IM GESPRÄCH: ROLF ELGETI

"Was am schicksten aussieht, ist am gefährlichsten"

Der Immobilieninvestor zu Marktlage, Reits und Expansionsstrategie - Defensive Segmente könnten stärker gefragt sein

"Was am schicksten aussieht, ist am gefährlichsten"

Die Corona-Pandemie hat den langen Boom des Gewerbeimmobilienmarkts in Deutschland beendet. Doch nicht alle Segmente sind gleichermaßen betroffen. Der Investor und Immobilienmanager Rolf Elgeti ist überzeugt, dass Fachmarktzentren und Logistikhallen gut durch die Krise kommen werden.Von Helmut Kipp, FrankfurtAuf dem Büroimmobilienmarkt ist nach Einschätzung des Immobilieninvestors Rolf Elgeti flächendeckend mit Mieteinbußen zu rechnen. “Das war meine Meinung schon vor Corona”, betont er im Gespräch der Börsen-Zeitung. “Jetzt gilt das erst recht.” Für das nächste und das übernächste Jahr zeichne sich eine deutliche Angebotsausweitung ab, welche die Nachfrage nicht mehr auffangen könne. Vor allem das obere Ende gerate durch Neubau-Konkurrenz unter Druck: “Was am schicksten aussieht, ist jetzt am gefährlichsten.” Aus 40 Euro Miete könnten ganz schnell 32 Euro werden. Das untere Segment und B-Lagen seien weniger gefährdet, das sei ein ganz anderer Markt: “Aus 8 Euro Miete werden nicht so schnell 6 Euro.” Konjunkturrisiko trifft BürosDen Wohnungssektor hält der frühere Vorstands- und heutige Aufsichtsratsvorsitzende des Wohnimmobilienkonzerns TAG, der mit dem Konkurrenten LEG über eine Fusion per Aktientausch verhandelt, für stabil. Die verstärkte Regulierung bremse das Mietwachstum zwar, aber mit sinkenden Mieten sei aufgrund des immer noch bestehenden Nachfrageüberhangs nicht zu rechnen. Daher drohten, anders als in Teilen des Einzelhandels- und des Büromarkts, auch keine Abwertungen in den Bilanzen. Die Krise könne sogar dazu führen, dass defensive Immobilienklassen stärker nachgefragt würden. Neben Wohnungen gehörten Fachmarktzentren und Lagerhallen dazu. Die konjunkturellen Risiken träfen vor allem den Bürosektor: “Wer Leute entlassen muss, braucht weniger Fläche.” Zudem stelle sich die Frage, wer teure Flächen überhaupt noch bezahlen könne. “Ich bin ein Reits-Fan”Am Aktienmarkt ist Elgeti mit den beiden Reits (Real Estate Investment Trust) Deutsche Konsum und Deutsche Industrie vertreten. Bei beiden Unternehmen agiert er als Vorstandschef und Großaktionär. Seine Obotritia Capital hält 27,8 % an Deutsche Konsum Reit-AG und 32 % an Deutsche Industrie Reit-AG. Die Unternehmen bringen an der Börse jeweils etwa 570 Mill. Euro auf die Waage.Deutsche Konsum ist auf Einzelhandelsimmobilien für Waren des täglichen Bedarfs ausgerichtet, zum Beispiel Lebensmittelmärkte, Drogerien und Baumärkte. Deutsche Industrie, die Ende März auf ein Immobilienportfolio von 479 Mill. Euro kam, investiert in Unternehmensimmobilien und setzt auf den Trend Logistik. Ihr Portfolio sei anfälliger für Konjunkturabschwünge und Kreditrisiken als das der auf Stabilität ausgelegten Deutsche Konsum, räumt der 1976 geborene Manager ein. Dem stehe aber ein großes Mietwachstumspotenzial gegenüber: “Im Durchschnitt liegt die Miete nur bei gut 3 Euro je Quadratmeter. Bei Neuverträgen kommen wir auf 5 Euro und mehr.”Die Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr haben beide Unternehmen bestätigt. Deutsche Konsum rechnet mit einem operativen Ergebnis (Funds from Operations) von 34 Mill. bis 36 Mill. Euro, Deutsche Industrie mit 23 Mill. bis 25 Mill. Euro.An der Reit-Struktur will Elgeti auf jeden Fall festhalten: “Ich bin ein Reits-Fan.” Zwar sei diese Form an manchen Stellen ein enges Korsett, “aber die allermeisten Beschränkungen beziehen sich auf Dinge, die ich sowieso nicht machen würde”. Reits hätten massive Vorteile, nicht nur die Steuerfreiheit auf Unternehmensebene, sondern auch die hohe Transparenz und die internationale Akzeptanz. Der Nachteil, dass sie keine anderen Körperschaften kaufen dürfen, verliert nach seiner Einschätzung an Bedeutung, weil die Share-Deals, die der Vermeidung von Grunderwerbsteuer dienen, zunehmend verpönt seien.Dass in Deutschland seit der Zulassung im Jahr 2007 nur wenige Reits entstanden sind, führt Elgeti darauf zurück, dass Wohnimmobilien ausgenommen sind. Zudem sei die Steuerfreiheit in den Anfangsjahren wenig relevant gewesen, weil viele Immobiliengesellschaften aufgrund von Verlustvorträgen ohnehin kaum Steuern gezahlt hätten oder das Geschäftsmodell wenig profitabel gewesen sei. Heute sei dieser Punkt ein echtes Plus: “Wenn Gewerbeimmobilien-AGs noch einmal vorn anfangen könnten, würden viele die Reit-Form wählen.” Die nachträgliche Umwandlung sei jedoch unattraktiv. Denn es fielen hohe Einmalsteuern an, die prohibitiv wirkten.Ein stärkeres Engagement im Büromarkt sei nicht geplant, betont der frühere Analyst, der bei UBS Warburg, Commerzbank und als Aktien-Chefstratege für ABN Amro arbeitete: “Unsere beiden Reits sollen reinrassig bleiben.” Die Idee, auch einen Büro-Reit aufzulegen, hat Elgeti geprüft, aber verworfen. Begründung: Fonds kaufen große Büroimmobilien selbst, nicht aber einzelne Supermärkte und schon gar nicht einzelne Lagerhallen. Der Mehrwert durch Bündelung von Bürogebäuden in einem Portfolio sei daher geringer – was die Attraktivität eines Büro-Reits für Aktienanleger schmälert. Kapitalerhöhung platziertDeutsche Konsum, die laut Elgeti bei geringem Risiko eine zweistellige Cash-flow-Rendite auf das Eigenkapital erzielt, hat sich gerade 51 Mill. Euro Eigenkapital durch den Verkauf neuer Aktien beschafft. Die Einnahmen sollen in den Erwerb weiterer Immobilien fließen. Derzeit verhandelt das Management über den Ankauf von Objekten im Wert von gut 100 Mill. Euro, was etwa dem Elffachen der derzeitigen Nettojahresmiete entspreche. Dabei hat das Unternehmen in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2019/20 bereits für 170 Mill. Euro zugekauft. Drei Viertel der Pipeline entfallen auf Lebensmittelgeschäfte. Im Bestand liegt der Anteil bei der Hälfte.Wie groß das Portfolio in zwei bis drei Jahren sein wird (per 31. März 2020 waren es 703 Mill. Euro), lasse sich nur schwer abschätzen, meint Elegti. “Bei Akquisitionen verfolgen wir einen Bottom-up-Ansatz. Wir kaufen kein Portfolio, sondern prüfen jedes Objekt individuell. Das Gesamtvolumen ergibt sich dann.” Folglich könne sich das Erwerbstempo jederzeit beschleunigen oder verlangsamen. Bei der Auswahl der Objekte sei die Mikrolage entscheidend: “Uns ist egal, in welcher Stadt wir sind. Es kommt darauf an, ob die Lage ein attraktives Einzugsgebiet hat.”Die Corona-Pandemie belastet Deutsche Konsum bisher wenig. Zwar wurden infolge der Geschäftsschließungen knapp 30 % der April-Mieten gestundet, doch die Mai-Miete ist laut Elgeti fast vollständig wieder geflossen. Er geht davon aus, dass 75 bis 80 % der gestundeten April-Beträge noch hereinkommen werden. “Bei kleinen Läden werden wir kulant sein. Es gibt aber auch Geschäfte, die gar nicht geschlossen waren und dennoch die Miete einbehalten haben. Da haben wir rechtlich und ethisch eine ganz andere Verhandlungsbasis.” Zurück auf NormalniveauInzwischen seien fast alle Geschäfte mehr oder weniger zurück auf Normalniveau. “Daher wird es künftig nur noch wenige Stundungen geben”, ist Elgeti überzeugt. Bei Deutsche Industrie wurden bisher Stundungen im Volumen von 1,6 Mill. Euro ausgesprochen, was 3,2 % der annualisierten Mietzahlungen entspricht.