Von Oberschwaben nach Zhejiang

Chinesen kaufen Hausgerätezulieferer - Börsengang in China als Vision - "Der Mercedes unter den Ventilen"

Von Oberschwaben nach Zhejiang

Wer hätte das gedacht: Für die oberschwäbische Aweco Appliance Systems tut sich ein Börsengang als Perspektive auf – im südchinesischen Shenzhen. Noch ist das Zukunftsmusik. Der Zulieferer der Haushaltsgeräteindustrie wurde von der chinesischen Zhejiang Sanhua gekauft. Hannover Finanz, die mit rund zwei Fünfteln beteiligt war, gelingt damit nach über 30 Jahren der Exit.Von Andreas Hippin, FrankfurtAweco Appliance Systems ist in Neukirch am Bodensee nach wie vor ein Begriff, auch wenn sich der Hauptbetrieb mittlerweile in Polen befindet, wo ein neuer Cluster für “weiße Ware” entstanden ist. Im Sommer stellte der auf wasserführende Komponenten spezialisierte Zulieferer der Haushaltsgeräteindustrie die Produktion am Stammsitz in der 2 655 Einwohner zählenden Gemeinde ein. Nun verkaufte Geschäftsführer Günter Kamissek das Familienunternehmen an die chinesische Zhejiang Sanhua aus der gleichnamigen Provinz. Der als Sanierer eingesetzte Kamissek hatte 2003/04 er ein kurzes Gastspiel als Sprecher der Geschäftsführung der “Frankfurter Rundschau” gegeben.Das Interesse chinesischer Gesellschaften am deutschen Mittelstand ist groß. Von Zukäufen versprechen sich die Erwerber angesehene Marken, Know-how und Zugang zum europäischen Markt. Im Sommer stieg Weichai Power beim Gabelstapler-Fabrikanten Kion ein. Inklusive SchuldenUnd die chinesische LDK Solar sicherte sich die Konstanzer Sunways. Der Baumaschinenhersteller Sany schluckte den schwäbischen Betonpumpen-Produzenten Putzmeister.Rund 60 % von Aweco sind in Familienbesitz, knapp zwei Fünftel hält die Beteiligungsgesellschaft Hannover Finanz, die seit 1981 investiert ist. Einem kleinen Minderheitsgesellschafter aus der Schweiz gehören die verbliebenen Anteile. Die im südchinesischen Shenzhen börsennotierte Sanhua übernehme auch die Schulden von Aweco, sagt Kamissek.Zum Verkaufspreis von Aweco, die im vergangenen Jahr 130 Mill. Euro Umsatz erwirtschaftete, wollte Kamissek der Börsen-Zeitung nur so viel sagen: “Die Dealstruktur war so, dass die Eigentümer auch dazu bereit waren, sich von 100 % am Unternehmen zu trennen.” Aweco beliefert Bosch Siemens Haushaltsgeräte mit Komponenten, einst auch Liebherr. Was die Firma produziere, sei “der Mercedes unter den Ventilen”, sagt Kamissek. Der Kontakt zu Sanhua sei über die chinesische Niederlassung zustande gekommen. Vor vier Jahren habe man dem auf Komponenten für Klimaanlagen spezialisierten Unternehmen bereits den Produktbereich Kältemittelventile verkauft. Seit Mai vergangenen Jahres habe man intensiv über einen Einstieg der Chinesen bei Aweco verhandelt.Das Unternehmen bleibe als rechtlich selbstständige Einheit erhalten und soll künftig eine eigenständige Division von Sanhua sein. Deren Eigentümerfamilie Zhang habe bereits einzelne Sparten an die Börse gebracht. “Unsere Vision ist, dass wir Aweco auf eine entsprechende Größe bringen und eventuell als Aktiengesellschaft an den Markt bringen”, sagt Kamissek. In China. In fünf Jahren könnte es soweit sein.Für die verbliebenen Mitarbeiter habe sich die Gefahr eines Arbeitsplatzverlusts nicht vergrößert, weil sowieso unklar gewesen sei, wie es in den kommenden fünf Jahren weitergegangen wäre, sagt Enzo Savarino von der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben. “Daraus eine neue Perspektive zu formulieren, würde ich für gewagt halten.”