Wenn der Unternehmer zum Freiwild wird
Von Eduard Steiner, MoskauEin paar Stunden hat es gebraucht, bis der Investmentfonds Onexim des russischen Milliardärs Michail Prochorow einen Bericht über den Verkauf all seiner Beteiligungen in Russland dementierte. Zuvor hatte schon der Kreml in Gestalt seines Sprechers die Vermutung, der Staat habe Druck auf Prochorow ausgeübt, weil dieser mit seinem Medienimperium kritisch über das Umfeld von Kreml-Chef Wladimir Putin berichtet hatte, als “kompletten Unsinn” bezeichnet. Konfliktlösung wie immerEs ist so wie immer in derartigen Fällen. Das ganze Land weiß, dass das Verhältnis zwischen einem konkreten Top-Unternehmer und der obersten Staatsführung im Eimer ist. Nach westlichen Konfliktlösungsmustern wird das Ganze nicht beigelegt werden. Also greifen die Akteure ab einer gewissen Eskalationsstufe zur öffentlichen Informationsschlacht mit allen Halb-, Un- und Ganzwahrheiten. Es ist keine Schlacht auf Augenhöhe. Wie das Schicksal mehrerer Oligarchen – allen voran des ehemaligen Ölmagnaten Michail Chodorkowski – gezeigt hat, gewinnt der Kreml. Gewisser RückzugIm Fall Prochorows, der über seinen Fonds vor allem in der Metallindustrie (Rusal und Uralkali) sowie im Bankensektor investiert ist und laut “Forbes” auf einem Vermögen von 7,6 Mrd. Dollar sitzt, zeigte sich das bereits im April, als eine Ermittlerbrigade des Geheimdienstes mit geschätzt 200 Mann die Onexim-Büroräume wegen angeblicher Steuerhinterziehung filzte. Die Aktion folgte Enthüllungen in Prochorows Medien über Verbindungen von Vertrauten Putins mit Briefkastenfirmen in Steueroasen. Es ging um Inhalte, die wenige Tage später als “Panama Papers” weltweit bekannt wurden.Wie es weitergeht? Schwer zu sagen. Ein gewisser Rückzug Prochorows wird stattfinden. Die Unternehmerwelt ist durch den Fall ein weiteres Mal verängstigt. Und jenen Apparatschik-Gruppen, die von Besitzumverteilungen profitieren, ist der unsichere Schwebezustand, in dem sich alle befinden, die angenehmste Atmosphäre. ——–In der Atmosphäre der Halbwahrheiten, in der die Angst gedeiht, fühlt sich der Kremlapparat am wohlsten.——-