Von der grauen Maus zum Wachstumsgeschäft
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Rund 550 Mrd. Dollar will US-Präsident Joe Biden in den nächsten Jahren in die Erneuerung der amerikanischen Infrastruktur stecken sowie für Straßen, Brücken, Häfen, Flughäfen, den Nahverkehr und die Bahn ausgeben. Zusammen mit schon älteren Plänen nehmen die Amerikaner hier insgesamt mehr als 1 Bill. Dollar in die Hand. Auch von dem 2021 gestarteten 750 Mrd. Euro schweren Wiederaufbauprogramm der EU nach der Pandemie fließt ein gewichtiger Teil in die europäische Infrastruktur. An den geplanten Investitionen können Investoren mitverdienen, sei es über Aktien von Firmen, die Infrastruktur bauen, besitzen oder betreiben, oder über ein Investment in Infrastrukturfonds.
„Der Bereich Infrastruktur legt gerade sein Graue-Maus-Image ab“, ist Oliver Schneider, Leiter Investmentspezialisten in der Region EMEA und Lateinamerika bei Wellington Management, überzeugt. In den vergangenen Jahren haben viele Vermögensverwalter vor allem in Technologie investiert, nun holt das Geschäft mit Infrastruktur auf, in dem Wellington Management bereits seit zwei Dekaden vertreten ist. Seit neun Jahren wird über den Enduring-Assets-Fonds unter anderem in Flughäfen, Schienennetze, Energieerzeugung und digitale Infrastruktur investiert. Wellington wertet diese als Anlagen mit attraktiven Ertragsströmen, die durch Regulierungsvorschriften oder langfristige Verträge festgesetzt und geschützt sind. Schneider spricht von 2,7 Mrd. Dollar, die in dem Fonds gemanagt werden.
Die fundamentale Analyse, die vor einer Investitionsentscheidung steht, sei gerade bei Flughäfen sehr komplex, betont Schneider im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und spricht in diesem Zusammenhang von einem „Research-Mosaik“. In dieses fließen zum einen die Kennzahlen des Unternehmens ein wie Verschuldung, Wachstumsraten oder Cashflow-Entwicklung. Wie sieht es mit Investitionen aus, um einen Standort weiterzuentwickeln und ihn für das immer wichtigere Einzelhandelsgeschäft attraktiver zu machen? Wichtig zu wissen sei aber auch, inwieweit das Geschäft eines Flughafens in einem Land reguliert sei und ob der jeweilige Regulator eher pro oder contra Business sei. In und nach der Pandemie habe man zudem genau hingeschaut, wie an den verschiedenen Flughäfen mit Krisen umgegangen wird, denn zeitweise war der gesamte Flugverkehr lahmgelegt.
Aktuell „würden wir bei den Flughäfen Asien besser bewerten als Europa“, sagt Schneider. Die Airline-Branche geht davon aus, dass Wachstum mittelfristig vor allem im asiatischen Raum stattfinden wird, davon werden die Airports profitieren. Wellington-Manager Schneider verweist unter anderem auf die demografische Entwicklung auf dem asiatischen Kontinent – eine große junge Bevölkerung, „die gerade erst anfängt, zu reisen“.
Allein schon die gerade vollzogene Öffnung Chinas nach der Pandemie sorge an den asiatischen Flughäfen für einen deutlichen Schub. Dagegen lassen die Makrofaktoren in Europa wie steigende Zinsen und stark gestiegene Energiekosten eher ein eingeschränktes Reisebudget und damit eine sich abschwächende Nachfrage befürchten. Dazu komme bei Europas Flughäfen eine zum Teil hohe Verschuldung. Wobei auch einzelne europäische Standorte aus Sicht eines Assetmanagers durchaus interessant sind, etwa wegen ihres Beteiligungsportfolios. Schneider verweist in diesem Zusammenhang auf den Flughafenbetreiber Fraport mit seiner Beteiligung am Flughafen Lima. Die größte Position in Wellingtons Infrastrukturportfolio nimmt derzeit der Shanghai International Airport ein, auf den 3,24% des Fonds allokiert sind (Stand Ende Dezember 2022).
Immer wichtiger für das Flughafengeschäft wird laut Schneider das Thema Umweltschutz. Deshalb müssen Flughäfen seiner Ansicht nach klare Ziele formulieren, wie sie etwa CO2-neutral werden wollen, wie der Energiebedarf mehr und mehr aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird oder wie es um den Einsatz von nachhaltigem Flugbenzin am jeweiligen Standort steht. Bei diesem Themenkomplex ist zwar seit den Plänen der EU für „Fit for 55“ auch der Druck auf die Luftfahrtbranche gestiegen, aber auch die Unternehmen in vielen asiatischen Ländern sind laut Schneider auf diesem Weg unterwegs. Und China hat dem Ausbau der erneuerbaren Energien sogar Priorität eingeräumt, „auch wenn man dort von einer geringen Basis kommt“.