Was hinter dem EU-Gesetz für digitale Dienste steckt
Was hinter dem EU-Gesetz für digitale Dienste steckt
Facebook, Google und Co. müssen Nutzer ab sofort besser schützen – Höhere Strafen als bei Datenschutzgrundverordnung möglich
Ab sofort müssen Facebook, Google und andere große Online-Plattformen und Suchmaschinen ihre Nutzer besser vor Hass, Hetze und personalisierter Werbung schützen. Ansonsten drohen höhere Strafen als bei der Datenschutzgrundverordnung. Nach einer viermonatigen Übergangsphase wird es nun ernst.
rec Brüssel
Die viermonatige Galgenfrist ist abgelaufen: Ab diesem Freitag müssen Facebook, Google und andere große Online-Plattformen in der Europäischen Union ein neues EU-Gesetz für digitale Märkte umsetzen. Bei Verstößen müssen sie auf empfindliche Geldstrafen gefasst sein. Fünf Jahre nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) treten mit dem Digital Services Act (DSA) neue Formen von Sorgfaltspflichten für eine Reihe von Digitalunternehmen in Kraft. Was dahintersteckt:
- Um welche Unternehmen geht es?
In der ersten Phase ab 25. August sind die größten Online-Plattformen und Suchmaschinen betroffen. Gemäß Definition der EU-Kommission sind das Anbieter mit mehr als 45 Millionen Nutzern monatlich in der EU: 19 an der Zahl. Darunter sind die führenden Social-Media-Webseiten Instagram, Facebook, X (früher Twitter) und Tiktok sowie mehrere Dienste von Google. Aber auch das Lexikon Wikipedia und führende Marktplätze wie Amazon, Booking.com, Apples App-Store und Zalando. In der zweiten Phase ab Februar 2024 greifen die Regeln auch für kleinere Digitalunternehmen.
- Was haben sie zu tun?
Kurz zusammengefasst: Sie müssen strengere Maßstäbe an die Inhalte auf ihren Plattformen anlegen und personalisierte Werbung einhegen. Die EU-Gesetzgeber verfolgen damit mehrere Anliegen: Sie wollen gegen Hassrede, Desinformation und Propaganda vorgehen. Die Plattformen müssen deshalb illegale oder schädliche Inhalte konsequenter löschen und gefälschte oder gefährliche Produkte entfernen. Außerdem darf Online-Werbung nicht mehr auf religiöser Orientierung, Geschlecht oder sexueller Orientierung basieren. Das soll vor allem Minderjährige schützen.
Amazon und Zalando klagen
- Was passiert bei Verstößen?
Sollten die Unternehmen die Vorschriften nicht einhalten, drohen saftige Bußgelder. Bei wiederholten Verstößen können Behörden Strafen bis zu 6% des weltweiten Jahresumsatzes verhängen. Es drohen somit potenziell höhere Strafen als bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Hier liegt das Maximum bei 4% des Jahresumsatzes. Auf Basis der seit fünf Jahren geltenden DSGVO haben Datenschutzbehörden Hunderte Bußgelder verhängt. Spitzenreiter Meta musste in Summe mehr als 2 Mrd. Euro blechen (siehe Grafik).
- Wie reagieren die Unternehmen?
Unterschiedlich. Meta-Chef Nick Clegg zeigt sich aufgeschlossen: Der DSA sorge für mehr Klarheit zur Rolle und Verantwortung von Online-Plattformen. In einem Blog-Eintrag lobt Clegg den Ansatz, „große Plattformen wie unsere durch Dinge wie Berichterstattung und Prüfung zur Verantwortung zu ziehen, anstatt zu versuchen, einzelne Inhalte im Detail zu kontrollieren.“ Entscheidend sei nun, die zentralen EU-Vorgaben überall einheitlich umzusetzen.
Meta und der chinesische Rivale Tiktok setzen nach eigenen Angaben rund 1.000 Mitarbeiter dafür ein, den DSA korrekt anzuwenden. Google gelobt mehr Transparenz in seinen Richtlinien und zusätzliche Informationen über die Ansprache einzelner Zielgruppen bei Werbeanzeigen. Beamte der EU-Kommission haben nach Angaben der Behörde in der viermonatigen Übergangsphase die Umsetzung mit einigen Konzernen erprobt.
Amazon und Zalando wollen sich dagegen nicht mit den neuen Vorgaben abfinden. Sie sehen sich nicht als „sehr große Online-Plattformen“ im Sinne des Gesetzes und finden es verkehrt, die Regeln für digitale Dienste auf sie als Marktplätze anzuwenden. Amazon und Zalando haben deshalb geklagt – Ausgang offen. In der zweiten Phase ab Februar 2024 könnten weitere Klagen folgen.
- Was sagen Verbraucherschützer?
Für Monique Goyens, Generalsekretärin des europäischen Verbraucherschutzverbands BEUC, haben Online-Plattformen bislang illegale Aktivitäten ignoriert, ihren Nutzern keine angemessenen Auswahlmöglichkeiten bei Empfehlungssystemen gegeben und sie unzureichend geschützt. Deshalb hält Goyens das Gesetz für unentbehrlich. Für die Klagen von Amazon und Zalando hat sie kein Verständnis. Ramona Pop, Vorständin der deutschen Verbraucherschutzzentrale vzbv, mahnt mit Blick auf die kürzlich vorgeschlagene Umsetzung des Gesetzes durch die Bundesregierung: „Es darf kein Behörden-Pingpong auf der Suche nach dem richtigen Ansprechpartner geben“.
- Und die EU-Kommission?
„Sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen hatten genug Zeit, um sich an ihre neuen Verpflichtungen anzupassen“, sagt EU-Industriekommissar Thierry Breton „Wir haben ,Stresstests‘ angeboten, um ihnen zu helfen, ihre Anforderungen zu verstehen. Der eigentliche Test beginnt jetzt.“