Vorsicht ist Mutter der Porzellankiste

EY: Dax-Konzerne prognostizieren zu konservativ - Doch die Verunsicherung in den Chefetagen wächst

Vorsicht ist Mutter der Porzellankiste

Die Gewinn- und Umsatzprognosen der deutschen Blue Chips sind schwankungsanfällig. Und die Manager geben sich in ihren Erwartungen eher zu vorsichtig. Trump, Brexit und die Folgen: Derzeit ist es enorm schwer, belastbare Prognosen abzugeben. 19 der 30 Dax-Unternehmen mussten ihre Erwartungen im vorigen Jahr korrigieren.wb Frankfurt – Brexit, Trump, nachlassendes China-Wachstum, Russland-Krise, Zinsspekulationen, EU-Probleme und Türkei: Allen politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen zum Trotz haben im vorigen Jahr mehr deutsche Unternehmen ihre Gewinn- und Umsatzprognosen nach oben als nach unten korrigiert. Dabei standen den 67 Gewinn- oder Umsatzwarnungen 87 Fälle gegenüber, in denen Firmen die zuvor verkündeten Werte übertrafen. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die veröffentlichungspflichtige Korrekturen von 2011 bis 2016 unter die Lupe benommen hat.Insgesamt sank die Zahl der Prognosekorrekturen damit um knapp ein Viertel von 200 auf 154. Nahezu 40 % der im Prime Standard gelisteten Unternehmen mussten 2016 mindestens einmal ihre eigene Prognose kassieren, im Turnus zuvor hatte die Quote noch bei 44 % gelegen.Martin Steinbach, Leiter IPO and Listing Services von EY, sagt, was momentan wohl nahezu alle Manager denken: “Es ist derzeit enorm schwer, belastbare Prognosen abzugeben. Die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen ändern sich derzeit sehr rasch, und staatliche Eingriffe in den Markt können in einem ohnehin sehr volatilen Umfeld Marktprognosen schnell obsolet machen.” Viele Unternehmen bewerteten die Risiken höher als die Chancen – auch auf die Gefahr hin, bei Investoren an Glaubwürdigkeit zu verlieren. “Denn Anleger erwarten vom Unternehmen eine plausible und realistische Ergebnisprognose und machen diese auch zur Grundlage von Investitionsentscheidungen.” Wenig zuverlässigIm Vergleich der Indizes erwiesen sich vor allem die Prognosen der Dax-Konzerne als wenig zuverlässig: 63 (i.V. 47) % von ihnen haben im Lauf des Jahres ihre Prognosen korrigiert; in 16 Fällen nach oben, 8-mal nach unten. Damit stieg die Zahl der Prognosekorrekturen der Dax 30-Unternehmen auf 24 (22) und damit den höchsten Stand seit 2011, als die Analyse zum ersten Mal durchgeführt wurde. Im Vorjahr lag sie bei 22, 2014 nur bei sieben. Während die Zahl der Aufwärtskorrekturen im Dax gegenüber dem Vorjahr von 12 auf 16 stieg, war sie in allen anderen Segmenten rückläufig, am stärksten – von 43 auf 28 – bei Unternehmen, die nicht im Dax, MDax, SDax oder TecDax notiert sind.Obwohl die Märkte zwei externe Schocks – Brexit-Votum und Ausgang der US-Präsidentschaftswahl – zu verkraften hatten, habe sich das operative Geschäft überraschend gut entwickelt, beobachtet Marc Förstemann, EY-Partner in der Restrukturierungsberatung. Dabei halfen der gesunkene Euro-Kurs, die privaten und öffentlichen Konsumausgaben und das niedrige Zinsniveau.Die nach wie vor hohe Zahl von Prognosekorrekturen – unabhängig davon, ob nach oben oder nach unten – zeige allerdings, dass die wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen Spuren hinterlassen. “Angesichts einer “extrem unübersichtlichen politischen Großwetterlage” könnten Unternehmen nur auf Sicht fahren und mehr denn je auf die Belastbarkeit und Flexibilität der eigenen Organisation und Lieferketten achten, rät Förstemann. “Denn was wir derzeit erleben, könnte durchaus die Ruhe vor dem Sturm sein.” Sollten die protektionistischen Tendenzen, die derzeit nur als Drohung im Raum stehen, in konkrete Politik münden und neue Handelshemmnisse aufgebaut werden, bekämen dies stark von internationalen Märkten abhängige Unternehmen schmerzhaft zu spüren. Abschlag fällt höher ausIm Schnitt sanken die Kurse der betroffenen Unternehmen am Tag der Gewinnwarnung um 6 % und konnten sich auch in der Folgewoche nicht wieder erholen. Im Gegenteil: Eine Woche nach Bekanntgabe lag der Kurs im Durchschnitt um 7 % niedriger als vor der Ad-hoc-Meldung. Wenn dagegen ein Übertreffen der Gewinnprognose angekündigt wurde, führte das im Schnitt zu einem unmittelbaren Plus der Aktie um 4 %, das sieben Tage später auf nur 5 % stieg. Nach wie vor werden Gewinnwarnungen also von Investoren stärker bestraft, als Anhebungen der Prognosen belohnt werden.