Volkswagen kappt Ergebnisziel
Die Abgasaffäre hat erste handfeste Folgen für Volkswagen: Der Dax-Konzern bildet Milliardenrückstellungen, das Ergebnisziel 2015 lässt sich nicht mehr halten. Die Aktie fällt weiter.ste Hamburg – Die Affäre um die Manipulation von Emissionstests bei Dieselfahrzeugen hat Volkswagen am Dienstag zu einer Gewinnwarnung veranlasst. Zur Abdeckung notwendiger Servicemaßnahmen und weiterer Anstrengungen zur Wiedergewinnung des Kundenvertrauens werde man im laufenden dritten Quartal rund 6,5 Mrd. Euro ergebniswirksam zurückstellen, gab der Wolfsburger Dax-Konzern bekannt. Die Ergebnisziele für 2015 würden angepasst. Die Rückstellung wird auch das Ergebnis des VW-Hauptaktionärs Porsche SE belasten. Das Ergebnisziel der Porsche SE für dieses Jahr müsse dem Kapitalanteil am Volkswagen-Konzern von 31,5 % entsprechend angepasst werden, teilte die Holding mit. Bisher ging die von den Familien Porsche und Piëch beherrschte Porsche SE von einem Konzernergebnis nach Steuern von 2,8 bis 3,8 Mrd. Euro aus. Aktie sackt weiter abVolkswagen ließ durchblicken, dass sich der Umfang der Rückstellungen noch ändern könne. Der Betrag unterliege aufgrund der laufenden Untersuchungen Einschätzungsrisiken. Mit der Nachricht schickte das Unternehmen seine Aktie weiter auf Talfahrt. Nach einem Kursverlust am Montag von knapp 19 % sackten die im Dax geführten Vorzüge gestern in der Spitze um gut 23 % bis auf 101,35 Euro in den Keller. Seit vergangenem Freitag, dem letzten Handelstag vor Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe in den USA, gab die Aktie um bis zu 38 % nach.Europas größtem Autobauer drohen in den USA nach Angaben von Umweltschutzaufsehern Strafzahlungen bis zu 18 Mrd. Dollar. Hinzu kommen könnten erhebliche Belastungen als Folge des Rückrufs von Fahrzeugen, im Zuge von Sammelklagen durch Kunden sowie Schadenersatzforderungen von Aktionären. In den USA wurden Manipulationen bei einer halben Million Fahrzeuge mit Dieselantrieb festgestellt. 11 Millionen Autos betroffenVolkswagen teilte nun nach internen Prüfungen mit, dass die Software, die jahrelang zur Manipulation der Abgaswerte amerikanischer Dieselfahrzeuge eingesetzt wurde, auch in anderen Fahrzeugen des Konzerns vorhanden sei. Auffällig seien Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189, betroffen seien weltweit rund 11 Millionen Fahrzeuge. Nur bei diesem Motortyp sei eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden.Volkswagen versicherte, man arbeite mit Hochdruck daran, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen stehe dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt. Eine von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzte Untersuchungskommission unter Leitung von Staatssekretär Michael Odenwald soll noch diese Woche für Prüfungen nach Wolfsburg reisen. Beteiligt sei auch das Kraftfahrt-Bundesamt. Merkel fordert AufklärungBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine rasche und volle Aufklärung in der Abgasaffäre. Angesichts der schwierigen Lage sei “volle Transparenz” erforderlich, sagte sie. Zu möglichen Auswirkungen der Affäre auf die deutsche Industrie äußerte sich die Kanzlerin nicht.Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bezeichnete die Folgen der Abgasmanipulationen in den USA derweil als besorgniserregend für den Konzern. Die von VW mitgeteilte Gewinnwarnung sei “außerordentlich unangenehm” und “besorgniserregend in dieser Höhe”. Auf die Frage, ob Vorstandschef Martin Winterkorn wegen der Vorwürfe zurücktrete, antwortete der SPD-Politiker, er wolle den anstehenden intensiven Beratungen im Aufsichtsrat nicht vorgreifen. Niedersachsen ist mit 20 % an Volkswagen beteiligt.In einer Videobotschaft, die der Konzern am späten Nachmittag auf die Webseite stellte, warb Winterkorn um Vertrauen. Es wäre “falsch, wenn wegen der schlimmen Fehler einiger weniger die ehrliche Arbeit von 600 000 Menschen unter Generalverdacht gerät”. Seinen Rücktritt verkündete Winterkorn nicht. Am Mittwoch tagt das Präsidium des VW-Aufsichtsrats, am Freitag tritt das gesamte Kontrollgremium zusammen. Vor drei Wochen hatte das Präsidium dem Aufsichtsrat empfohlen, Winterkorns Vertrag um zwei Jahre bis Ende 2018 zu verlängern.