Volkswagen weitet Präsenz in China aus
Ein eskalierender Handelskonflikt könnte das wichtige China-Geschäft von Volkswagen treffen. Anleger treiben entsprechende Sorgen um. Der Autokonzern arbeitet derweil mit neuen Werken daran, seine führende Position im weltgrößten Automarkt auch nach dem Durchbruch der Elektromobilität zu halten. Von Carsten Steevens, HamburgDie Furcht vor einer Eskalation im Handelsstreit mit den USA hat Anleger zu Wochenbeginn auf Distanz zu Dividendentiteln gehen lassen. Unter Druck gerieten vor allem die Aktien europäischer Autobauer, darunter Volkswagen. Zwar sieht der Wolfsburger Autohersteller die erhöhten Zölle für Einfuhren von Fahrzeugen aus den USA in den chinesischen Markt für sich nicht als relevant an, weil keine Fahrzeuge des Konzerns von den USA nach China exportiert werden. Anders als beim Stuttgarter Rivalen Daimler mussten auch die Finanzziele für 2018 noch nicht korrigiert werden. Doch Anleger machen sich Sorgen, dass sich der Handelskonflikt weiter hochschaukeln könnte, nachdem US-Präsident Donald Trump Strafzölle auf Autoimporte aus der EU angekündigt hat. Vor WesteuropaEin für die Weltwirtschaft verheerender Handelskrieg könnte auch das für Volkswagen eminent wichtige Geschäft in China in Mitleidenschaft ziehen. In den ersten fünf Monaten lieferte der Konzern rund 37 % seiner Fahrzeuge im Reich der Mitte ab. Die Auslieferungen legten in diesem Zeitraum um 11,6 % auf 1,69 Millionen Fahrzeuge zu. Damit gingen in diesem Zeitraum in China mehr Neuwagen an Kunden als in Westeuropa, wo die Auslieferungen um 4,7 % auf 1,63 Millionen anstiegen. Im vergangenen Jahr knackte Volkswagen im Reich der Mitte, wo knapp 100 000 Beschäftigte in 30 Werken arbeiten, erstmals die Marke von 4 Millionen verkauften Fahrzeuge in einem einzelnen Ländermarkt. Allein die Kernmarke Volkswagen übergab 3,2 Millionen Fahrzeuge an chinesische Kunden, was einen Marktanteil von gut 13 % bedeutet. Die Position als Marktführer im wichtigsten Automobilmarkt der Welt wollen Marke und Konzern ausbauen. Dabei setzt man in Wolfsburg vor allem auf den (weltweiten) Boom im Segment der Geländelimousinen (SUVs). Im März lud Volkswagen nicht von ungefähr zur Weltpremiere der dritten Generation des Touareg nach Peking ein. Vor rund 1 000 Gästen beim “SUV Brand Day” in Chinas Hauptstadt verkündeten die Niedersachsen, die Einführung des neuen Flaggschiff-SUV markiere den Auftakt für ein Produktfeuerwerk im weltgrößten Automarkt. Bis 2020 sollen mindestens zehn weitere SUVs der Kernmarke für China folgen, wo 1985 mit dem Volkswagen Santana in Schanghai das erste vollständig vor Ort gefertigte Fahrzeug vom Band lief. MilliardeninvestitionIhren Blick richten die Wolfsburger, die gemeinsam mit den bisherigen Joint-Venture-Partnern SAIC und FAW seit Mitte der achtziger Jahre über 30 Millionen Fahrzeuge in China auslieferten, freilich schon weit über das Jahr 2020 hinaus. Ihre Marktführerschaft in China wollen sie auch im Zeitalter von Elektromobilität und neuen Mobilitätsdienstleistungen festigen. Dazu wurde vor gut einem Jahr ein neues Joint Venture mit dem chinesischen Autohersteller JAC (Anhui Jinghua Automobile) initiiert, das Elektrofahrzeuge sowie neue Mobilitätsdienstleistungen entwickeln, produzieren und vertreiben soll. Noch in diesem Jahr soll mit der Produktion des ersten gemeinschaftlich entwickelten E-Fahrzeugs begonnen werden. Ferner kündigte Volkswagen an, zusammen mit den Gemeinschaftsunternehmen bis 2022 rund 15 Mrd. Euro für direkte Investitionen in E-Mobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung und neue Mobilitätsdienste bereitzustellen. Bis 2022 will der Konzern, der den chinesischen Markt auch nach seiner gerade angekündigten Strukturreform weiterhin eigenständig betreut, mit der Produktion von batterieelektrischen Autos in mindestens sechs chinesischen Fabriken beginnen.Von zentraler Bedeutung für die China-Strategie ist, wie der Konzern jetzt erklärte, die Erweiterung des – 2012 eröffneten – südchinesischen Standorts Foshan um ein weiteres komplettes Werk. Die Produktionskapazitäten sollen dort auf 600 000 Fahrzeuge pro Jahr verdoppelt werden. Für dieses Jahr hat Volkswagen insgesamt drei neue Werke mit dem Joint-Venture-Partner FAW geplant. Zwei Werke sollen in Qingdao und Tianjin im Osten und Nordosten des Landes eröffnen. Standorterweiterung und Neubauten dienen zum einen der Expansion im Geschäft mit den begehrten SUVs. Marktprognosen gehen davon aus, dass schon bald jeder zweite Neuwagen in China ein SUV sein könnte. Die Marke Volkswagen, die in dem Land bislang an 19 Standorten produziert, darunter neun Fahrzeug- und zehn Komponentenwerke, verkaufte im vorigen Jahr 400 000 SUVs. Bestseller waren die Modelle Tiguan und Teramont. Mit dem Kompakt-SUV T-Roc läuft seit diesem Jahr das erste SUV-Modell der Kernmarke aus der Produktion von FAW-Volkswagen vom Band. Noch 2018 ist in Foshan auch der Fertigungsstart des Audi Q2L geplant. “Wichtiger Meilenstein”Mit dem Zubau im Süden Chinas soll zum anderen auch die Elektrooffensive des Autobauers vorankommen. Bis 2020 werde mit der Fertigung von Fahrzeugen auf Basis des modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) begonnen, teilte das Unternehmen mit. Auch die Produktion von MEB-Batteriesystemen ist am Standort Foshan vorgesehen. Der für das Geschäft in China verantwortliche Konzernvorstand Jochem Heizmann erklärte, Foshan sei ein “wichtiger Meilenstein” auf dem Weg von Volkswagen, ein Anbieter nachhaltiger Mobilität zu werden. Durch das “Mega-Werk” am FAW-Volkswagen-Standort in Foshan löse der Konzern sein “Versprechen ein, China zu elektrifizieren”. Vollelektrisch von 2020 an Im Rahmen seiner “Roadmap E” plant der Volkswagen-Konzern innerhalb der nächsten sieben bis acht Jahre, 40 neue, vor Ort produzierte elektrifizierte Fahrzeuge (NEVs) in den Markt zu bringen. Als Ziel wurde ausgegeben, bereits 2020 im chinesischen Markt 400 000 E-Fahrzeuge auszuliefern. Von 2020 an will VW in China mit der voll elektrischen und voll vernetzten I.D.-Fahrzeugfamilie, die auf MEB-Basis gefertigt wird, an den Markt kommen. Von 2025 an sollen jährlich in China 1,5 Millionen NEVs vom Band rollen.