GASTBEITRAG

Vorschläge für neue Aktionärsrechte nicht zielführend

Börsen-Zeitung, 3.5.2019 Das deutsche Corporate Governance System braucht einen starken Aufsichtsrat und gut informierte Aktionäre. Die zweite Aktionärsrechterichtlinie und deren nationale Umsetzung (ARUG II) wollen die Transparenz und die...

Vorschläge für neue Aktionärsrechte nicht zielführend

Das deutsche Corporate Governance System braucht einen starken Aufsichtsrat und gut informierte Aktionäre. Die zweite Aktionärsrechterichtlinie und deren nationale Umsetzung (ARUG II) wollen die Transparenz und die Überwachungsrolle des Aufsichtsrats stärken. Der Gesetzesentwurf des ARUG II wird den hohen Erwartungen jedoch nicht durchgängig gerecht.Die ausufernde Berichterstattung und die sich anschließenden öffentlichen Debatten über Vergütungen von Vorständen führen zur Forderung nach klaren, transparenten Vergütungssystemen und -berichten. Dies fordert auch die Bundesregierung in ihrem Entwurf des ARUG II. Der Gesetzesentwurf ist insoweit zu begrüßen. Transparente Systeme und Berichte schaffen Vertrauen der Aktionäre und der Öffentlichkeit in die Unternehmensführung. Sie dienen der gesellschaftlichen Akzeptanz von Vergütungen. Ein transparentes System ist Voraussetzung dafür, dass der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung ihre Pflichten bei der Festlegung der Vergütung – unabhängig davon, wie diese konkret ausgestaltet wird, – verantwortlich wahrnehmen können.Die Verständlichkeit der Vorstandsvergütung kann beispielsweise dadurch erhöht werden, dass die Zeitpunkte der Gewährung und des Zuflusses der Vergütung vereinheitlicht werden. Hierauf zielen auch die veröffentlichten Vorschläge der Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) ab. Im veröffentlichten Kodex-Entwurf ist sogar die Streichung der Muster-Vergütungstabellen vorgesehen. In der mittel- bis langfristigen Perspektive scheint ein solcher Schritt sachgerecht. Allerdings ist die angestrebte gebotene Vereinheitlichung von Gewährung und Zufluss im Konsultationsverfahren deutlich kritisiert worden. Gesellschaften, welche die Vorstandsvergütung nicht im Sinne einer Vereinheitlichung von Gewährung und Zufluss geregelt haben, sollten daher in geeigneter Form über die Unterschiede berichten, gegebenenfalls unter Verwendung der bisherigen Mustertabellen.Der Vergütungsbericht ist bislang Bestandteil des Lageberichts und damit grundsätzlich Gegenstand der Abschlussprüfung. Nach dem Gesetzesentwurf soll der Bericht künftig aus dem Lagebericht herausgelöst und auf der Internetseite veröffentlicht werden. Zudem ist in Zukunft keine inhaltliche Prüfung der Angaben vorgeschrieben. Stattdessen soll der Abschlussprüfer nur noch prüfen, ob die Angaben gemacht wurden. Eine solche Regelung ist aus drei Gründen nicht sinnvoll:Erstens stellen Vergütungsberichte bedeutende Informationen für die Berichtsadressaten dar, die eng mit der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens verbunden sind. Solche Angaben gehören in den Lagebericht. Zweitens bedeutet eine lediglich formelle Prüfung, dass sich der Abschlussprüfer künftig nicht mehr inhaltlich mit den Angaben zur Vergütung auseinandersetzen wird. Das heißt eine externe Prüfung, ob die Angaben zutreffend sind, findet nicht mehr statt. Ein Riesenschritt zurück im Vergleich zum Status quo! Unsicherheiten bei den Aufsichtsräten und den übrigen Adressaten sind vorprogrammiert. Drittens führt die Herauslösung des Vergütungsberichts aus dem Lagebericht zu einer zusätzlichen Zergliederung der Unternehmensberichterstattung. Dies widerspricht der anzustrebenden Transparenz.Ein weiterer Schwerpunkt des ARUG II sind die neuen Vorgaben zu sogenannten Related Party Transactions. Kernkomponente der Neuregelung ist ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats für bestimmte Geschäfte mit nahestehenden Personen. In dem Gesetzesentwurf ist hierzu ein Grenzwert von 2,5 % der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen vorgesehen. Keine gute GovernanceDie Konsequenzen dieses Vorschlags können durch das folgende Beispiel veranschaulicht werden: Für den VW-Konzern mit einer Bilanzsumme von 458,2 Mrd. Euro zum 31.12.2018 würde eine Zustimmung des Aufsichtsrats erst für Geschäfte mit einem Volumen über 11 Mrd. Euro notwendig. Alle Geschäfte mit nahestehenden Personen unter dieser Höhe könnte der Vorstand allein abschließen. Wohl kaum ein Zeichen guter Governance!Informationen über Geschäfte mit nahestehenden Personen sind für die Adressaten besonders wichtig, da sie Rückschlüsse auf die Integrität von Vorstand und Aufsichtsrat erlauben. Diese Integrität kann aber bereits durch Geschäfte infrage gestellt werden, die mit Blick auf das Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft beziehungsweise des Konzerns nur von untergeordneter Bedeutung sind. Die Genehmigungspflicht sollte zum einen deutlich früher greifen. Zum anderen ist eine ausschließlich an quantitativen Abschlussgrößen orientierte Determinierung der Wesentlichkeitsgrenze nicht sinnvoll – ergänzend sind vielmehr auch qualitative Überlegungen anzustellen. Eine Lösung könnte darin bestehen, auf den allgemeinen Wesentlichkeitsgrundsatz zu verweisen, der ohnehin auf einer quantitativen und qualitativen Dimension beruht. Dies entspräche grundsätzlich auch der Vorgehensweise in (internationalen) Rechnungslegungsstandards.Der neue Zustimmungsvorbehalt wird neue Prozesse im Unternehmen erforderlich machen. Hier ist im ersten Schritt der Vorstand gefragt. Dieser muss eine rechtzeitige und vollständige Vorlage genehmigungspflichtiger Geschäfte an den Aufsichtsrat sicherstellen. Aber auch der Aufsichtsrat steht in der Pflicht. Er hat sich mit der Angemessenheit und Wirksamkeit der neuen Prozesse zu befassen.—-Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer