VW zieht Sparschraube noch stärker an

Kernmarke will Renditeziel von 6 Prozent drei Jahre früher erreichen - Weiterer Stellenabbau - "WLTP ultimativer Stresstest"

VW zieht Sparschraube noch stärker an

Die Marke Volkswagen will bis 2023 rund 11 Mrd. Euro in Zukunftstechnologien investieren. Zur Finanzierung der enormen Summen zieht die Kernmarke des VW-Konzerns die Sparschraube weiter an. Das bislang für 2025 in Aussicht gestellte operative Renditeziel wird um drei Jahre vorgezogen. ste Hamburg – Die Marke Volkswagen will das vor zwei Jahren für 2025 in Aussicht gestellte operative Renditeziel von mindestens 6 % drei Jahre eher erreichen und plant dafür weitere Milliardeneinsparungen ein. Die Kernmarke des Wolfsburger Zwölfmarkenunternehmens, die 2017 mit knapp 80 Mrd. Euro für rund 35 % des gesamten Konzernumsatzes sorgte, will über den neuen fünfjährigen Planungszyklus hinweg bis 2023 zu Kostensenkungen von weiteren 3 Mrd. Euro kommen, um die immensen Investitionen in Zukunftstechnologien aus eigener Kraft leichter stemmen zu können. 9 Mrd. Euro für E-FahrzeugeWährend der VW-Konzern für den neuen Planungszeitraum Investitionen von insgesamt 44 Mrd. Euro einplant (vgl. BZ vom 17. November), kalkuliert allein die Marke von 2019 bis 2023 mit Investitionen von mehr als 11 Mrd. Euro in Elektromobilität, Digitalisierung, autonomes Fahren und Mobilitätsdienste. Davon entfallen 9 Mrd. Euro auf die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte – die Anzahl der reinen Elektroautos im Programm will VW Pkw von derzeit zwei auf rund 20 im Jahr 2025 steigern. Vor einem Jahr hatte VW-Markenchef Herbert Diess 6 Mrd. Euro für die E-Mobilität bis 2022 in Aussicht gestellt. Inzwischen wurde entschieden, dass in Deutschland neben Zwickau auch die Werke in Emden und Hannover auf den Bau von E-Fahrzeugen umgerüstet werden sollen.”Wir müssen unsere Performance weiter verbessern, um schneller und stärker in Elektrifizierung und Digitalisierung unserer Modellpalette investieren zu können”, sagte Ralf Brandstätter, Chief Operating Officer der Marke, gestern vor Medienvertretern in Wolfsburg. Dies gehe nur mit ehrgeizigeren Renditezielen. Neben Einsparungen setzt die Marke auf einen Ausbau ihres Angebots an margenstärkeren Geländelimousinen, das bis 2025 von derzeit elf auf 30 Modelle anwachsen soll, sowie auf den Turnaround in den Regionen Russland, Nordamerika und Südamerika bis 2020. Eine operative Marge von mehr als 6 % gilt der Autobranche als Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit.Bei der Vorstellung der Strategie “Transform 2025+” vor zwei Jahren hatte die Marke bis 2020 bereits eine Ergebnissteigerung von 3 Mrd. Euro in Deutschland angekündigt, um ein vor einem Jahr auf 4,0 bis 5,0 % erhöhtes operatives Margenziel zu erreichen – nach 1,8 % im Jahr 2016. Der damals vereinbarte “Zukunftspakt” sieht bis 2020 unter anderem den Wegfall von 23 000 Stellen in Deutschland sowie 9 000 neue Arbeitsplätze in zukunftsorientierten Bereichen vor. VW-Marken-Finanzvorstand Arno Antlitz teilte gestern mit, seit dem Start des Zukunftspakts seien netto 5 600 der geplanten 14 000 Stellen abgebaut werden. Um das Ziel in zwei Jahren zu erreichen, bildeten 9 300 unterschriebene Altersteilzeitverträge eine wichtige Voraussetzung. Bis Ende dieses Jahres werde man 2,2 Mrd. der mit dem “Zukunftspakt” bis 2020 insgesamt angestrebten Einsparungen von 3 Mrd. Euro realisiert haben. Kein Zukunftspakt 2Der “Zukunftspakt” habe bislang die erhoffte positive Wirkung gezeigt, sagte COO Brandstätter. Für die Zeit nach 2020 ist den Aussagen zufolge jedoch kein “Zukunftspakt 2” geplant. In Aussicht gestellt wird allerdings ein weiterer, in seinem Umfang noch nicht bezifferter Stellenabbau, der zu dem Maßnahmenbündel gehören soll, das der Markenvorstand gestern präsentierte. Mit dem Betriebsrat seien Gespräche aufgenommen worden.So soll der Anteil der Fahrzeuge, die auf Basis des modularen Querbaukastens (MEB) gefertigt werden, von in diesem Jahr erwarteten etwa 60 % bis 2020 auf 80 % steigen. In der ersten Elektrifizierungswelle sollen von Ende 2019 an bis 2022 bis zu 15 Millionen Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Skoda und Seat auf Basis des modularen E-Antriebs-Baukastens (MEB) produziert werden. Die Produktivität in den Werken soll bis 2025 durchschnittlich um 30 % erhöht werden, während die Investitionen sinken. Fabrikkosten und Investitionen würden um 1,5 Mrd. Euro reduziert, so Brandstätter, der in diesem Sommer den neu geschaffenen Posten des COO übernahm, um Markenchef Diess, der im April VW-Konzernvorstandsvorsitzender wurde, zu entlasten.Um die Produktivität zu erhöhen, sollen auch die Komplexität im Modellportfolio reduziert und Motor-Getriebe- sowie Ausstattungsvarianten verringert werden. Zudem soll eine Optimierung der Materialkosten, die, so Brandstätter, nicht zulasten der Produktsubstanz gehen werde, dazu beitragen, die Rendite schneller zu steigern als bislang vorgesehen. Für 2018 stellt die Marke derzeit eine operative Rendite von rund 4 (i.V. 4,1) % in Aussicht. An der Prognose, die vor Monatsfrist wegen der Belastungen durch die Umstellung auf das seit September in Europa geltende Abgas- und Verbrauchstestverfahren WLTP, höherer Vertriebskosten sowie Vorleistungen für neue Produkte vor allem zur Umsetzung der Elektrooffensive auf das untere Ende des Zielkorridors von 4,0 bis 5,0 % eingeengt worden war, halte man fest, auch wenn es “nicht einfach” werde, sie zu erfüllen, erklärte Finanzchef Antlitz. Im dritten Quartal lag das operative Ergebnis wegen Belastungen durch Währungseffekte von 400 Mill. Euro und die WLTP-Umstellung um rund eine halbe Milliarde Euro unter dem Vorjahreswert. Talsohle durchschritten”WLTP war für uns der ultimative Stresstest”, erklärte COO Brandstätter. Ein Großteil der Varianten aller 14 Markenmodelle verfügte inzwischen aber über die erforderliche Zertifizierung. Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann sagte, die Talsohle bei den Auslieferungen sei durchschritten. Nach den ersten elf Monaten kommt die Marke bei 5,7 Millionen Fahrzeugen auf ein Auslieferungsplus von 1,2 %. Für November steht ein Rückgang um 5 % zu Buche. Um das Rekordergebnis 2017 zu erreichen, fehlten noch 530 000 Auslieferungen, so Stackmann. “Nach meiner aktuellen Einschätzung könnten wir das schaffen.”