NOTIERT IN LONDON

Wem die Stunde schlägt

Bell Pottinger hat an den Verlierern der Geschichte nicht schlecht verdient. Zu den Kunden der einst von Margaret Thatchers Spindoktor Timothy Bell gegründeten PR-Firma gehörten neben der Stiftung des chilenischen Diktators Augusto Pinochet der...

Wem die Stunde schlägt

Bell Pottinger hat an den Verlierern der Geschichte nicht schlecht verdient. Zu den Kunden der einst von Margaret Thatchers Spindoktor Timothy Bell gegründeten PR-Firma gehörten neben der Stiftung des chilenischen Diktators Augusto Pinochet der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko und der ehemalige iranische Führer Mahmud Ahmadinedschad sowie die Gattin des syrischen Staatschefs Asma Al-Assad. Bell war in Whitehall bestens vernetzt, angeblich fühlte er stets im Foreign Office vor, bevor er sich auf riskante Mandate einließ. Deshalb habe Robert Mugabe, der Herrscher von Simbabwe, der die Dienste des Werbers ebenfalls in Anspruch nehmen wollte, einst eine Absage erhalten, heißt es. In Südafrika überspannte die rührige Firma nun den Bogen. Eine Kampagne im Auftrag von Oakbay Capital, der Holding der Milliardärsfamilie Gupta, die Gegner des südafrikanischen Ministerpräsidenten Jacob Zuma zu Agenten des “weißen Monopolkapitals” erklärte und von “wirtschaftlicher Apartheid” sprach, führte zum Ausschluss von Bell Pottinger aus dem britischen Branchenverband Public Relations and Communications Association (PRCA) für mindestens fünf Jahre. Mmusi Maimane, der Führer der südafrikanischen Oppositionspartei Democratic Alliance, warf Bell Pottinger vor, eine “hasserfüllte und spaltende Kampagne” zu betreiben, um das Land, in dem die gesellschaftliche Aussöhnung nach Jahrzehnten der Apartheid noch lange nicht abgeschlossen ist, “entlang der Rassengrenzen” auseinanderzudividieren. Schon zuvor hatte sich abgezeichnet, dass die Firma in Schwierigkeiten steckt. Kunden wie die südafrikanische Investec, der Bergwerksbetreiber Acacia und der Luxusgüterhersteller Richemont, der vom südafrikanischen Milliardär Johann Rupert kontrolliert wird, sprangen ab.Regierungen und andere politische Akteure nutzen gerne die Dienste von PR-Agenturen für Kampagnen. Man erinnere sich nur an die erfundene Geschichte von den irakischen Soldaten, die angeblich beim Einmarsch in Kuwait 1990 Frühgeborene aus ihren Brutkästen rissen und auf dem Boden sterben ließen. Propagiert hatte sie die PR-Agentur Hill & Knowlton im Auftrag der kuwaitischen Regierung. Das Risiko bei solchen Geschäften ist, dass man mit dem Verlierer untergeht. Bell Pottinger steht kurz davor, obwohl sich Zuma an der Macht halten konnte.Ajay, Atul und Rajesh Gupta waren in den 1990ern aus Indien nach Südafrika gekommen, wo sie ein Imperium aufbauten, dessen Interessen vom Mediengeschäft bis hin zum Uranbergbau reichen. Wie gut sie mit dem Staatsapparat vernetzt sind, zeigte sich schon 2013, als Gäste einer Hochzeit auf einem Luftwaffenstützpunkt landen durften. Die linke Oppositionsgruppe Economic Freedom Fighters spricht von “Zupta”, wenn es darum geht, die Beziehungen zwischen dem Staatschef und dem Konglomerat zu beschreiben.James Henderson, der CEO von Bell Pottinger, gab inzwischen zu, Fehler gemacht zu haben, und legte sein Amt nieder. Die Firma beauftragte die Kanzlei Herbert Smith Freehills mit einer Untersuchung ihrer Tätigkeit für die Guptas. Der für das Mandat verantwortliche Partner wurde entlassen, drei weitere Mitarbeiter suspendiert. “Ich bin extrem traurig, dass es so weit gekommen ist”, sagte Mitgründer Piers Pottinger dem “Evening Standard”. “Eine Menge Leute sollten sich schämen. Ich kann nur hoffen, dass wir einen Käufer für das Geschäft finden.” Mitgründer Bell, der das Unternehmen vor einem Jahr verlassen hatte, sagte der BBC, es sei unwahrscheinlich, dass die Werbeagentur überlebe. Nach seiner Darstellung war die Tätigkeit für Oakbay einer der Gründe für seinen Fortgang. Er habe darauf hingewiesen, dass es sich um einen anrüchigen Deal handele, der dem Unternehmen schaden werde, aber das Management habe ihn völlig ignoriert. “Es geht vermutlich dem Ende zu”, sagte Bell in der Nachrichtensendung “Newsnight”. So sehen es auch viele in der City. BDO wurde mit der Suche nach Kaufinteressenten beauftragt. Medienberichten zufolge hatte der Großaktionär Chime Communications, der dem Werbekonzern WPP und Providence Equity Partners gehört, seinen Anteil von 27 % an Bell Pottinger komplett abgeschrieben und an das Unternehmen zurückgegeben, nachdem sich kein Käufer finden ließ.