzerns gelten, wenn sich Scheifele dem Pensionsalter nähert. Rückwirkend zum 1. Februar wurde Achten zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt. Zeitgleich trat die Verlängerung des Vertrags von Scheifele, der seit 2005 dem Vorstand vorsitzt, um weitere fünf Jahre in Kraft.Mehr Wechsel als in den Jahren zuvor hat es diesmal in der Finanzwelt gegeben. Mitte September wurde Hermann Merkens (Jahrgang 1966) Chef der Aareal Bank, nachdem Vorgänger Wolf Schumacher Knall auf Fall den Hut genommen hatte. Der Neue an der Spitze des Immobilienfinanzierers ist zugleich ein alter Hase – auch in der Bank. Seit 2003 sitzt er schon in deren Führungsgremium. Zu den deutschen Top-Bankerinnen zählt Carola Gräfin von Schmettow schon lange, im Juni übernahm sie den Chefposten von HSBC Trinkaus in Düsseldorf. Die 51-Jährige löste als Vorstandssprecherin Andreas Schmitz (55) ab, der nach elf Jahren an der operativen Spitze des Instituts den Vorsitz im Aufsichtsrat übernahm.Dass der Weg auf die andere Straßenseite dauern kann, zeigte sich an Herbert Hans Grüntker, der seit 1. Oktober an der Helaba-Spitze steht. Der 60-Jährige wechselte, Monate vorher auf den Schild gehoben, auf die andere Seite der Neuen Mainzer Straße in Frankfurt, von der Tochter zur Mutter, also der Fraspa, der viertgrößten Sparkasse, zur viertgrößten Landesbank der Republik. Er folgte auf Hans-Dieter Brenner, der mit 63 Jahren in den Ruhestand ging.Björn Robens, seit 2010 Vorstandssprecher, musste die traditionsreiche BHF-Bank, immer wieder von Gesellschafterwechseln durchgerüttelt, verlassen. Er hatte sich mit Aufsichtsratschef Lenny Fischer, ehemals Investmentbankchef der Dresdner Bank, überworfen. Auf Robens folgte Alexander Mettenheimer, der neun Jahre bis 2010 als persönlich haftender Gesellschafter das Bankhaus Merck Finck & Co. führte. Seit Monaten sitzt die BHF nun zwischen den Stühlen der Großaktionäre Fosun und Oddo. Der im Juni als Vorstandssprecher suspendierte Robens erhielt im Dezember erst die fristlose Kündigung. Schwierige StartsAufräumen muss – mit dem aktiven Großaktionär Cevian im Rücken – der neue Bilfinger-Chef Per Utnegaard. Der 1959 in Oslo geborene Manager muss die Hinterlassenschaften von Roland Koch beiseiteräumen. Einen schwierigen Start erwischt Jürgen Schachler (61) beim MDax-Mitglied Aurubis. Er kommt am 1. April 2016 von ArcelorMittal zu dem Kupferkonzern – nach einem Rekordjahr. Zuvor wurde die ehemalige Norddeutsche Affinerie von Bernd Drouven geführt, der aus dem Aufsichtsrat entsandt wurde, nachdem Vorgänger Peter Willbrandt vorzeitig ausschied. Investoren zeigten sich zuletzt unzufrieden mit den Perspektiven. Auch bei Nordex gab es einen Wechsel: Vertriebsvorstand Lars Bondo Krogsgaard, 1966 in Dänemark geboren, übernahm die Führung des Windanlagenbauers. Jürgen Zeschky, der Nordex seit 2012 saniert hat, trat mit 55 aus persönlichen Gründen zurück. Nach dem Machtkampf um Hawesko und dem Ausscheiden des langjährigen Vorstandschefs und Großaktionärs Alexander Margaritoff im Frühjahr hatte das Weinhandelshaus die Führungsposition neu besetzt: Thorsten Hermelink (46), der von Görtz-Schuhe kommt, tritt 2016 an.Das Ende einer Ära wurde in Neutraubling bei Regensburg eingeläutet. Nach mehr als 26 Jahren im Vorstand, davon 20 an der Spitze, verlässt Volker Kronseder Ende 2015 das Leitungsgremium des Familienkonzerns Krones. Zu seinem Nachfolger hat der Aufsichtsrat des MDax-Unternehmens Finanzvorstand Christoph Klenk ernannt. Der 52-Jährige arbeitet seit 1994 für den Weltmarktführer für Getränkeabfüll- und Verpackungsmaschinen, seit 2012 als CFO. Anders beim zweitgrößten deutschen Pharmakonzern: Bei Boehringer Ingelheim scheidet Andreas Barner (62) nach 24-jähriger Tätigkeit für das Familienunternehmen als Vorsitzender aus und wechselt in den Gesellschafterausschuss. Nachfolger wird Hubertus von Baumbach. Mit dem 48-Jährigen steht dann erstmals seit 25 Jahren wieder ein Nachkomme der Eignerfamilie an der Spitze.