Weitreichenderer Schadenersatz in EU-Kartellfällen
op Luxemburg – Beteiligte an einem Kartell, das gegen das Wettbewerbsrecht der EU verstößt, müssen Schadenersatz auch an Betroffene leisten, die nicht auf dem vom Kartell betroffenen Markt als Anbieter oder Nachfrager tätig sind. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in seinem gestrigen Urteil (Rechtssache C-435/18) entgegen der Rechtsauffassung der EU-Kommission entschieden. Er folgte damit dem Vorschlag seiner Generalanwältin, die sich im Juli dafür ausgesprochen hatte, dass jeder Schaden ersatzfähig ist, der mit den Verletzungen des Wettbewerbsrechts in einem ursächlichen Zusammenhang steht.Der EuGH hatte auf Anfrage des österreichischen Obersten Gerichtshofs zu entscheiden, ob auch jene Personen von Kartellanten den Ersatz von Schäden verlangen können, die nicht auf dem von einem Kartell betroffenen sachlich und räumlich relevanten Markt als Anbieter oder Nachfrager tätig sind. Der Oberste Gerichtshof wollte diese Frage verneinen, war als letztinstanzliches Gericht allerdings verpflichtet, sie dem EuGH vorzulegen.Im zugrunde liegenden Rechtsstreit klagte das Land Oberösterreich gegen die Unternehmen eines Aufzugskartells, in dessen Rahmen große europäische Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen – namentlich Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp – über lange Jahre wettbewerbswidrige Absprachen getroffen hatten. Dieses Kartell wurde im Jahr 2003 von der Kommission aufgedeckt, und es wurden Geldbußen gegen die Teilnehmer verhängt. Auch in Österreich ging die Wettbewerbsbehörde gegen das Aufzugskartell vor. Die vom Kartellgericht verhängten Geldbußen wurden vom Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht bestätigt.Das Land Oberösterreich gewährte in dem vom Aufzugskartell betroffenen Zeitraum Darlehen zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus. Die Förderung richtete sich nach den Baukosten. Da diese Baukosten wegen der überhöhten Preise für Aufzüge höher waren, als dies ohne das Aufzugskartell der Fall gewesen wäre, wollte das Land Schadensersatz von den am Kartell beteiligten Aufzugherstellern. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, hatte in der Berufung allerdings Erfolg. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs sind nach nationalem Recht in Österreich Vermögensschäden von Personen, die weder als Anbieter noch als Nachfrager auf dem vom Kartell betroffenen Markt tätig sind, vom Ersatz ausgeschlossen.Dem widerspricht der EuGH in seinem Urteil unmissverständlich. Der wirksame Schutz vor den nachteiligen Folgen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Union würde in hohem Maß beeinträchtigt, wenn das Recht auf Ersatz der durch ein Kartell entstandenen Schäden von vornherein auf die Anbieter oder Nachfrager auf dem vom Kartell betroffenen Markt beschränkt wäre. Die Teilnehmer an einem Kartell seien aber verpflichtet, alle von ihnen möglicherweise verursachten Schäden zu ersetzen. Abschreckende WirkungWörtlich heißt es: “Das Recht eines jeden, Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen, erhöht (…) die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und ist geeignet, Unternehmen von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können; damit trägt es zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union bei.” Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat nun die Frage des Schadens für das Land Oberösterreich im Einzelnen zu klären. – Wertberichtigt Seite 8