Wall Street ignoriert Kartellverfahren gegen Google

Analysten rechnen mit langwierigem Rechtsstreit und begrenzten geschäftlichen Risiken

Wall Street ignoriert Kartellverfahren gegen Google

nok New York – Börsianer rechnen trotz des Kartellverfahrens gegen Google offenbar nicht mit unmittelbar negativen Auswirkungen auf den Internetkonzern. Der Aktienkurs der Google-Muttergesellschaft Alphabet schloss am Dienstag an der Nasdaq mit einem Plus von 1,4 %, nachdem das US-Justizministerium zusammen mit elf amerikanischen Bundesstaaten eine Kartellklage eingereicht hatte. Am Mittwoch tendierte der Alphabet-Aktienkurs im frühen Handel mit einem Aufschlag von mehr als 2 % erneut kräftig im Plus. Seit Anfang des Jahres ist der Kurs damit um rund 19 % gestiegen. Analyst Mark Smulik vom Wertpapierhaus Sanford Bernstein bezeichnete das Risiko der Klage für Google als “begrenzt”. Das Justizministerium wirft Google Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung bei der Online-Suche vor. Google garantiere mit Milliardenzahlungen an Smartphone-Hersteller wie Apple, dass Google die voreingestellte Internet-Suchmaschine auf den Handys ist. Nutzer ändern diese Standards in der Regel nicht. Allein die jährlichen Google-Zahlungen an Apple machten bis zu ein Fünftel des Jahresgewinns des iPhone-Herstellers aus – was rund 11 Mrd. Dollar entsprechen würde.Auf Google entfallen in den USA nach Regierungsangaben 80 % aller Suchanfragen im Internet. Der Konzern macht Geld mit Werbung, die auf seinen Webseiten geschaltet ist. Auch im Werbegeschäft soll sich Google wettbewerbswidrig verhalten haben. Google wies die Vorwürfe als “ausgesprochen fehlerhaft” zurück. Verbraucher nutzten Google aus freien Stücken, nicht aus Mangel an Alternativen. Google verteidigt sich damit, dass die Dienstleistungen kostenlos sind. Kartellbehörden hatten sich traditionell auf Unternehmen konzentriert, die Verbraucher über Preisabsprachen schädigten. Parallelen zu MicrosoftBernstein-Analyst Smulik zog Parallelen zum Kartellverfahren gegen Microsoft Ende der neunziger Jahre und kalkuliert mit einem langwierigen Rechtsstreit. “Die Kartellklage gegen Microsoft dauerte bis zum letztendlichen Vergleich zweieinhalb Jahre”, sagte Smulik. Das US-Justizministerium hatte Microsoft damals vorgeworfen, ihre monopolartige Stellung beim Betriebssystem Windows zu missbrauchen. Ein Richter verfügte im Jahr 2000 die Zerschlagung von Microsoft. Das Urteil wurde aber von einem Berufungsgericht aufgehoben.In Washington wurde die sich seit geraumer Zeit abzeichnende Klage mit Superlativen bedacht. “Die Klage ist das wichtigste Kartellverfahren einer ganzen Generation”, sagte der republikanische Senator Josh Hawley. Hawley hat sich einen Namen als Kritiker der großen Techfirmen gemacht und Gesetzesentwürfe zu Themen wie Online-Datenschutz für Minderjährige eingereicht. Republikaner werfen Google & Co. auch vor, mit Algorithmen für Suchfunktionen oder Nachrichten konservative Positionen zu unterdrücken. Die Kritik an Google ist aber parteiübergreifend. “Die Durchsetzung des Kartellrechts war lange überfällig”, sagte der demokratische Abgeordnete David Cicilline, der den Unterausschuss für Kartellfragen leitet. Der Ausschuss hatte Ende Juli die Chefs von Alphabet und anderen führenden Tech-Unternehmen zu einer virtuellen Anhörung geladen und ebenfalls wettbewerbswidriges Verhalten moniert. – Leitartikel Seite 6