67. INTERNATIONALE AUTOMOBIL-AUSSTELLUNG

Weckruf von Apple und Google

Gartner: Ambitionen der US-Technologieriesen treiben Wandel in der Automobilindustrie

Weckruf von Apple und Google

Von Heidi Rohde, FrankfurtDer Vorstoß von US-Technologieriesen wie Apple und Google in die Technik des Autos und der Siegeszug des Elektroautoherstellers Tesla haben die im Premiumsegment von deutschen Großkonzernen dominierte Branche wachgerüttelt. Denn die großen Mobilfunk-Plattformen haben heute schon ihren festen Platz in zahlreichen Fahrzeugen; das Smartphone steuert vielfach zentrale Services wie Internet-Vernetzung, Navigation, lokale Dienste, Entertainment und dergleichen, mit denen sich insbesondere hochwertige Modelle beim Kunden inzwischen stärker differenzieren als etwa durch die Motorisierung. Und damit sind die Ambitionen der US-Unternehmen keineswegs beendet. Gerüchte um TeslaMike Ramsey, Research Director des IT-Forschungsspezialisten Gartner, traut insbesondere Apple den Sprung zum Automobilhersteller zu, falls sich die zum iPhone-Konzern mutierte Kultfirma zum Kauf eines auf Zukunftstechnologien ausgerichteten Unternehmens aus dem Automobilsektor entschließen sollte. Dabei sei die in der Gerüchteküche seit längerem hochgekochte mögliche Übernahme von Tesla keineswegs die einzige “und auch keine wahrscheinliche” Option für Apple – auch wenn es am Geld nicht scheitern würde. Die mit über 250 Mrd. Dollar gefüllte Kasse würde auch einen Kauf des mit 56 Mrd. Dollar bewerteten “Start-ups” von Elon Musk erlauben. Jedoch könnte Apple den Einsatz wesentlich minimieren und ein echtes Start-up im “fortgeschrittenen Stadium” wie etwa die Firma Zoox kaufen, ein junges Unternehmen, das auf das autonome Taxi setzt und für den Elektronikkonzern ein Fundament an Know-how und Technologie mitbringen würde. KlumpenrisikoExperten sind sich einig, dass Apple gut daran täte, die Abhängigkeit vom iPhone, die sich zu einem Klumpenrisiko auswächst, zu durchbrechen. Jedoch ist das Zögern des Apple-Managements aus der Sicht von Ramsey verständlich. Die Komplexität, die Kapitalbindung, der Aufwand an Forschung und Entwicklung, die unausweichliche Verwässerung der Marge, das alles sind hohe Hürden, die die etablierten Automobilkonzerne vor den ambitionierten Newcomern aus dem Silicon Valley schützen. “Ein Auto ist eben doch um vieles komplexer als ein Smartphone”, so Ramsey. Hinzu kommt ein hoher Vertrauensvorschuss, den zumindest die deutschen Hersteller hierzulande laut einer Studie von EY genießen. Bei der Zukunftstechnologie des autonomen Fahrens ist der Glaube an deren Ingenieurskunst ungebrochen. Kein RuhekissenAllerdings dürfen sich die Unternehmen darauf nicht ausruhen. Denn mit Google dringt ein weiterer US-Riese mit tiefen Taschen und innovativem Track Record in dieses Segment vor. Der Internet-Konzern hat seine “Auto-Aktivitäten” kürzlich im Rahmen des Umbaus der Alphabet Holding als eigenständige Einheit ausgegliedert und treibt die Projekte rund um das autonome Fahren, wo Software und Sensorik im Mittelpunkt stehen, mit Hochdruck voran. Angesichts einer nicht minder prall gefüllten Kasse schreckt Google bei ihren als “bets” (Wetten) bezeichneten Geschäftsfeldern regelmäßig nicht vor großen Summen zurück. Partnerschaft empfohlenDie Vorstellung, dass es in der Automobilbranche zu einer ähnlich dramatischen Wachablösung kommen könnte wie vor Jahren in der Mobilfunkindustrie, als jahrzehntelange Marktführer wie Nokia und Motorola oder dann auch Blackberry schlicht hinweggefegt wurden, erscheint gleichwohl abwegig. Die Automobilhersteller sollten sich jedoch für Partnerschaften öffnen, um System- und Softwarekompetenzen hinzuzugewinnen. Dies zumal die Konzerne bereits hohe Entwicklungskosten für auch politisch forcierte E-Mobilität schultern müssen. Metzler Capital Markets rechnet von 2019 an mit einer Welle neuer Modellreihen von E-Autos und wachsender Konkurrenz in diesem Segment. Während der Verbrennungsmotor bisher das Herzstück jedes Fahrzeugs sei und die Automobilfirmen hier über ihre ureigene Kernkompetenz verfügen, sei insbesondere die eigene Expertise in Batterietechnologie äußerst schwach. Tesla zeigt hier die Rücklichter. Wenig überraschend sind die Bewertungen der US-Technologiegiganten denen der Automobilfirmen davongeeilt.Ramsey geht davon aus, dass die Automobilbranche sich als Ganzes stärker differenzieren wird. Dabei dürften die Premiumproduzenten andere Wege beschreiten als die preisgünstigeren Volumenhersteller. Letztere könnten Anbieter von einfachen Mobilitätsdiensten werden, Services, bei denen der Kunden keinen Wert auf ein bestimmtes Fahrzeug oder eine bestimmte Ausstattung legt, bei denen die Fahrzeuge austauschbar, allenfalls nach Größenklassen unterschieden sind. Daimler-Spin-off denkbarDagegen dürften sich die Premiumhersteller weiterhin über das Produkt Auto differenzieren und dabei konnektivitätsbezogene Merkmale sowie Entertainment-Features und Ähnliches hervorheben. Bei einem Konzern wie Daimler, der bereits sehr viel in seine Mobility Services investiert hat, sei ein Spin-off dieses Geschäfts nicht ausgeschlossen, um dessen Wert eines Tages zu heben.