Im GesprächHelmut Becker, Zeal Network

„Wenn der Jackpot steigt, ist Deutschland im Lottofieber“

Zeal Network, der im SDax enthaltene Lottovermittler mit den Portalen Lotto24 und Tipp24, geht von einem gewaltigen Marktpotenzial aus. Vorstandschef Helmut Becker verweist auf die Online-Penetration im deutschen Lotteriemarkt von nur 23%. Der CEO von Zeal ist überzeugt, dass der Umsatzanteil auf über 50% steigen wird.

„Wenn der Jackpot steigt, ist Deutschland im Lottofieber“

IM GESPRÄCH: HELMUT BECKER

"Unser adressierbarer Markt wird sich verdoppeln"

Der CEO von Zeal Network über Größe als Erfolgsfaktor für Online-Lotterievermittler in Deutschland – Portale Lotto24 und Tipp24 werden nicht fusioniert

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Ein hoher Jackpot ist für Lotterievermittler das, was für Sportwettenanbieter eine Fußball-Welt- oder Europameisterschaft ist: der mit Abstand größte Umsatztreiber. „Wenn der Jackpot in der Lotterie „Eurojackpot“ auf über 100 Mill. Euro oder gar das Maximum von 120 Mill. Euro steigt, dann ist Deutschland im Lottofieber und unsere Umsätze steigen rasant an“, sagt Helmut Becker, seit acht Jahren CEO von Zeal Network, der die Portale Lotto24 und Tipp24 gehören. Ähnliches gelte für „6 aus 49“; da beträgt der Maximaljackpot 45 Mill. Euro.

Das Ausfüllen eines klassischen Lottoscheins auf Papier - für Helmut Becker, CEO des Online-Lotterievermittlers Zeal Network (Lotto24, Tipp24), ein nicht mehr zeitgemäßer Vorgang. Foto: picture alliance / pressefoto_korb | Micha Korb

Wegfall der Zwangsausschüttung bei "6 aus 49"- Lottovermittler applaudieren

In diesen Tagen vollzieht sich bei dem Lotto-Klassiker „6 aus 49“ eine gravierende Regeländerung: Künftig wird es keine Zwangsausschüttung mehr geben, wenn die erste Gewinnklasse unbesetzt bleibt. Zudem wird der Maximaljackpot von 45 Mill. auf 50 Mill. Euro erhöht. Das heißt, selbst wenn der höchstmögliche Jackpot erreicht wird, kann dieser weiterhin nur mit sechs Richtigen und Superzahl geknackt werden. Diese Neuregelung kommt Zeal aufgrund der Sogwirkung eines hohen Jackpots – unterstützt durch die mediale Aufmerksamkeit – entgegen. Die im SDax enthaltene Zeal bezeichnet sich als führenden deutschen Anbieter von Lotterien im Internet. „Unser Marktanteil bei Online-Lotto in Deutschland liegt derzeit bei 42%“, sagt Becker im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Über die Portale Lotto24 und Tipp24 vermittelt das Unternehmen Spielscheine von Kunden an die 16 staatlichen Landeslotteriegesellschaften sowie an Veranstalter von Soziallotterien. „Unsere mit Abstand wichtigsten Produkte sind „6 aus 49“ und „Eurojackpot“, so Becker. Dieses Kerngeschäft mache derzeit rund 80% des Umsatzes aus, wobei auf jede der beiden Lotterien etwa ein gleich hohes Erlösvolumen entfalle, berichtet der Zeal-Chef.

Umsatzanteil von 80 Prozent

An eine Konsolidierung der zwei Hauptmarken – Lotto24 und Tipp24 – sei nicht gedacht, obwohl beide den Lotto-Massenmarkt bedienen. „Eine Markendifferenzierung, etwa nach Zielgruppen, findet hier zurzeit nicht statt“, erklärt Becker, doch „beide Marken haben eine treue Kundenbasis. Deswegen haben wir uns entschieden, die Marken zu pflegen, statt die Kunden durch eine Namensänderung bzw. Markenzusammenlegung zu irritieren oder gar zu verlieren.“

Im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Markendualität verweist Becker auch auf die historische Entwicklung: 2005 war das Unternehmen als Tipp24 an die Börse gegangen. 2012 erfolgte der Spin-off von Lotto24, die fortan selbst gelistet war. Im November 2014 war Tipp24 in die heutige Zeal Network umbenannt worden. Ende 2018 war ein Übernahmeangebot für Lotto24 angekündigt worden; der Rückkauf wurde im Mai 2019 abgeschlossen. Heute befinden sich knapp 5% der Lotto24-Aktien im Streubesitz; ein Handel mit ihnen ist seit zwei Jahren nur noch an der Börse Hamburg im Freiverkehr möglich.

Soziallotterien, Spanien-Geschäft und Venture Capital

Zeal will sich breiter aufstellen: „Wir haben uns vorgenommen, das Geschäft mit neuen Lotterien auszubauen“, sagt Becker. Derzeit würden mit Charity-Partnern – etwa SOS-Kinderdörfern, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – neue Soziallotterien entwickelt, vergleichbar mit „Aktion Mensch“, „Glücksspirale“ oder der „Deutschen Fernsehlotterie“. Angeboten werden von Zeal bereits „freiheit “ und die „Deutsche Traumhauslotterie“. „Wir machen auch Geschäft in Spanien“, ergänzt Becker. „Für eine der beiden großen Lotterien dort, die Blindenlotterie Once, machen wir das gesamte Internetgeschäft.“

Schließlich habe Zeal noch einen Venture-Arm, „denn wir glauben, dass es im Lotteriebereich viele Chancen für Innovationen gibt“. Es gebe in der Lotteriebranche praktisch kein Venture-Ökosystem – „und diese Lücke füllen wir, indem wir in Start-ups investieren“. Ein Vorteil dieser bislang kleinen Randgeschäfte ist laut Becker, dass neue Kundengruppen erschlossen werden.

Derzeit liegt die Online-Penetration im Lotteriemarkt in Deutschland nur bei 23% bzw. knapp 2 Mrd. Euro - und das bei einem Produkt, das für online perfekt geeignet ist.

Helmut Becker

Doch auch im Kerngeschäft erkennt Becker noch sehr viel Wachstumspotenzial. Der gesamte, seit Jahren stabile Lotteriemarkt in Deutschland hat ein Volumen von rund 9 Mrd. Euro. „Derzeit liegt die Online-Penetration im Lotteriemarkt in Deutschland nur bei 23% bzw. knapp 2 Mrd. Euro – und das bei einem Produkt, das für online perfekt geeignet ist, denn das sind ja nur Bits und Bytes und keine physischen Produkte, die gelagert und geliefert werden müssen.“

Online-Anteil bei 23 Prozent

Die Online-Penetration in Deutschland ist gemäß Becker im Vergleich niedrig. In Großbritannien liege der Wert bei 42%, in Italien bei 41% und in den skandinavischen Ländern teilweise sogar über 50%. Bei anderen online-affinen Produkten lägen die Umsatzanteile dagegen auch in Deutschland schon deutlich höher, etwa bei Eintrittskarten für Konzerte und sonstige Veranstaltungen, im Banking (50%) oder bei Reisen/Urlaub (66%). Der CEO von Zeal ist überzeugt, dass die Online-Penetration über kurz oder lang auch im Lotteriemarkt hierzulande über 50% steigen wird. „Das heißt, der für uns adressierbare Markt wird sich mehr als verdoppeln.“

Seit dem 3. Juli 2013 wird die Ziehung der Lottozahlen am Samstag- und Mittwochabend nur noch als Aufzeichnung ausgestrahlt; die reale Ziehung von "6 aus 49" findet eine halbe Stunde vorher statt. Folge dieser Neuerung war ein rapider Rückgang der Zuschauerzahlen. Im Bild sind übergroße Symbolkugeln auf dem Dach der Zeal-Zentrale in Hamburg zu sehen. Fotoquelle: Zeal, Marc Hohner

„Mehr als 90% unseres Geschäfts machen wir in Deutschland“, berichtet Becker. „Der Rest wird in Spanien und über unsere Start-ups generiert.“

Ein Problem vieler Online-Anbieter ist, dass sich viele Kunden zwar irgendwann registrieren lassen, aber dann nicht aktiv bleiben. Daher sagt Becker: „Wir schauen eigentlich nur auf die Kunden, die in den vergangenen zwei, drei Jahren aktiv waren.“ Der Zeal-Chef grenzt weiter ein: „Die Zahl, die uns wirklich interessiert, ist die Zahl der monatlich aktiven Kunden, und die liegt bei 1,1 Millionen.“

Von 100 Kunden, die sich registrieren, bleiben langfristig – und damit meine ich sechs Monate oder länger – 25 bei der Stange.

Helmut Becker

„Von 100 Kunden, die sich registrieren, bleiben langfristig – und damit meine ich sechs Monate oder länger – 25 bei der Stange“, sagt Becker. „Die sind dann aber extrem loyal.“ Die Akquisition eines Neukunden koste im Schnitt etwa 47 Euro (Cost per Lead). Im Schnitt spiele ein Kunde für rund 61 Euro im Monat. „Dieser Wert wächst seit Jahren zwar nicht rasant, aber stetig.“

Bei Zeal gibt es laut Becker zwei große Kostenblöcke: Marketing und Personal. Die Marketingausgaben lagen 2022 bei 34 Mill. Euro; sie sollen dieses Jahr zwischen 34 und 39 Mill. Euro liegen. Den größten Kostenanteil beim Personal – Zeal beschäftigt nach jüngsten Angaben rund 160 Mitarbeiter – machen laut Becker die Softwareentwickler aus. Im Vorjahr lag der Personalaufwand bei 19 Mill. Euro.

Im ersten Halbjahr lagen die Marketingausgaben bei 20 (i.V. 14) Mill. Euro. Der Anstieg um 44% liegt laut Becker an den vielen hohen Jackpots dieser Zeit; bei hohen Hauptgewinnen erziele Werbung die größten Effekte. Die Personalkosten lagen im ersten Semester dagegen kaum verändert bei 10 Mill. Euro.

„Den Kostenanstieg, der sich bei den meisten Ausgabepositionen allein schon durch die Inflation ergibt, haben wir im Griff“, versichert Becker. Das rühre auch daher, dass sich Zeal stark auf den Customer Lifetime Value, also den Wert eines Kunden, konzentriere. Diesen Wert zu steigern – etwa durch Lotterieinnovationen, durch Erhöhung der Loyalität der Kunden und deren Ausgaben – sei ein Kernziel.

Zeal Network nennt für Umsatz und operatives Ergebnis (Ebitda) in diesem Jahr zwei Zielspannen. Auf deren Basis errechnet sich eine operative Marge, die im besten Fall bei 32% und im schlechtesten Fall bei 25% liegt. Grafik: Börsen-Zeitung

Für 2023 hat sich Zeal das Ziel gesetzt, die Marktführerschaft als Online-Anbieter von Lotterieprodukten auszubauen. Für das Segment Deutschland wird – bei einer durchschnittlichen Jackpot-Entwicklung – mit einem Transaktionsvolumen in einer Bandbreite von 800 Mill. bis 830 (758) Mill. Euro gerechnet. Zudem geht das Management davon aus, dass der Umsatz zwischen 110 Mill. und 120 (105) Mill. Euro liegen wird. Für das Ebitda nennt Zeal eine Zielspanne von 30 Mill. bis 35 (32) Mill. Euro.

Dieses Geschäft funktioniert sehr stark über Skaleneffekte. (...) Man muss eine gewisse Größe erreichen, um profitabel zu werden.

Helmut Becker

Reserviert gegenüber M&A

M&A steht Becker reserviert gegenüber. „Wir sind mit Abstand der größte Online-Lotterievermittler in Deutschland; neben uns gibt es aber noch viele kleine Anbieter“, sagt er. „Aber dieses Geschäft funktioniert sehr stark über Skaleneffekte, zumal die Margen bzw. Provisionen nicht sehr hoch sind.“ Die Umsatzmarge von Zeal liege bei rund 12%; ein „signifikanter Teil“ davon sei die Provision, „den Rest verdienen wir über Zusatzleistungen“.

Jüngste Geschäftsaufgaben von kleineren Wettbewerbern erklärt Becker daher so: „Man muss eine gewisse Größe erreichen, um profitabel zu werden. Deswegen geht der eine oder andere Anbieter, der das nicht schafft, irgendwann in die Knie.“

Bei Zeal sei man der Ansicht, dass es einfacher sei, Kunden direkt durch Werbung als durch eine Übernahme zu gewinnen, zumal solche Transaktionen aufwendig und riskant seien.

Die Firmenzentrale von Zeal Network in Hamburg. Sie liegt unweit des bekannten Tennisstadiums "Am Rothenbaum" im Zentrum der Hansestadt. Fotoquelle: Zeal, Marc Hohner

Zeal hat zwei Großaktionäre: zum einen Oliver Jaster, Geschäftsführer der Günther Holding, dem 35,2% der Stimmrechte zuzurechnen sind. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat von Zeal. Darüber hinaus hält Working Capital Management mit Sitz in Singapur und London rund 25%. Für den Fonds sitzt das geschäftsführende Mitglied Kenneth Chan im Aufsichtsrat. Sowohl Oliver Jaster als auch Working Capital sind laut Becker langfristige Investoren. Der Rest der Aktien befinde sich in Streubesitz.

Ich glaube, die meisten Investoren, die sich mit E-Commerce beschäftigen, haben uns nicht auf dem Schirm.

Helmut Becker

„Wir sind eine sehr erfolgreiche E-Commerce-Firma“, so Becker. „Aber ich glaube, die meisten Investoren, die sich mit E-Commerce beschäftigen, haben uns nicht auf dem Schirm.“ Daher betrachtet Becker das an der Börse knapp 690 Mill. Euro schwere Unternehmen als Hidden Champion. Mit einem Kurs von 31,70 Euro liegt Zeal etwa in der Mitte der 52-Wochen-Range, die von 24,65 bis 39,45 Euro reicht.

Auf die Frage, ob er selbst regelmäßig Lotto spiele, antwortet Becker erwartungsgemäß mit „Ja“, fügt allerdings hinzu: „Ich darf aus regulatorischen Gründen aber nicht bei uns spielen.“

Zeal Network, der im SDax enthaltene Lottovermittler mit den Portalen Lotto24 und Tipp24, geht von großem Marktpotenzial aus. Vorstandschef Helmut Becker verweist auf die Online-Penetration im deutschen Lotteriemarkt von 23%. Der CEO erwartet, dass der Umsatzanteil auf mehr als 50% steigen wird.

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