VW baut Software-Kompetenz aus

Autohersteller erwirbt Kamerasparte von Hella - Zulieferer winkt Sonderertrag von 100 Mill. Euro

VW baut Software-Kompetenz aus

Der Volkswagen-Konzern will den Eigenanteil an der Software seiner Fahrzeuge in den kommenden Jahren deutlich ausbauen. Ein Schritt in diese Richtung ist nun der Erwerb der Kamerasoftware-Sparte von Hella. Die Transaktion stellt dem Zulieferer einen Sonderertrag von 100 Mill. Euro in Aussicht. ab/ste Düsseldorf/Hamburg – Der auf Licht und Elektronik spezialisierte Autozulieferer Hella verkauft sein Geschäft mit Frontkamerasoftware an Volkswagen. Zum Kaufpreis machten beide Unternehmen am Dienstag keine Angaben. Allerdings stellt Hella aus dem Verkauf, mit dessen Abschluss im ersten Quartal 2021 gerechnet wird, einen Buchgewinn von 100 Mill. Euro in Aussicht.Die zum Verkauf stehenden Geschäfte sind Teil der in Berlin ansässigen Hella Aglaia Mobile Vision. Etwa die Hälfte der 400-köpfigen Belegschaft soll im Zuge des Verkaufs in die Car-Software-Organisation von Volkswagen wechseln. Mit der neuen, markenübergreifenden Einheit für Software-Entwicklung will der Wolfsburger Autobauer den Eigenanteil an der Software der Konzernfahrzeuge bis 2025 auf 60 % von derzeit unter 10 % erhöhen. Für Bündelung technologischer Plattformlösungen für datengetriebene Geschäftsmodelle und Innovationen im Konzern sind bis Mitte des Jahrzehnts Investitionen von aktuell 7 Mrd. Euro budgetiert. “Mit der Übernahme der Kamerasoftware-Sparte von Hella sowie des dazugehörigen Know-hows in der Bildverarbeitung setzen wir unsere Strategie fort, zukünftig wesentliche Software-Komponenten intern zu entwickeln”, erklärte Dirk Hilgenberg, CEO der eigenständigen, seit Anfang Juli operativen Car-Software-Organisation. Die Einheit baue damit Kompetenzaufbau im Bereich des maschinellen Sehens auf und stärke ihre Position in der Entwicklung sicherer und innovativer Fahrfunktionen. Marktführer MobileyeNicht veräußert werden die Aglaia-Aktivitäten in den Bereichen Energiemanagement, Lichtsteuerung und People Sensing. Hella-Chef Rolf Breidenbach bekräftigte, auch künftig in Zukunftsthemen wie Elektromobilität, automatisiertes Fahren, Software und Digitalisierung zu investieren. Die Entscheidung für den Verkauf fußt auf der Erkenntnis, dass es Hella ohne massive Investitionen nicht möglich gewesen wäre, die Marktführerschaft in dem Geschäftsgebiet zu erringen. Unangefochtener Marktführer auf dem Gebiet der Frontkamerasoftware ist die israelische Mobileye, hinter der Intel steht.Hella hatte das zur Disposition stehende Geschäft 2006 erworben und darauf gesetzt, dass am Markt Platz für mehr als einen Anbieter sei. Inzwischen bauen aber die Automobilhersteller selbst Kompetenzen auf diesem Gebiet auf. “Wir freuen uns, mit VW einen starken Partner gefunden zu haben, der diese Aktivitäten strategisch weiterentwickeln wird”, sagte Hella-Chef Breidenbach.Federführend für alle Marken im VW-Konzern entwickelt die Car-Software-Organisation Fahrerassistenzsysteme bis hin zum automatisierten Fahren und Parken. Die Bildverarbeitung gilt dafür als eine Schlüsselkompetenz mit zunehmender strategischer Bedeutung. Durch Kamera- und weitere Sensordaten soll ein genaues Abbild der Fahrzeugumgebung ermöglicht werden. Audi-Chef hat ein Auge draufDie Mitarbeiter des Frontkamerasoftware-Bereichs von Hella Aglaia sollen in den Berliner Standort der Car-Software-Organisation eingegliedert werden. Unter dem Dach dieser Einheit, die im Volkswagen-Konzernvorstand von dem seit April amtierenden Audi-Chef Markus Duesmann verantwortet wird, sollen bis zum Ende dieses Jahres insgesamt rund 5 000 Fachkräfte arbeiten – darunter im Inland neben Berlin an markennahen Standorten wie Wolfsburg, Ingolstadt, Weissach bei Stuttgart und künftig auch München. Software-Kompetenz will VW auch außerhalb Deutschlands und Europas ausbauen: So soll rund ein Drittel der Fachleute in China programmieren, weitere Einheiten sind in Nordamerika, Israel und Indien vorgesehen.Neben dem Aufbau der eigenen Software-Kompetenzen setzt der weltgrößte Fahrzeugbauer weiter auf Technologiepartnerschaften. Zu den Technologiepartnern des Konzerns für Kamera-Hardware und -Software gehört auch weiterhin Mobileye.