Wenn Chinas Ikarus die Corporate Governance stärkt

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 24.5.2016 Li Hejun wird gerne als der chinesische Ikarus bezeichnet, der zu nahe an der Sonne geflogen war und dann prompt abstürzte. Es war genau vor einem Jahr, als die Aktien der von Li...

Wenn Chinas Ikarus die Corporate Governance stärkt

Von Norbert Hellmann, SchanghaiLi Hejun wird gerne als der chinesische Ikarus bezeichnet, der zu nahe an der Sonne geflogen war und dann prompt abstürzte. Es war genau vor einem Jahr, als die Aktien der von Li kontrollierte Solarfirma Hanergy Thin Film Power Group einen beispiellosen Crash durchmachten, binnen weniger Minuten rund 17 Mrd. Dollar (15 Mrd. Euro) und damit knapp die Hälfte ihres Marktwerts einbüßten und dann auf Bitte von Hanergy seitens der Hongkonger Börsenregulatoren aus dem Handel genommen wurden. Ewige UntersuchungDamals ging den Investoren alles zu schnell und seitdem alles zu langsam. Hanergy Thin Film und die dahinter stehende Aktie gibt es zwar immer noch, aber die Titel sind noch immer nicht in den Handel zurückgekehrt. Seitens der Securities and Futures Commission (SFC) in Hongkong gibt es nichts Neues zu berichten. Der Fall Hanergy wird noch immer ergebnislos untersucht.Der Gründer, Chairman und Großaktionär von Hanergy Thin Film, scheint den Jahrestag der Patt-Situation nun anscheinend zum Anlass zu nehmen, Bewegung in die Sache zu bringen und eine Bereinigung der Corporate-Governance-Struktur anzukündigen, mit der er sich selber aus dem Spiel nimmt. Einer Mitteilung an die Hongkonger Börse zufolge werden sowohl Chairman Li wie zwei seiner engsten Getreuen im Management Board der Gesellschaft, nämlich Chief Executive Dai Mingfang und Feng Dianbo ihre Positionen niederlegen und aus dem Gremium ausscheiden.Die Begründung der Maßnahme lautet kurz und knapp “Stärkung der Corporate Governance”. Es gebe keine Meinungsverschiedenheiten im Board der Gesellschaft oder sonstige Umstände des Rückzugs der drei Mitglieder, die für die Aktionäre oder die Hongkonger Börse von Interesse seien.Brennendes Interesse gibt es freilich noch immer an den Hintergründen des Aufstiegs von Hanergy Thin Film, die zu den großen Mysterien der Hongkonger Börsengeschichte zählt, aber wohl nur eine Facette der immer wieder dramatischen Umwälzungen in der chinesischen Solarbranche ist. Immerhin gilt als gesichert, dass der größte Leidtragende der Affäre Li selbst sein dürfte. Auf dem Höhepunkt der Hanergy-Börsenbewertung wurde er für kurze Zeit in einschlägigen Vermögensaufstellungen als reichster Mann Chinas geführt. Da nun aber der Aktie kein Marktwert mehr zugeordnet werden kann, ist Li aus den Milliardärslisten wieder rausgeflogen.Hanergy Thin Film ist eine Tochter der von Li auf dem chinesischen Festland aufgezogenen und voll kontrollierten Hanergy Holding Group, die nach eigenen Angaben ein großer Player im Geschäft mit hydroelektrischen Anlagen, also Wasserkraftwerken ist. Dann wurde das Solargeschäft lanciert und mit einem Listing in Hongkong versehen. Bahnbrechende Technologie?Hanergy Thin Film ist mit filmbeschichteten Solarmodulen – einer in der Branche aus Kostengründen kaum als zukunftsweisend erachteten Technologie zur Gewinnung von Solarenergie – unterwegs. Dabei handelt es sich um eine Nischentechnologie im Fotovoltaikgeschäft, die einerseits zwar den Bau von flexibleren Solarpaneelen ermöglicht, andererseits aber einen geringeren Effizienzgrad zur Energiegewinnung mit sich bringt als die herkömmlichen, auf Siliziummaterial zurückgreifenden Solarmodule.Obwohl die Perspektiven der Gesellschaft von den Analysten als bescheiden angesehen wurden, trat die Hanergy-Aktie ab Mitte 2014, als auch Chinas Aktienmarkt in Haussestimmung geriet, einen schwindelerregenden Höhenflug an und verzwanzigfachte ihren Wert. Zur Spitzennotierung bei knapp 8 HK-Dollar kam man auf eine Marktbewertung von über 300 Mrd. HK-Dollar (rund 35 Mrd. Euro). Damit war Hanergy von der Börsenkapitalisierung her gesehen zu diesem Zeitpunkt wertvoller als die weltweit drei größten Branchenadressen in der Solarindustrie zusammengenommen.Analysten in Hongkong hatten immer wieder vor einem Engagement bei Hanergy Thin Film gewarnt und betont, dass es keine nachprüfbaren Angaben über von Hanergy geführte Solarenergieprojekte gebe, aus der sich verlässliche Ertragsperspektiven herauslesen lassen. Abgesehen davon wurden “ungewöhnliche” Bilanzierungspraktiken beanstandet, weil die Umsätze von Hanergy Thin Film im Wesentlichen nur auf Transaktionen mit der Mutter und nie auf echte Endkunden zurückgingen. Zum Licht gehört SchattenFür Misstrauen sorgten auch Berichte, dass sich Li in Zeiten des Auftriebs der Hanergy Aktie bei chinesischen Schattenbanken Kredite besorgt haben soll, die mit seinen Aktienbeständen besichert waren und dann dafür benutzt wurden, seinen Anteil an Hanergy Thin Film durch Marktkäufe weiter auszubauen. Li wird nun übrigens – was die in Hongkong gelistete Solarfirma angeht – vom stellvertretenden Generaldirektor seiner heimischen Hanergy Holdings als Executive Chairman ersetzt. Ob dies eine vertrauensstiftende Maßnahme darstellt, darf jetzt die Hongkonger SFC beantworten. ——–Das Rätsel um Höhenflug und Absturz der Solarfirma Hanergy feiert einjährigen Geburtstag.——-