PUSH-OUT SCORE

Welle coronabedingter CEO-Rauswürfe ebbt ab

Druck auf Chefs in den USA geht im Mai deutlich zurück - Verdrossener Exit bei Hertz - Brillanter Abtritt bei Fiserv - Erhabener Abgang bei Danaher

Welle coronabedingter CEO-Rauswürfe ebbt ab

Hertz, Fiserv und Danaher gehören zu den US-Konzernen, die im Mai einen Chefwechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass die Welle erzwungener CEO-Wechsel im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzuklingen scheint. ds Frankfurt – Im Mai ist der Druck auf CEOs in den USA von einem Zwölfmonatshoch auf ein Zwölfmonatstief abgestürzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsdienstleisters Exechange*, der 309 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen im marktbreiten US-Aktienindex Russell 3000 aus den vergangenen zwölf Monaten mit dem Analysemodell Push-out Score (siehe Kasten) bewertet hat.Der CEO Push-out Index, der monatlich berechnet wird und den durchschnittlichen Push-out Score für das Ausscheiden von CEOs in den USA widerspiegelt, fiel von 7,5 im April auf 5,2 im Mai (siehe Grafik). Im Mai wurde das Barometer durch viele offensichtlich erzwungene Fluktuationen und Führungswechsel mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge bei Immunomedics, Sterling Bancorp, Texas Capital Bancshares, GTT Communications, Biodelivery Sciences, Hertz und USA Technologies. Freiwillige Führungswechsel und Ereignisse mit niedrigen bis mittleren Push-out Scores hatten im Mai einen etwas geringeren Einfluss auf den Index, darunter die CEO-Wechsel bei Danaher, Fiserv, Aaon, Cornerstone und Belden. Krise gibt den AnstoßIm Mai scheint die Welle der erzwungenen CEO-Wechsel im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nachgelassen zu haben. Die Pandemie, die im März die Aktienkurse auf der ganzen Welt in den Keller stürzen ließ, hatte im April die unfreiwilligen CEO-Wechsel extrem in die Höhe getrieben. Die Daten deuten darauf hin, dass die Unternehmen im April, als die durch die Covid-19-Pandemie verursachte Unsicherheit ihren Höhepunkt erreicht hatte, die geplanten Abgänge erfahrener Chefs verzögerten und gleichzeitig jene CEO-Wechsel vornahmen, die als dringend notwendig erachtet wurden, um die Krise schnell zu überwinden. Möglicherweise haben die Unternehmen die Krise auch zum Anlass genommen, überfällige CEO-Wechsel zu beschleunigen.Mit einem Push-out Score von 6 liegt der CEO-Abgang bei Hertz in der oberen Hälfte der Skala und sieht verdrossen aus. Wie am 18. Mai angekündigt, hat Kathryn V. (Kathy) Marinello ihren Posten als CEO bei dem Autovermieter zum 16. Mai verlassen. Ihr Nachfolger ist Paul E. Stone, der zuletzt das Einzelhandelsgeschäft in Nordamerika für Hertz leitete. Viele Kriterien des Analysemodells deuten darauf hin, dass Marinello Druck verspürte, zu weichen.Die Ankündigungsfrist ist erschreckend. Der Wechsel wurde zwei Tage vor dem Ankündigungsdatum vollzogen. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Die Ankündigung folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses um 87 % seit Januar 2017. Punkt 2. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht vollständig transparent. Punkt 3. Chairman Henry R. Keizer erklärte lediglich: “Nach einem laufenden Nachfolgeplanungsprozess wählte der Board Paul zur Leitung des nächsten Kapitels von Hertz.” Paul Stone ist der vierte Hertz-CEO innerhalb von sechs Jahren. Die Umstände des Führungswechsels sind problematisch. Punkt 4. Der Chefwechsel kam, nachdem bereits Berichte kursiert waren, Hertz müsse sich möglicherweise bald schon in Gläubigerschutz flüchten. Hertz, an der der Aktivist Carl Icahn beteiligt ist, ist durch die Coronakrise in große Schwierigkeiten geraten, da die Menschen Reisen stornieren und zu Hause bleiben. Schwieriger AbschiedForm und Sprache der Ankündigung führen zu den Punkten 5 und 6. In der Ankündigung von Hertz aus Estero, Florida, erhält Marinello Anerkennung, Lob, Dank und gute Wünsche, aber kein Wort des Bedauerns. Marinello sagte: “Das Schwierigste am Rücktritt ist das Verlassen der fantastischen Mitarbeiter, die sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren meinen Respekt verdient haben.” Es klingt, als würde sie nur äußerst ungern gehen. Fazit: Ankündigungsfrist, Aktienkursentwicklung, offizieller Grund, Umstände, Form der Bekanntgabe und Sprache in der Mitteilung hissen sechs rote Fahnen. Nur Marinellos Alter von 63 Jahren, ihre hinreichend lange Amtszeit als CEO von drei Jahren und vier Monaten sowie die Nachfolgeregelung verhinderten, dass die Punktzahl höher stieg.Mit einem Push-out Score von 1 liegt der CEO-Abgang bei Fiserv nahe dem unteren Ende der Skala und erscheint brillant. Wie am 7. Mai angekündigt, verlässt Jeffery W. (Jeff) Yabuki zum 1. Juli seinen CEO-Posten bei dem Zahlungsdienstleister und übergibt an den bisherigen COO Frank Bisignano. Fast alles idealSein Schritt zeigt mit einer Ausnahme alle Kriterien für einen idealen Führungswechsel. Erstens ist Yabukis Alter von 60 Jahren angemessen, zweitens ist seine Amtszeit als CEO von 14 Jahren und sieben Monaten lang genug, und drittens ist die Aktienkursentwicklung stark. Seit Yabuki 2005 CEO wurde, erzielte Fiserv bis 2019 eine Gesamtrendite für die Aktionäre von 969 % und übertraf in den vergangenen 14 Jahren jeweils den S&P-500-Index. Viertens ist der Grund für den Führungswechsel nachvollziehbar. Yabuki erklärte: “Da die erfolgreiche Integration von First Data gut vorangekommen ist, ist dies der richtige Zeitpunkt für Frank, die nächste Phase der Unternehmensentwicklung zu leiten.” Frank Bisignano, der einst als möglicher Nachfolger von Jamie Dimon bei J.P. Morgan Chase & Co. gehandelt wurde, ist President, COO und Boardmitglied von Fiserv, seit das Unternehmen im Juli 2019 die Übernahme von First Data für 22 Mrd. Dollar abgeschlossen hat – ein Deal, der eine Welle von Fusionsaktivitäten bei Zahlungsverkehrsdienstleistern auslöste. Fünftens erscheinen die Fundamentaldaten des Unternehmens grundsolide. Fiserv schmückt die Mitteilung zum CEO-Wechsel zudem mit der Veröffentlichung starker Quartalszahlen. Beneidenswertes VermächtnisSechstens deutet der Nachfolgeplan auf einen geordneten Übergang hin. Yabuki wird für den Rest des Jahres als Executive Chairman den Wechsel begleiten. Siebtens ist die Form der Ankündigung kaum zu kritisieren. In der Mitteilung von Fiserv aus Brookfield, Wisconsin, erhält Yabuki Lob, Anerkennung und Dank. Achtens ist die Sprache in der Mitteilung das Sahnehäubchen. Denis O’Leary, Lead Director, sagte über Yabuki: “Zusätzlich zu 15 ununterbrochenen Jahren zweistelligen Gewinnwachstums hat er das Unternehmen strategisch für die Zukunft positioniert und einen hervorragenden Führungswechsel vollzogen; ein beneidenswertes Vermächtnis für jeden CEO.”Fazit: Alter, Amtszeit, Aktienkursentwicklung, offizielle Begründung, Umstände, Nachfolgeregelung, Form der Ankündigung und Sprache in der Meldung sind konsistent, sachgerecht und frei von roten Fahnen. Der Push-out Score beträgt 1, weil die Ankündigungsfrist von 55 Tagen etwas knapp ist. Nach den Regeln des Modells ist ein Zeichen allein jedoch nicht signifikant und kann ignoriert werden.Mit einem Push-out Score von 0 liegt der Abgang des CEOs von Danaher am unteren Ende der Skala und wirkt erhaben. Wie am 6. Mai angekündigt, verlässt Thomas P. (Tom) Joyce seinen Posten als CEO bei dem Medizintechnikhersteller zum 1. September. Joyces Schritt folgt dem typischen Muster gut vorbereiteter Managementwechsel. Erstens ist sein Alter von 59 Jahren angemessen. Zweitens ist die Vorlaufzeit von 118 Tagen makellos. Drittens ist Joyces Amtszeit als CEO von sechs Jahren hinreichend lang. Viertens folgt die Mitteilung einem Anstieg des Aktienkurses um 160 % seit Joyces Amtsantritt. Fünftens wirkt der offiziell angegebene Grund für den Führungswechsel stimmig. Chairman Steven M. Rales erklärte, Danaher sei “noch nie stärker oder besser positioniert” gewesen als gerade jetzt. Vertrauen und überprüfenBei der Interpretation von Unternehmensankündigungen soll die Maxime lauten: Vertrauen, hinterfragen, überprüfen. Danaher war “noch nie stärker oder besser positioniert”? Diese kühne Behauptung kann den Tatsachen standhalten, denn – sechstens – erscheinen die Umstände des positiv. Danaher kann die Chefwechsel-Ankündigung mit guten Nachrichten garnieren und meldet für das erste Quartal einen Gewinn von 0,81 Dollar pro Aktie nach 0,45 Dollar pro Aktie im Jahr zuvor. Danahers Life-Sciences-Sparte stellt Laborinstrumente für die Entwicklung von Medikamenten her, während das Diagnostiksegment medizinische Einrichtungen bei der Diagnose von Krankheiten, einschließlich Covid-19, unterstützt. Siebtens sieht der Nachfolgeplan glatt aus. Neuer CEO wird Rainer M. Blair, der bei Danaher seit 2017 die Life-Sciences-Plattform verantwortet. Beeindruckende PerformanceAchtens und neuntens sind Form und Sprache der Ankündigung nicht zu kritisieren. Fazit: Alter, Ankündigungsfrist, Amtszeit, Aktienkursentwicklung, offizielle Begründung, Umstände, Nachfolgeplanung, Form der Ankündigung und Sprache in der Mitteilung sind stimmig, angemessen und frei von Warnsignalen. *) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange (exechange.com/news).