Warum will Bayer nicht auf den Kapitalmarkt hören?
Bayer-Vorstandschef Werner Baumann wird nicht müde, die Attraktionen des inzwischen 66 Mrd. Dollar teuren Fusionsvorhabens mit Monsanto vorzustellen: Drei Jahre nach dem für Ende 2017 geplanten Vollzug soll durch Synergien von 1,5 Mrd. Dollar und Agro-One-Stop-Shopping ein Anstieg des Ergebnisses pro Aktie von über 10 % erreicht werden. Und dann: Ein erwarteter Anstieg der Weltbevölkerung um 3 Milliarden Menschen bis 2050 soll erhebliches Wachstumspotenzial mit “Weltrettungscharakter” bergen. Auch hätte Bayer eine besondere Fähigkeit, auch große Übernahmen geräuschlos zu integrieren. Als nächsten Schritt sollen die Monsanto-Aktionäre am 13. Dezember auf einer außerordentlichen Hauptversammlung den Mega-Deal absegnen. Deren Zustimmung ist angesichts des so hoch über dem aktuellen Monsanto-Kurs liegenden Angebotspreises quasi garantiert. Monsanto mit AbschlagUnd obwohl das alles vielversprechend erscheint, reagiert der Kapitalmarkt konträr: Er ignoriert die Attraktionen und zweifelt daran, dass die Übernahme zustande kommt. Die vollfinanzierte Offerte mit einem vereinbarten Preis von 128 Dollar liegt fast 25 % über dem aktuellen Monsanto-Börsenkurs. Neben der massiven Verlagerung der Konzernstrategie auf den Agro-Bereich werden als Negativpunkte genannt: die für die Entscheidung der Kartellbehörden aus 30 Ländern problematisch hohe Agro-Marktmacht von Bayer/Monsanto, der mit dem 18-fachen Ebitda hohe Kaufpreis und die im Monsanto-Heimatmarkt bereits hohe Abdeckung mit genveränderten Produkten.Die erwarteten Synergien werden zu optimistisch gesehen, auch weil Bayer den eigenen wie auch den Monsanto-Mitarbeitern zusichert, dass weder in Deutschland noch in USA Entlassungen oder Niederlassungsschließungen bevorstehen. Die bilanzielle Belastung (die Bayer-Nettoverschuldung steigt auf viermal Ebitda) mindere den Spielraum für Forschung und Entwicklung bei Pharma, den die im Branchenvergleich wenig vielversprechende Pharma-Pipeline aber bald erfordern dürfte. Die zitierte Zunahme der Weltbevölkerung um 3 Milliarden Menschen würde auch im deutlich margenträchtigeren Pharma-Bereich erhebliches Wachstumspotenzial bieten. Und ob sich das Monsanto-Image schon durch Aufgeben des Namens kurzfristig verbessern ließe, erscheint vielen doch etwas kurz gesprungen.Die schon seit 2015 erhebliche Minusperformance der Bayer-Aktie (um 13 % relativ zum Dax30) hat sich seit der Deal-Ankündigung am 11. Mai fortgesetzt: Bayer minus 12 %, dagegen der Dax 30 plus 7 %, Bayers wichtige Wettbewerber plus 13 %. Mehr als die Hälfte der 30 Researchhäuser hat die Bayer Aktie auf “hold” gesetzt (was bekanntlich eher ein “don’t buy” ist); das den Deal teuer beratende Haus Morgan Stanley rät sogar zum “underweight”. Große institutionelle Investoren sehen die Übernahme skeptisch, die Kritik in der breiten Öffentlichkeit und der NGOs ist ungebrochen. Das erklärt der Bayer-CEO damit, dass europäische Investoren nur wenig Erfahrung im Agro-Bereich besäßen und der Deal allenfalls in Deutschland und Frankreich umstritten sei. Mega-Fusionen kritischSchließlich die Integrationsfrage: Mega-Fusionen mit amerikanischen Unternehmen sind angesichts der unterschiedlichen Unternehmenskulturen nur selten glücklich verlaufen. Bayer hat zwar in der Vergangenheit andere Akquisitionen geräuschlos integriert, jedoch wurden die Ertragsziele in wichtigen Fällen kaum erreicht. Dies hat sich bei der 16 Mrd. Euro teuren Schering-Akquisition angesichts der nicht nachhaltigen Qualität der Produktpalette gezeigt und sich jüngst bei der Akquisition der Consumer-Products-Sparte von Merck USA bestätigt.Dennoch scheint die Bayer-Verwaltung unbeeindruckt, was auch durch die kürzliche Begebung einer 4-Mrd.-Euro-Pflichtwandelanleihe zur Teildarstellung der für die Fusion erforderlichen 19 Mrd. Euro Eigenmittel deutlich wurde. Aber auch hier zeigte sich der Kapitalmarkt reserviert, da trotz generell guter Börsenstimmung die Emission (mit einem Kupon von immerhin 5,625 %) nur am unteren Ende der zunächst vorgegebenen Konditionen platziert werden konnte.Dass zumindest große Teile des Kapitalmarktes die so intensive strategische Veränderung des Konzerns skeptisch sehen, konnte der Aufsichtsrat in der kurzen Prüfspanne zwischen Amtsantritt des neuen CEO am 1. Mai und Abgabe einer schriftlichen Offerte am 10. Mai 2016 wohl nicht antizipieren. Wenn sich aber vier Monate später eine Ablehnung der Eigentümer-Aktionäre so deutlich zeigt, müssten dann die sie repräsentierenden Anteilseigner-Aufsichtsräte nicht zumindest innehalten? Das scheint vor der endgültigen Angebotsabgabe zu 128 Dollar kaum erfolgt zu sein, denn trotz dieser klaren Zeichen intensiver Nichtakzeptanz wurde Monsanto eine Break-up Fee von 2 Mrd. Dollar (und damit ein Drittel des für 2016 erwarteten Bayer-Vorsteuerergebnisses) konzediert. Wiewohl eine solche Gebühr für das Nichtzustandekommen durchaus marktüblich ist, sollte die Entscheidung hierüber doch von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit des Gelingens begleitet werden. Plazet der EigentümerWären Anteilseignervertreter und Vorstand angesichts der nach sechs Monaten heftigen, aber bisher wenig erfolgreichen Bemühungen um Begeisterung der Aktionäre nicht gut beraten, wenn sie von ihren Eigentümern ein ausdrückliches Plazet für die massiv strukturverändernde Transaktion bekämen? Nicht nur wer auf die Entlastung durch die “Business Judgement Rule” setzen möchte, sollte dies tun, da immerhin fast 90 % des eigenen Börsenwertes für den Schritt in die “Neue Welt” gewagt werden.—-Christian Strenger, Corporate-Governance-Experte