Weniger Anbieter von Schweizer Uhren
Von Daniel Zulauf, ZürichBaselworld, die wichtigste Messe der Uhrenindustrie, ist am Mittwoch mit nur noch 650 Ausstellern eröffnet worden. Im Jahr davor hatten sich noch rund 1 300 Firmen mit ihren Innovationen und Kreationen dem aus aller Welt anreisenden internationalen Fachpublikum präsentiert. Gründe für die schlechten Messezahlen hört man viele: Überhöhte Standpreise, schlechter Service und mehr Konkurrenz vom Salon International de la Haut Horlogerie aus Genf. Erstaunlich sind die miesen Werte trotzdem. Immerhin ist die Schweiz in Sachen Uhren der klare Weltmarktführer. Zwar stammen geschätzte 97 % aller Zeitmesser nicht aus helvetischer Produktion. Doch wertmäßig besitzen die Schweizer einen Marktanteil von rund 50 %. Rund 60 000 Menschen sind in der Schweiz für diese Schlüsselindustrie tätig – etwa die Hälfte davon bei den Branchenriesen Swatch Group und Richemont. Jeder der beiden Konzerne setzt mit Uhren und Schmuck in guten Zeiten mehr als 8 Mrd. sfr jährlich um. Nach zwei schwierigen Jahren hat die Branche 2017 wieder Tritt gefasst und das Exportvolumen um fast 3 % auf 20 Mrd. sfr gesteigert. Da macht das Klagen der Ausstellungsmacher natürlich stutzig. Diese erklären die Erosion mit dem Konzentrationsprozess in der Branche. Diese Beobachtung lässt sich kaum bestreiten. Unklar ist indessen, woher die Dynamik kommt. Manche Brancheninsider glauben, es liege an den neuen Ursprungsregeln. Seit Anfang 2017 ist das sogenannte “Swissness-Gesetz” scharfgestellt. Wer nicht nachweisen kann, dass die Herstellungskosten einer Uhr nicht zu mindestens 60 % schweizerischen Ursprungs sind, darf nicht mehr mit “Swiss Made” werben. Davor genügten schon ein inländischer Wertanteil von 50 % am Uhrwerk sowie die Uhrenmontage und Schlusskontrolle in der Schweiz. “Das Leben für Marken im unteren und mittleren Preisfeld wie unsere wird schwieriger”, räumt André Bernheim, Verwaltungsratspräsident und Mitinhaber von Mondaine Watch, ein. Der Unternehmer war einer der Vorkämpfer gegen das Swissness-Gesetz. Jetzt muss er sich wohl oder übel mit der Situation arrangieren. “Man könnte sich mit dem Einkauf billigerer Einzelteile in Asien behelfen”, sagt er. “Statt eines Saphirglases aus China kommt einfach ein gewöhnliches Mineralglas aus der gleichen chinesischen Fabrik auf die Uhr. Damit steigt automatisch der Wertanteil der im Inland produzierten Teile. Aber letztlich verliert das Produkt an Qualität.” Doch “Swiss Made” ist schließlich ein Qualitätsversprechen. Ein paar Modelle, deren Kalkulation durch die neuen Ursprungsregeln an der 60 %-Hürde gescheitert sind, hat Bernheim schon still und leise aus dem Sortiment gekippt. Für eine harte Automatisierungsstrategie, mit der sich die Stückkosten auch in der Schweiz auf ein international konkurrenzfähiges Niveau drücken ließen, seien die Produktionsmengen zu klein, sagt er. Und dies obschon sein Unternehmen mit der Bahnhofsuhr für das Handgelenk ein bekanntes Flaggschiffprodukt vorweisen kann. Für Bernheim steht fest, dass die Schweiz mit dem neuen Gesetz ein Stück Uhrenindustrie verlieren wird.Die Statistik spricht für den Mondaine-Patron: Während die Exportzahlen insgesamt wieder deutlich nach oben zeigen, geht es mit den Swiss-Made-Zeitmessern im unteren Preissegment immer noch abwärts. 2017 belief sich der Rückgang auf 1,4 Millionen Stück (- 8 %), seit 2014 beträgt der Einbruch sogar 18 %. Die Exportstatistik lasse keine Aussage darüber zu, ob das Swissness-Gesetz kleinere Hersteller von preisgünstigen Uhren und deren Zulieferer dazu zwinge, aufzugeben oder auszuwandern, widerspricht Jean-Daniel Pasche, Geschäftsführer des Branchenverbandes Fédération Horlogère in Neuenburg. Der Verband vertritt unter anderen die Swatch Group, die sich mächtig für die Swissness-Vorlage ins Zeug gelegt hatte. Mondaine Watch ist kein FH-Mitglied. Pasche verweist auf Unternehmen, die erst mit dem Swissness-Gesetz in die Schweiz gekommen sind. Ein Beispiel ist die Firma Wolf Manufacture, die im Februar 2017 eine hoch automatisierte Fabrik in Betrieb genommen hat. Sie verfügt über eine Kapazität von 600 000 Uhrengehäuse pro Jahr – bei nur sechs Mitarbeitern. Geschäftsführer Patrick Tresch sagt: “Wir sind da, um Teile, die wir früher in China gefertigt haben, wieder in der Schweiz zu produzieren.”