Wasserknappheit macht Investitionen erforderlich
Von Andreas Hippin, LondonIn Teilen Englands wird in den kommenden 20 Jahren das Wasser knapp, wenn nicht schnell etwas unternommen wird. Zu diesem Ergebnis kommt der Rechnungsprüfungsausschuss des britischen Unterhauses, der in einem Bericht zum Zustand der Wasserversorgung die Regulierung als “zu schwerfällig” kritisiert und dem zuständigen Umweltministerium einen “Mangel an Führungskraft” unterstellt. In England und Wales werden demnach 14 Mrd. Liter Wasser täglich verbraucht. Ein Fünftel davon versickert wegen löchriger Leitungen ungenutzt im Boden. Der trockene Mai führte in diesem Jahr in Verbindung mit den Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie zu einer um ein Fünftel höheren Nachfrage. Affinity Water, die den Nordwesten Londons versorgt, warnte ihre Kunden vor drei Wochen vor abfallendem Wasserdruck und einem möglichen Ausfall der Versorgung.Die angespannte Situation ist jedoch nicht unbedingt dem Renditehunger privater Investoren anzulasten. Dass Londons Versorger Thames Water bei den Wasserverlusten durch marode Leitungen ganz vorne liegt (siehe Grafik), geht auch darauf zurück, dass man in der britischen Metropole einst die Nase ganz vorn hatte. Ihr Abwassersystem gehörte zu den größten und wichtigsten städtebaulichen Projekten des 19. Jahrhunderts. Es war das modernste der Welt. Zwar belasteten immer wieder Streiks das Budget, doch hatte Chefingenieur Joseph Bazalgette ausreichend Spielraum, um vorausschauend planen zu können. Was er damals errichten ließ, ist auch nach 150 Jahren noch der wichtigste Bestandteil des Kanalnetzes. Es ist wie bei Londons Underground, der ältesten U-Bahn der Welt. Weder der öffentliche Personenverkehr noch die Abwasserentsorgung können stillgelegt werden, um die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Beide arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Thatchers ErbeDie Wasserversorger wurden 1989 im dritten Anlauf von der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher privatisiert. Der Abverkauf wird von ihren Gegnern seitdem für sämtliche Missstände in der Wasserversorgung verantwortlich gemacht. Labour trat bei den Wahlen 2019 mit der Forderung nach Renationalisierung an. Die Wasserqualität entspricht jedoch zu 99,95 % den Standards. Und die Kundenzufriedenheit liegt dem Branchenverband zufolge bei der Wasserversorgung bei 90 % und bei der Abwasserentsorgung bei 85 %. Zudem ist die Branche in hohem Maße reguliert. Wer operative und finanzielle Ziele verfehlt, wird abgestraft.”Nach einer Reihe von Kennzahlen hat sich die Qualität der Wasserinfrastruktur in Großbritannien seit der Privatisierung vor etwas mehr als 30 Jahren wesentlich verbessert”, sagt Emma Haight-Cheng, Partner bei AMP Capital. “Investitionen in die Verbesserung der Infrastruktur und deren Wachstum können der regulierten Kapitalbasis hinzugefügt werden, von der die erzielbare Rendite vorgegeben wird. Das liefert einen starken Anreiz für die Wasserversorger und ihre Eigentümer, langfristig zu investieren.” Worum geht es den Investoren solcher Infrastrukturunternehmen? Anleger, die Verbindlichkeiten zu bedienen haben, sind auf regelmäßige und berechenbare Einnahmen angewiesen. In diese Kategorie fallen nicht nur Pensionskassen, sondern auch Finanzinvestoren. “Wesentliche Investitionen sind nötig, um veraltete Infrastruktur zu ersetzen, einer wachsenden Bevölkerung Rechnung zu tragen und Veränderungen wie den Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu erleichtern”, sagt Hamish De Run, Head of Infrastructure bei Hermes GPE. Es gebe zwar Druck auf die Branche, den Verbrauchern niedrigere Rechnungen auszustellen, doch sei der Sektor aufgrund des stabilen regulatorischen Rahmens und des erheblichen Investitionsbedarfs attraktiv. Tim Marshall, Fondsmanager bei Invesco, setzt auf börsennotierte Wasserversorger. “Sie sind die am besten geführten Unternehmen der Branche”, sagt Marshall. “Sie erwirtschaften zugleich die höchste Rendite.” Die Regulierung liefere den weniger gut geführten Unternehmen Anreize, zu diesen Firmen aufzuschließen, indem sie Bedingungen vorgibt, unter denen sie mehr als die festgeschriebene Grundrendite erwirtschaften dürfen. Marshalls Team hält alle drei Gesellschaften: Pennon, Severn Trent und United Utilities. Pennon erwirtschaftete im abgelaufenen Jahr eine Rendite von 11,8 % auf das regulierte Kapital. Die Gesellschaft, die ihr Müllgeschäft Viridor für 4,2 Mrd. Pfund an KKR verkaufte, erhöhte ihre Dividende um 6,6 % und stellte den Aktionären für die kommenden fünf Jahre ein jährliches Wachstum von 2 % über der Teuerungsrate in Aussicht.Einer der Gründe für die Privatisierung war, dass die öffentliche Neuverschuldung gebremst werden musste, um die Inflation im Zaum zu halten. Die Anlagen konnten kaum noch instand gehalten werden. Hinzu kamen Kosten für die Erfüllung von EU-Vorgaben zu Wasserqualität und Umweltschutz. Private Investoren können in solchen Fällen dringend benötigte Mittel einschießen – Voraussetzung ist, dass die Regulierung funktioniert. Der Weckruf des Rechnungsprüfungsausschusses kam zur rechten Zeit.