Vormarsch der Discounter verebbt
Der Preiskrieg im britischen Lebensmitteleinzelhandel setzt sich fort – allerdings geben die Verbraucher ihr Geld lieber für Restaurantbesuche und Reisen aus. Das Wachstum der Discounter verlangsamt sich bereits, ohne dass die großen Ketten ernsthaft zum Gegenschlag ausgeholt hätten.Von Andreas Hippin, LondonDer britische Lebensmitteleinzelhandel hat bislang nicht davon profitiert, dass die verfügbaren Einkommen der britischen Verbraucher – nicht zuletzt dank sinkender Lebensmittel- und Energiepreise – in den vergangenen zwei Jahren gestiegen sind. Wie der Supermarktbetreiber J Sainsbury (Sainsbury’s) bei der Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen für das am 12. März abgelaufene Geschäftsjahr feststellte, geben die Kunden das Geld lieber für Dinge aus, auf die sie in den Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise verzichteten: Sie gehen Essen und sie verreisen. Der Textileinzelhandel kann ein Lied davon singen. Das Vorsteuerergebnis von J Sainsbury schrumpfte um 14 %. Der Rückgang sei zwar nicht so schlimm wie erwartet ausgefallen, kommentierten die Analysten von HSBC, die langfristige Erosion des Gewinns setze sich aber fort. “Wir haben wenig Positives in den Zahlen gesehen”, schrieben sie in einer ersten Einschätzung. “Das Umsatzwachstum verlangsamt sich, die Margen sinken, und die Finanzkennziffern verschlechtern sich.” Verzerrte WahrnehmungDer Vormarsch der Discounter hat sich zwar verlangsamt, aber er setzt sich fort. Allerdings lassen sich Einmaleffekte wie die Verlängerung der Öffnungszeiten nicht wiederholen. Die Analysten der HSBC vermuten hinter dem schwächeren Wachstum auch den Umstieg von Sonderangeboten auf dauerhafte Niedrigpreise (EDLP, Everyday Low Prices). Die Branche werde Druck von den traditionellen Supermärkten bekommen. Die Wal-Mart-Tochter Asda, WM Morrison Supermarkets (Morrisons) und John Lewis (Waitrose) hatten die Preise zuletzt deutlich gesenkt. Morrisons konnte so den Absatz auf vergleichbarer Basis im ersten Quartal um mehr als 3 % steigern.Aldi und Lidl werden in der Öffentlichkeit aber weiterhin als preisgünstigste Anbieter wahrgenommen (siehe Grafik). Vergleiche man die Wahrnehmung mit der Realität, seien die Preise bei Tesco, Sainsbury’s und dem Nobelsupermarkt Waitrose im Januar jedoch niedriger gewesen als erwartet, schreiben die Analysten der UBS.Wie aus den Zahlen des Marktforschers Nielsen für die zwölf Wochen zum 23. April hervorgeht, kommt Aldi mittlerweile auf einen Marktanteil von 6,8 % (im Vergleich zum Vorjahreszeitraum plus 0,8 Prozentpunkte). Auch Lidl (Marktanteil: 4,7 %, + 0,6 Prozentpunkte) ist in Großbritannien auf dem Vormarsch. Hinzu kommen die einheimischen Discounter. Der Marktanteil des Branchenprimus Tesco schrumpfte um 0,3 Prozentpunkte auf 27,4 %. Sainsbury’s kam noch auf 16,0 % (-0,1 Prozentpunkte), Morrisons auf 10,5 % (-0,3 Prozentpunkte). Tesco, Sainsbury’s und Morrisons verzeichneten schrumpfende Erlöse. Daran haben Kampagnen ihren Anteil, bei denen versucht wird, die eigenen Preise denen der Discounter anzugleichen. Unterdessen setzte Aldi 13,0 % mehr um, Lidl steigerte den Erlös um 14,5 %.