Im GesprächChristian Bauer

Volocopter macht sich warm für den Take-off

Für das eVTOL-Start-up geht es mit Blick auf den Marktstart im nächsten Jahr in die heiße Phase. Nicht nur muss das Flugtaxi des Unternehmens zahlreiche Tests bestehen, um für den kommerziellen Betrieb zertifiziert zu werden. Für Finanzchef Christian Bauer steht zudem auch das Einwerben weiterer Finanzmittel von Investoren an.

Volocopter macht sich warm für den Take-off

Im Gespräch: Christian Bauer

Volocopter macht sich warm für den Take-off

Flugtaxibauer hofft trotz Marktturbulenzen auf Vorreiterrolle in der urbanen Luftmobilität

Von Karolin Rothbart

Für Volocopter geht es mit Blick auf den geplanten Marktstart seines Flugtaxis im nächsten Jahr langsam in die heiße Phase. Nicht nur muss der Senkrechtstarter in den kommenden Monaten zahlreiche Tests bestehen, um zertifiziert zu werden. Für CFO Christian Bauer steht auch das Einwerben weiterer Finanzmittel an.

Das Tempo, mit dem der „VoloCity“ per Fernsteuerung über die Teststrecke fliegt, wird aus dem nebenherfahrenden Auto erst richtig spürbar. Der Motor des Wagens, in dem die Mannschaft sitzt und die Öffentlichkeit an ihren Experimenten per Video teilhaben lässt, dröhnt bei der Beschleunigung, die Landschaft zieht in einer Geschwindigkeit am Betrachter vorbei, von der staugeplagte Pendler oft nur träumen können.

Schon im kommenden Jahr will Volocopter, der Hersteller des bis zu 110 Kilometer pro Stunde schnellen eVTOLs (electric vertical takeoff and landing aircraft), den Flugtaxi-Dienst in den ersten Städten Wirklichkeit werden lassen. Damit wäre das Start-up aus Baden-Württemberg einer der ersten kommerziellen Anbieter überhaupt. Konkurrenten wie die bayerische Lilium oder die kalifornischen Firmen Joby und Archer Aviation wollen ihre jeweiligen Flugtaxis etwa erst ab dem Jahr 2025 an den Start bringen. Generell ist der Wettbewerb groß, laut der Non-Profit-Organisation Vertical Flight Society tummelten sich Anfang 2022 bereits 350 Unternehmen mit rund 600 Konzepten rund um eVTOLs auf dem Markt.

In Europa plant Volocopter den Marktstart zunächst in Paris - pünktlich zu Beginn der Olympischen Sommerspiele Ende Juli. Dafür braucht das Unternehmen, das gerade erst seine Kleinserienproduktion in Bruchsal in Betrieb genommen hat, noch die Zertifizierung der Europäischen Agentur für Luftsicherheit EASA. „Die Anforderungen sind hier sehr hoch“, sagt Volocopter-Finanzchef und Chief Commercial Officer Christian Bauer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Die VoloCitys müssen genauso sicher sein wie ein Airbus oder eine Boeing, damit sie auch über Städte fliegen dürfen.“

Das Flugtaxi „VoloCity“ dreht am Flughafen Seletar in Singapur seine Runden (Quelle: Volocopter)

Um das sicherzustellen, wird der VoloCity in den nächsten 12 bis 15 Monaten auf Herz und Nieren geprüft. „Komponenten, Batterien, die Flugsteuerung und Motoren werden dabei unter anderem auf Ausfallsicherheit getestet“, erklärt Bauer. „Außerdem haben wir ein sehr großes Testprogramm mit der EASA abgestimmt, wo live im Flug mit und ohne Pilot unterschiedliche Missionen geflogen werden müssen, also zum Beispiel das Fliegen auf einer Stelle, der Ausfall einer oder mehrerer Rotoren oder das schnelle Vorwärts-Fliegen.“

Mehr als 1.500 Testflüge habe Volocopter bereits absolviert. Dabei habe sich gezeigt, dass Vorurteile in der Bevölkerung über die elektrisch betriebenen Senkrechtsstarter abnehmen, je häufiger diese damit in Berührung kommt. „Je mehr wir von dem Produkt zeigen und es erklären, desto höher ist die Akzeptanz in der Gesellschaft“, sagt Bauer.

Ticketpreise werden sinken

Auch das Problem der hohen Kosten ist aus Sicht des Finanzchefs nur ein Temporäres. Wo der Preis für einen VoloCity-Flug zu Beginn noch bei 200 bis 300 Euro liegen und damit für die meisten Menschen unerschwinglich sein wird, soll der Flug in Zukunft nicht mehr kosten als eine Fahrt mit dem Premiumtaxi. „Für den Verbraucher wird es Schritt für Schritt effektiver und kostengünstiger werden“, verspricht Bauer. „Dann wird sich meines Erachtens schon ein Großteil der Geschäftsreisenden oder Touristen überlegen, ein Flugtaxi zu nehmen, mit dem man in nur 15 Minuten in der Innenstadt ist.“

Laut einer Berechnung von Deloitte dürften Flugtaxis in den USA spätestens im Jahr 2030 gegenüber klassischen Standard-Taxis wettbewerbsfähig sein. Dann werde der Preis pro Sitzplatzmeile bei 2,75 Dollar liegen und ein Flug von 20 Meilen, also gut 32 Kilometern, etwa 55 Dollar (aktuell knapp 51 Euro) kosten. Die gleiche Strecke mit dem Standard-Taxi wird in der Analyse aktuell noch bei 63 Dollar veranschlagt.

Allerdings passen in ein Standard-Taxi auch bis zu drei Mitfahrer. Im VoloCity kann dagegen nur ein Fluggast von einem Piloten befördert werden – und das auch nur mit einer Reichweite von 35 Kilometern. Mehr gibt die aktuell verfügbare Batterietechnologie noch nicht her. „Die Akkus, die es braucht, um mehr Passagiere vertikal hochzuheben und über eine längere Strecke zu transportieren, dürften in den nächsten zwei Jahren an Marktreife gewinnen“, schätzt Bauer. Dann steht auch schon das nächste Modell des 2011 gegründeten Unternehmens, der „VoloRegion“, bereit. Mit ihm sollen ab dem Jahr 2026 oder 2027 bis zu vier Personen bei einer Fluggeschwindigkeit von 250 km/h und mit über 100 Kilometern Reichweite auch über den städtischen Raum hinaus kommerziell befördert werden.

Weniger Geld für eVTOL-Start-ups

So sieht zumindest der Plan aus. Ob er sich auch erfüllt, ist nicht zuletzt eine Frage der Finanzierung. Hier waren die Zeiten für kapitalintensive Tech-Vorhaben schon mal einfacher. „Wir haben steigende Zinsen, eine hohe Inflation und geopolitische Spannungen“, sagt Bauer. „Wir haben bestimmt auch Herausforderungen, was momentan die Investorenlage betrifft.“

Was wird der erste praktische Nutzen von bemannten eVTOLs sein?Anteil der Private-Equity-und Venture-Capital-Umfrageteilnehmer, die darin die jeweils erste praktische Anwendung sehen in %
Such- und Rettungseinsätze27
Fernversorgung20
Organtransport15
Passagierbeförderung14
Gütertransport8
Katastrophenhilfe8
Militärmissionen4
Medizinische Evakuierung3
Umfrage des kanadischen Luftfahrtunternehmens Horizon Aircraft unter Private Equity- und Venture-Capital-Profis vom März 2023

Tatsächlich flossen laut McKinsey im vergangenen Jahr mit weltweit 3 Mrd. Dollar nicht einmal mehr halb so viel Investorengelder in sogenannte „Future-Air-Mobility“-Unternehmen wie noch 2021. Für Volocopter seien die vergangenen Monate dennoch erfolgreich gewesen, sagt Bauer. „Wir haben seit November mehr als 200 Mill. Euro einsammeln können, einmal von Investoren aus dem mittleren Osten, also von den Betreibern der saudischen Planstadt Neom, aber auch von Investoren wie Sumitomo, eines der größten Handelshäuser aus Japan, oder von Sekisui Chemical, dem japanischen Kunststoffhersteller.“ Neben Japan und Neom bereitet Volocopter den Betrieb seiner Flugtaxis auch in anderen Auslandsmärkten vor, zum Beispiel in Rom und Singapur. In letzteren beiden soll der Start ebenfalls schon im nächsten Jahr erfolgen.

Laut Dealroom haben Investoren insgesamt bislang fast 770 Mill. Dollar in Volocopter gesteckt. Auch in den nächsten Monaten plane man, noch weiteres Kapital aufzunehmen, sagt Bauer. Abgesehen davon sei Volocopter „bis ins nächste Jahr hinein gut finanziert“. Die Nachfrage nach den VoloCitys übersteige zudem schon jetzt die aktuellen Produktionskapazitäten von mehr als 50 Stück pro Jahr. „Wir haben schon mehrere hundert Vorbestellungen, unter anderem vom ADAC, von Japan Airlines oder von Neom“, sagt Bauer. „Wir sind bei der Planung aber sehr konservativ und werden die Produktion nur Schritt für Schritt hochskalieren.“

Zeitplan für IPO noch unklar

Daneben steht bei Volocopter auch noch der Börsengang aus – anders als etwa bei Lilium, Joby, Archer oder bei der britischen Vertical Aerospace, die allesamt bereits notiert sind. Seit den jeweiligen IPOs mussten die Kurse der Konkurrenz an den öffentlichen Märkten jedoch kräftig Federn lassen. Volocopter selbst hatte im Jahr 2021 einen Spac-Börsengang in den USA wegen des schwierigen Marktumfelds abgesagt – und sieht sich seither entsprechend in einer glücklichen Lage: „Wir haben den richtigen Weg beschritten, uns mit Hilfe privater Investoren zu finanzieren“, findet Bauer.

Allerdings hatte Beiratschef Stefan Klocke vor gut einem  Jahr das Ziel ausgegeben, „mit den Bildern von den Olympischen Sommerspielen in Paris an die Börse zu gehen“. Ob es dazu wirklich kommt, ist laut Bauer aber noch nicht klar: „Wenn man an die Börse geht, sollte man Umsätze machen, idealerweise auch Profite, und das allgemeine Marktumfeld spielt auch eine wichtige Rolle“, so Bauer. „Dazu wird es frühestens kommen, wenn wir die ersten Städte aufgebaut haben und wir unser Businessmodell bewiesen haben.“ Noch gebe es keine konkreten Pläne, wann genau das der Fall sein wird, es könne aber durchaus auch erst nach den Olympischen Spielen so weit sein, sagt Bauer. „Das halten wir uns offen.“

Christian Bauer ist bei Volocopter Finanzchef und Chief Commercial Officer in Personalunion. Vor seinem Wechsel zu dem Start-up war er fast zehn Jahre lang bei Daimler tätig, unter anderem als M&A-Manager.

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