IM INTERVIEW: ALEXANDER VON WITZLEBEN

"VW wird reagieren, da darf man nicht naiv sein"

Der Verwaltungsratspräsident des Schweizer Zulieferers Feintool zum Verhältnis von Herstellern und Teileproduzenten

"VW wird reagieren, da darf man nicht naiv sein"

“Spannungen zwischen Automobilherstellern und Lieferanten gibt es immer mal wieder.” Das sagt Alexander von Witzleben im Interview der Börsen-Zeitung. Doch der jüngste Streit zwischen dem VW-Konzern und Zulieferern aus Ostdeutschland sei “sicher einmalig” gewesen, meint der Verwaltungsratspräsident des Schweizer Zulieferers Feintool, obwohl stets “mit harten Bandagen gekämpft wird”, denn “es geht um viel Geld”. Von Witzleben bezweifelt, dass es klug war, den Konflikt so eskalieren zu lassen: “VW wird reagieren.”- Herr von Witzleben, wie werten Sie den Zuliefererstreik bei VW?In der Dimension und wie die Sache in der Öffentlichkeit angekommen ist, kann man den Streit sicher als einmalig bezeichnen. Aber Spannungen zwischen Automobilherstellern und Lieferanten gibt es immer mal wieder.- Wie kann es sein, dass solche Konflikte derart eskalieren?Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Es geht um viel Geld, und die Einkäufer der Hersteller sind ebenso wie die Verkäufer bei den Zulieferern angehalten, maximal rauszuholen, was eben geht. Meistens geht es um mehrjährige Lieferverträge, und da reicht eine kleine Fehlverhandlung, und dann geht es schon in die großen Millionenbeträge.- Kann eine solche Spannung langfristig zu guten Ergebnissen führen?Offensichtlich schon. Das Geschäftsverhältnis zwischen Zulieferern und Herstellern und die Art, wie die Aufträge abgewickelt werden, sind in der Automobilindustrie wahrscheinlich so professionell wie in keiner anderen Branche. Da geht es um Liefertermine, Just-in-time-Produktion usw. und das Ganze global und kombiniert mit sehr hohen Sicherheitsansprüchen. Aber eine Begleiterscheinung ist eben das Klima. Der Umgangston ist teilweise sehr rau zwischen beiden Seiten.- Gibt es keine Ausweichmöglichkeiten zu diesem konfliktuellen Prozess?Kaum. Die Hersteller konzentrieren ihre Beziehungen aus Kostengründen seit vielen Jahren immer stärker auf nur noch einen Zulieferer pro Thema. Vor zwanzig Jahren oder so gab es noch die Regel, dass man A-, B- und C-Lieferanten hat, um genau für den Fall, wie man ihn jetzt bei VW hatte, vorbereitet zu sein. Dadurch ist das ohnehin schon enge gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis in den vergangenen Jahren noch ausgeprägter geworden. Theoretisch könnte deshalb fast jeder Schlüssellieferant den Hersteller so unter Druck setzen, wie wir das bei VW nun gerade gesehen haben. Aber ich bezweifle sehr, ob es klug ist, einen Konflikt so wie bei VW eskalieren zu lassen. Ich würde das mit Blick auf die langfristigen Nebenwirkungen nicht tun.- Aber was tut denn ein Zulieferer, wenn der Hersteller Mist baut und aus heiterem Himmel Aufträge storniert?Das ist ein Problem, das wir Zulieferer alle kennen. Aber man ist gut beraten, dieses mit Augenmaß und Klugheit zu lösen. Wir Zulieferer können nach den jüngsten Ereignissen bei VW nicht damit rechnen, dass der Konzern mit uns künftig kulanter umgeht. Ich denke eher, VW wird nun maximale Vorkehrungen bei der Vertragsgestaltung treffen, um solche Dinge zu vermeiden.- Sind Sie sauer auf die aufbegehrenden Zulieferer bei VW?Ich befürchte, dass das Ganze nicht auf eine Robin-Hood-Geschichte hinausläuft, sondern dass es für alle Beteiligten schwieriger wird. Ein Konzern wie VW wird reagieren, da darf man nicht naiv sein.- Wie geht es der Autoindustrie?Es hat eine Spaltung des Marktes stattgefunden. Hersteller von Premiummarken wie Mercedes, BMW, VW und die japanischen Hersteller wie Lexus von Toyota befinden sich seit dem Crash-Jahr 2009 auf einem kontinuierlichen Höhenflug. Die französischen und italienischen Hersteller, die stärker im Niedrigpreissegment exponiert sind, kämpfen dagegen mit fortgesetztem Absatzschwund.- Mit welchen Herstellern sind denn die Schweizer Zulieferer primär im Geschäft?Die Schweizer Zulieferindustrie ist im Premiummarkt sehr gut positioniert. Sie hat über die letzten Jahre konsequent internationalisiert.—-Das Interview führte Daniel Zulauf.