RECHT UND KAPITALMARKT

Wenn der Kredit über Roboter vereinbart wird

Finanzierung in Zeiten des Internet der Dinge - Laufende Überwachung in Echtzeit - Einsatz aber Einfallstor für Cyberangriffe

Wenn der Kredit über Roboter vereinbart wird

Von Mario Hüther und Max Danzmann *)Eine der Herausforderungen für die Finanzabteilung eines Unternehmens ist der effiziente Einsatz von Finanzmitteln, denn die laufende Anpassung des Finanzierungsvolumens an die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Unternehmens beruht mangels ausreichender Quantifizierbarkeit in der Regel auf Prognoseentscheidungen. Auf der anderen Seite ist es Kreditgebern nicht möglich, die Einhaltung von Vertragspflichten durch Schuldner laufend und unmittelbar zu überwachen. Über das Internet of Things (IoT) könnten beide Aspekte in Teilbereichen der Unternehmensfinanzierung neue Impulse erhalten. IoT bezeichnet dabei den Teil des Internets, der Geräte vernetzt, die mit Sensoren oder ähnlichen Vorrichtungen ausgestattet sind. Diese an das IoT angebundenen Geräte können (miteinander) kommunizieren und gesteuert werden. Flexible GestaltungMittlerweile ist es möglich, über das IoT kontinuierlich Daten zu erheben und zu analysieren. Durch IoT-basierte Vertragsbestandteile könnten nun Kredithöhe, Verzinsung oder der Inhalt von Kreditnehmerpflichten so flexibel ausgestaltet werden, dass Finanzierungsverträge – bildlich gesprochen – mit den Erfordernissen des Wirtschaftslebens atmen. Sie ermöglichen dadurch einen effizienteren Kapitaleinsatz und die Entwicklung maßgeschneiderter Finanzierungskonzepte.Beispielsweise könnte ein Unternehmen mithilfe eines Roboters über das IoT einen Darlehensvertrag mit einer Bank abschließen, um eine Bestellung von Nachschub für die Produktion zu finanzieren. Zinsen wären dann erst ab einem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem die Lagerbestände eine Nachschublieferung erforderlich machten.Natürlich kann ein Roboter selbst keinen Vertrag abschließen, weil für einen Vertragsschluss Willenserklärungen erforderlich sind, die nur von Menschen abgegeben werden können. Es ist aber möglich, dass – aufschiebend bedingt auf die Sendung bestimmter Signale durch einen Roboter – im Vorhinein Willenserklärungen von Menschen zum Abschluss eines Einzeldarlehensvertrags im Rahmen eines Krediteröffnungsvertrags abgegeben werden.Der Krediteröffnungsvertrag regelt als Rahmenvertrag im Vorhinein sämtliche Details des Einzeldarlehensvertrags. Das elektronische IoT-Signal stellt nur die aufschiebende Bedingung der Wirksamkeit für die im Vorhinein abgegebene Willenserklärung dar, ohne selbst einen weiteren Erklärungsinhalt zu haben. Signal an die BankAuch bei der Rückzahlung von Krediten könnten IoT-Features nutzbar gemacht werden. So könnten Pflichtsondertilgungen mit Versicherungserlösen im Falle der Zerstörung von finanzierten Vermögenswerten, wie beispielsweise Autos, vereinbart werden. Dazu müsste der Kreditnehmer seine Autos mit Vorrichtungen ausstatten, die eine Zerstörung registrieren und Signale an die Bank über den Pflichtsondertilgungsanspruch und, wegen der Sicherungsabtretung, an den Versicherer zur Leistung an die Bank senden. Das IoT könnte auch die Verwaltung von Kreditsicherheiten unterstützen. Beispielsweise wäre es möglich, über IoT-Signale eindeutig festzustellen, ob ein Sicherungsgut im Falle einer Raumsicherungsübereignung zum relevanten Zeitpunkt am relevanten Ort gewesen ist. Darüber hinaus könnten durch IoT-Signale automatische Abtretungs- oder Verpfändungsanzeigen übermittelt werden, unmittelbar nachdem eine Forderung durch Nutzung oder Beschädigung eines IoT-Geräts entstanden ist.Die Erfassung von Daten, zum Beispiel in Bezug auf Wartungen oder Schäden, die für den Beleihungswert von Kreditsicherheiten bestimmend sind, könnte ebenfalls über das IoT erfolgen. Auf dieser Grundlage könnten Nachbesicherungsrechte geltend gemacht oder im Falle einer Übersicherung Freigaben ausgelöst werden. Im Vollstreckungsfall ist es sogar denkbar, dass der Kreditgeber die Nutzung des Sicherungsguts über das IoT sperrt, um die Verwertung zu ermöglichen.Das IoT könnte es Kreditgebern erheblich erleichtern, die Einhaltung von vertraglichen Kreditnehmerpflichten und Kündigungsgründen auf Grundlage von objektiv messbaren Daten im Sinne einer “Agency 4.0” zu überprüfen, um dadurch ihre Risiken aktiver zu steuern. Beispielsweise könnten über das IoT automatisch Daten über die Bodenbelastung von Grundstücken, die Abnutzung von Maschinen und Geräten, die Belüftung von Gebäuden oder den Ortswechsel wertvoller Gegenstände abgefragt werden.Auch die Überprüfung von vertraglichen Ausnahmen zu Veräußerungsverboten würde durch das IoT vereinfacht. Ist zum Beispiel vorgesehen, dass eine Veräußerung nur zu bestimmten Mindestverkaufspreisen zulässig ist, könnte über eine Abbildung des Verkaufspreises in einer Blockchain die Vertragsmäßigkeit einer Veräußerung durch dessen Vergleich mit aktuellen Marktpreisen aus dem Internet überprüft werden. Ferner würde durch die Eintragung von Sicherungsrechten in Blockchains die Gefahr gutgläubiger Erwerbe im Falle von Sicherungsübereignungen möglicherweise verringert – insbesondere wenn in Zukunft eine unterlassene Überprüfung der relevanten Blockchain zur Bösgläubigkeit des Erwerbers führte.Über das IoT könnte für manche Pflichten anstatt einer nur stichtagsbezogenen eine laufende Überwachung in Echtzeit erfolgen. Dadurch würden Kreditgeber, angesichts der Maßgeblichkeit von Prioritätsgrundsatz und Insolvenzzeitpunkt, wertvolle Zeit bei der Sicherung und Durchsetzung von Rechten gewinnen. Zudem würde eine automatisierte Informationsübermittlung, insbesondere bei einer programmierten Reaktion auf Vertragsverletzungen mittels Smart Contracts, die Prozessdauer und den administrativen Aufwand reduzieren. Geringere MargeAber auch für Kreditnehmer könnte sich die Vereinfachung ihrer Überwachung positiv auswirken, etwa über eine Verringerung der Zinsmarge, der (Agenten-)Gebühren oder des Reportingaufwands. Zudem ist es denkbar, dass ein Kreditnehmer eine Finanzierung nur findet, wenn er über das IoT überprüfbare Verhaltenspflichten akzeptiert. Auf diese Weise hätten Kreditnehmer einen Anreiz, in IoT-Geräte zu investieren.Schließlich könnte die Finanzaufsicht profitieren. Bislang fehlt für makroökonomische Analysen zur Aufdeckung von Risiken für die Finanzstabilität häufig die Datengrundlage. Mithilfe von IoT-Daten könnte die Aufsicht unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel feststellen, dass wegen eines Booms zu viele Vermögenswerte derselben Klasse finanziert wurden und deren Beleihungswerte aufgrund von Klumpenrisiken zu optimistisch angesetzt sind. Die Nutzungsmöglichkeit von IoT-Features wird durch Vorschriften zum Datenschutz beschränkt, vor allem wenn Kreditnehmer im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs personenbezogene Daten erheben, die im Zuge der IoT-Überwachung an Kreditgeber weitergegeben werden sollen. Eine IoT-Überwachung wird in diesen Fällen nur möglich sein, wenn eine technische Lösung die Personenbezogenheit der Daten aufhebt oder die Weitergabe mit Einwilligung der Betroffenen erfolgt. Attacke auf die ITAußerdem kann der Einsatz von IoT-Features Einfallstore für Cyberangriffe auf die IT-Systeme von Kreditnehmern bieten, wodurch Know-how gestohlen oder Produktionsprozesse sabotiert werden könnten. Ob die Initiativen zur Erhöhung der IT-Sicherheit auf EU Ebene helfen, Unternehmen hier effektiv zu schützen, bleibt abzuwarten. Soweit die Nutzung von IoT-Features zur Überwachung von Kreditverträgen tatsächlich zum Einsatz kommen sollte, werden sehr sensible Bereiche zunächst möglicherweise aus der IoT-Überwachung ausgeklammert oder zumindest der Datenzugang gegen den Zugriff von außen durch Verschlüsselung oder Abtrennung bestimmter interner Netze vom Internet besonders gesichert bleiben.Ungeachtet dieser Bedenken haben IoT-Features das Potenzial, bestimmte Arten von Kreditfinanzierungen zu flexibilisieren, ihre Verwaltung und die Überwachung von Kreditnehmern zu vereinfachen, um dadurch Transaktionskosten zu senken und Kreditrisiken zu verringern. Die Intensität der Überwachung wird dabei letztlich von der Art der Finanzierung, der Verhandlungsposition und der Bonität des Kreditnehmers sowie von möglichen Reaktionen der Aufsichtsbehörden auf die neuen Möglichkeiten abhängen.—-*) Dr. Mario Hüther ist Partner, Dr. Max Danzmann Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer.