Autoindustrie

Volkswagen im Kreuzfeuer

Der Vorschlag zur Wiederwahl von Hans Dieter Pötsch als Aufsichtsratschef von VW stößt bei Minderheitsaktionären auf Ablehnung. Kritik hagelt es vor der Hauptversammlung auch bei anderen Punkten.

Volkswagen im Kreuzfeuer

ste Hamburg

Volkswagen sieht sich zur Hauptversammlung am Donnerstag mit massiver Kritik konfrontiert. Bei Investoren und Kleinanlegern des Wolfsburger Konzerns, den die Familien Porsche und Piëch über die Porsche Holding mit einer Stimmrechtsmehrheit von 53,3% dominieren, stoßen unter anderem die vorgeschlagene Wiederwahl von Hans Dieter Pötsch als Aufsichtsratsvorsitzender sowie die im Juni bekannt gewordenen Vergleichsvereinbarungen mit dem ehemaligen Konzernchef Martin Winterkorn, dem früheren Audi-CEO Rupert Stadler sowie mit D&O-Versicherern im Zusammenhang mit dem Dieselskandal auf Ablehnung. Moniert werden mangelnde Unabhängigkeit auf der Aktionärsvertreterseite im Aufsichtsrat sowie eine unzureichende Aufklärung des Abgasskandals. Opposition formiert sich auch gegen das Vergütungssystem für den Vorstand und den Dividendenvorschlag. Die Verwaltung nannte die Gegenanträge zum Aktionärstreffen in einer Replik bereits „unbegründet“.

Gegen den Vorschlag, Hans Dieter Pötsch (70), der kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals im September 2015 als langjähriger VW-Finanzvorstand auf den Posten des Chefkontrolleurs gewechselt war, ebenso wiederzuwählen wie die seit 2015 amtierende Aufsichtsrätin Louise Kiesling (64), wollen unter anderem die Fondsgesellschaften DWS, Deka und Union Investment stimmen. „Auch in diesem Jahr wurde die Chance vergeben, tatsächlich unabhängige Experten zur Wahl in den Aufsichtsrat vorzuschlagen“, erläutert Hendrik Schmidt, Corpo­rate-Governance-Experte der DWS. Stattdessen würden den Aktionären erneut der ehemalige Finanzvorstand Pötsch und mit Louise Kiesling ein Mitglied der Familie Piëch, das umfangreiche geschäftliche Beziehungen zu Volkswagen unterhalte, vorgeschlagen. Auch Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, sowie Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship im Portfoliomanagement bei Union Investment, bemängeln fehlende Unabhängigkeit. Zudem werden Interessenkonflikte und eine Ämterhäufung angeführt.

Bei Aktionärsschützern wie der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und Privatanlegern wie dem Corporate-Governance-Experten Christian Strenger fällt der Vorschlag der Wiederwahl von Pötsch und Kiesling ferner ebenso durch wie bei Michael Viehs, Leiter ESG Integration im EOS-Team (Equity Ownership Services) des Vermögensverwalters Federated Hermes. „Wir haben uns entschieden, unseren Mandanten zu empfehlen, gegen die Wahl von Herrn Pötsch zu stimmen“, erklärt Viehs. „Obwohl wir Herrn Pötschs starke Expertise und Kenntnisse der Automobilindustrie anerkennen, würde seine Wahl zusammen mit der Wahl der zweiten Kandidatin für den Aufsichtsrat, Louise Kiesling, zu einem Aufsichtsrat mit nahezu null unabhängiger Vertretung führen, was eindeutig gegen die Praxis guter Unternehmensführung verstößt.“

„Achillesferse des Konzerns“

Die „schlechte Corporate Governance“ ist für Werning von Union Investment „nach wie vor die Achillesferse des Konzerns“ und „ein Mühlstein für den Aktienkurs“. DWS-Experte Schmidt unterstreicht, aus Governance-Sicht gebe es weitere Themen, die in einer Präsenz-Hauptversammlung hätten kontrovers diskutiert werden müssen. So sei auch an den nicht zu unterstützenden Haftungsvergleichen mit den ehemaligen Vorständen abzulesen, dass der Aufsichtsrat vor allem im eigenen Interesse zu handeln scheine. Die Vergleichslösungen begünstigten einseitig die ehemaligen Vorstände Winterkorn und Stadler und ließen „die Minderheitsaktionäre ratlos zurück“. Winterkorn soll im Zusammenhang mit dem Dieselskandal, der für den VW-Konzern bislang zu Belastungen von über 32 Mrd. Euro führte, einen Schadenersatz von 11,2 Mill. Euro leisten, Stadler von 4,1 Mill. Euro. Ähnlich kritisch äußert sich neben anderen auch Michael Viehs von Federated Hermes: „Obwohl wir dem Nutzen einer teilweisen Beendigung dieses Rechtsstreits grundsätzlich zustimmen, halten wir dies für verfrüht und stimmen der Aussage von Aufsichtsrat und Vorstand nicht zu, dass sie es nicht für angebracht halten, die Ergebnisse einer Sonderprüfung der Ursachen des Abgasskandals abzuwarten.“

Die vorgeschlagene erneute Bestellung des Wirtschaftsprüfers EY kritisieren Investoren, Anlegerschützer und Kleinaktionäre wie das Vergütungssystem für den Vorstand. Hier wird unter anderem bemängelt, dass Nachhaltigkeit nicht in der langfristigen Komponente berücksichtigt werde. Erneut auf Ablehnung stößt auch – etwa bei Deka-Vertreter Speich und Privataktionär Strenger – der als zu gering angesehene Dividendenabstand zwischen Vorzugs- und Stammaktien. Als Ausgleich für das fehlende Stimmrecht seien mehr als nur 6 Cent gemäß Satzung notwendig. „Wir fordern die Ablösung eines absoluten Betrags zugunsten eines prozentualen Aufschlags von mindestens 10%“, so Speich.

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