Vorstoß für die große Panzerfusion
Gespräche über eine Fusion von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann sind in der Vergangenheit mehrfach gescheitert. Aber dieses Mal stehen laut Branchenexperten die Chancen besser: Von der Politik würden beide Unternehmen gedrängt, einen neuen deutsch-französischen Kampfpanzer zu entwickeln.cru Düsseldorf – Rheinmetalls Vorstoß für einen Einstieg beim Münchener Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) trifft auf Schweigen der Bundesregierung und auf Skepsis der Investoren. Nach einem kurzen Anstieg am Montag reagierte der Aktienkurs am Dienstag mit einem Minus von zeitweise 1,9 % auf 81,78 Euro. Am Vortag hatte der Düsseldorfer Rüstungskonzern mit einer Ad-hoc-Meldung Gespräche mit der Kasseler Familien-Holding KMW bestätigt – über eine Beteiligung an KNDS, einem 50:50-Gemeinschaftsunternehmen von KMW mit dem französischen Staatskonzern Nexter mit Sitz in Amsterdam.Die Analysten der Commerzbank schätzen den Eigenkapitalwert des Unternehmens KNDS angesichts der Börsenbewertung vergleichbarer Konkurrenten in einer Studie für institutionelle Investoren, die der Börsen-Zeitung vorliegt, auf rund 3 Mrd. Euro. “Die Schlüsselfrage ist erstens, ob KMW offen für einen Deal ist, und zweitens, ob der französische Staat, der eine Goldene Aktie bei Nexter hält, ebenso stark interessiert an einer Konsolidierung (der Panzerbranche) ist wie die Bundesregierung”, kommentiert Analyst Sebastian Growe.Rheinmetall hatte wiederholt Interesse an dem Konkurrenten bekundet, mit dem der Düsseldorfer Konzern unter anderem den Schützenpanzer “Puma” entwickelte. Zu dem aktuellen Vorstoß von Rheinmetall wollte sich die Kasseler Familienholding Wegmann Unternehmens-Holding GmbH & Co. KG, die mit 26 stillen Teilhabern den Nachfahren der Firmengründer gehört und deren Aufsichtsratschef der Gründernachfahre Felix Bode ist, nicht äußern. Bei früheren Anläufen hatten sich die beiden deutschen Konzerne nicht darauf einigen können, wer die Führung übernehmen soll.KMW hatte sich daraufhin 2015 mit dem Joint Venture den Franzosen zugewandt. Der frühere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte sich für eine Fusion der deutschen Rüstungsschmieden ausgesprochen. Vom Bundeswirtschaftsministerium war aktuell zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Vorschläge bis Mitte 2019Es gilt aber als offenes Geheimnis, dass die beiden Verteidigungsministerinnen von Deutschland und Frankreich, Ursula von der Leyen und Florence Parly, die gemeinsame Entwicklung eines neuen Kampfpanzers planen. Laut Commerzbank könnte das gesamte deutsch-französische Auftragsvolumen zwischen 2030 und 2040 bei 30 Mrd. bis 100 Mrd. Euro liegen.Den beiden Ministerinnen wird nachgesagt, sie hätten Vorschläge von Rheinmetall und KNDS für Mitte 2019 angefordert, wobei die deutsche Seite die Führungsrolle übernehmen solle.Auch laut UBS-Analyst Sven Weier steht der Rheinmetall-Vorstoß im Zusammenhang mit der Entscheidung Frankreichs und Deutschlands, dass der nächste Kampfpanzer für die Heere beider Staaten unter deutscher Führung gebaut werden soll. Dessen Umsatzpotenzial belaufe sich auf 100 Mrd. Euro. 2,6 Mrd. Euro UmsatzKNDS machte laut Commerzbank im Jahr 2016 rund 2,6 Mrd. Euro Umsatz sowie 277 Mill. Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) und verdiente unter dem Strich 190 Mill. Euro. Der Auftragsbestand habe zum Jahresende 2016 bei 5,8 Mrd. Euro gelegen und die Nettoliquidität bei 600 Mill. Euro. Vor allem die Bundesregierung soll ihr Interesse an einer Fusion von Rheinmetall mit KMW bekundet haben. Rheinmetall gab sich zu den Chancen zurückhaltend. “Ob die Transaktion rechtlich durchführbar und wirtschaftlich darstellbar ist, wird derzeit vom Vorstand der Rheinmetall AG geprüft und hängt von einer Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und regulatorischer Faktoren ab.”Nach Einschätzung der Commerzbank entstünde bei einer Fusion von Rheinmetall mit KMW ein neues Unternehmen mit einem Pro-forma-Umsatz auf Basis der Zahlen aus dem Jahr 2016 von 8,8 Mrd. Euro und einem Ebitda von 1,1 Mrd. Euro, was einer operativen Marge von 12 % entspräche. Für Rheinmetall erscheine die Finanzierung des Deals über Schulden mit dem Dreifachen des Ebitda tragbar.Auch politisch scheint die Gelegenheit günstig: Die Unternehmensberatung Alix Partners geht davon aus, dass der weltweite Anstieg der Verteidigungsbudgets den Konzernen “eine große Chance” eröffnen wird. Der Trend seit 2016 hin zu einer eigenständigeren europäischen Verteidigungsfähigkeit habe sich durch die politischen Ereignisse verstärkt: die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, das Votum für den Brexit und die wiedererstarkte deutsch-französische Achse. Mehrere Länder – darunter auch Deutschland und Frankreich – hätten sich zu Mehrausgaben verpflichtet, während anhaltende Krisen in der Ukraine, im Nahen Osten und im Südchinesischen Meer die Verteidigungsausgaben in den betroffenen Regionen weiter anwachsen ließen. 2016 hätten sowohl die Europäische Union als auch die USA ihre Verteidigungsausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 2 % erhöht. Europäischer ChampionWeiter analysiert das Beratungsunternehmen: “In diesem Kontext suchen die großen europäischen Verteidigungsunternehmen nach Wegen, wettbewerbsfähig zu bleiben und den zunehmenden Trend zu ,Buy American` entgegenzutreten.” Diese Tendenz sei bereits in Osteuropa zu beobachten (beispielsweise in Polen) und könnte auch in Westeuropa Nachahmer finden. “Als Resultat hieraus dürfte sich wahrscheinlich eine Marktkonsolidierung ergeben, verbunden mit einer Reduktion redundanter Produktangebote der europäischen Verteidigungsindustrie”, erwartet Alix Partners.