Wenn die Kurswette nicht aufgeht
Von Annette Becker, DüsseldorfLieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Getreu diesem Motto trennen sich Unternehmen bisweilen via Umtauschanleihe von Aktien anderer Unternehmen. Der Exchangeable gilt als alternativer Weg zur Aktienplatzierung, um sich aus einer Beteiligung zurückzuziehen. So hat sich beispielsweise Bayer neben diversen Paketverkäufen im Schnellverfahren im Juni 2016 auch über eine Umtauschanleihe von Covestro-Aktien getrennt. Die RAG-Stiftung griff vor wenigen Wochen erneut zu diesem Instrument und sammelte 500 Mill. Euro ein.Attraktiv aus Emittentensicht sind die Wandler, da meist ein deutlich über dem aktuellen Aktienkurs liegender Wandlungspreis erzielt werden kann. Zudem hat der Emittent sofort Cash – wenn auch geliehenes – zur Hand, in der Regel zu äußerst günstigen Konditionen. So konnte die RAG-Stiftung die jüngste Umtauschanleihe – getauscht wird in Evonik-Aktien – erneut mit einer negativen Rendite platzieren, da die Kapitalmarktpreise für das zur Umtauschanleihe gehörende Optionsrecht noch immer hoch sind.Doch nicht immer geht die Rechnung auf, wie das Beispiel Haniel zeigt. Um das Klumpenrisiko im Beteiligungsportfolio zu reduzieren, hatte Haniel im Mai 2015 eine Umtauschanleihe auf Aktien der damaligen Metro AG begeben. Auch dieses zinslose Papier war mit negativer Rendite platziert worden.Derzeit allerdings sieht es nicht danach aus, als gelangte der Familienkonzern mit der Umtauschanleihe auch ans erhoffte Ziel, kommt die Kursentwicklung von Ceconomy doch einem Trauerspiel gleich. Binnen eines Jahres hat sich der Kurs mehr als halbiert. Nimmt man das im Januar geschrieben 52-Wochen-Hoch zum Maß, beläuft sich der Verlust sogar auf zwei Drittel. Gewinnwarnung mit FolgenVerwunderlich ist die Entwicklung nicht, hat der Elektronikhändler in diesem Jahr doch gleich dreimal die Jahresprognose zurechtgestutzt. Inzwischen wurden personelle Konsequenzen gezogen. Vorstandschef Pieter Haas musste das Unternehmen Mitte Oktober mit sofortiger Wirkung verlassen, Finanzchef Mark Frese folgt, sobald ein Nachfolger für seine Position gefunden ist.Für die Aktionäre sind die Probleme damit aber alles andere als gelöst. Speziell für den Duisburger Familienkonzern Haniel ergeben sich aufgrund der desaströsen Kursentwicklung weitreichende Folgen. Zwar hat sich der Klumpen “Metro” dank der im Sommer 2017 vollzogenen Aufspaltung in einen Lebensmittelhändler und einen Händler für Unterhaltungselektronik inzwischen schon in zwei kleinere Brocken aufgeteilt. Überdies zeichnet sich für die Beteiligung am Lebensmittelhändler eine endgültige Lösung ab, hat sich ein Investorenduo doch die bei Haniel liegenden Anteile gesichert.Doch auf den für die Umtauschanleihe vorgesehenen Aktien von Ceconomy, sie ist die Rechtsnachfolgerin der einstigen Metro, dürfte Haniel wohl sitzen bleiben. Im Zuge der Aufspaltung wurde der Umtauschpreis zunächst von 38,60 Euro auf 14,48 Euro angepasst. Aktuell wird Ceconomy jedoch nur noch mit knapp 4,50 Euro bewertet. Die Umtauschanleihe hat ein Volumen von 500 Mill. Euro und wird im Mai 2020 fällig. Bis dahin wird der Umtauschpreis mutmaßlich noch steigen, wird der Preis doch mit jeder Dividendenzahlung nach oben angepasst. Aktienpaket reicht nichtZwar ist bis Mai 2020 noch reichlich Zeit, von der Rückzahlung der Anleihe in Aktien geht Haniel jedoch selbst nicht mehr aus. Und das aus gutem Grund, steht die Aktie doch auch nach dem zur Jahresmitte durchgeführten Impairment – der Wert der Beteiligung wurde fast 300 Mill. Euro korrigiert – noch mit über 7 Euro je Aktie in den Büchern. Das ist insofern dramatisch als sich die Duisburger bei der Emission der Umtauschanleihe ganz bewusst alle Möglichkeiten offen gelassen hatten, von der Rückzahlung der Anleihe in Aktien, in Cash oder in einer Kombination aus beidem.Nach dem dramatischen Kursverfall sei die Rückzahlung der Anleihe in Aktien jedoch keine Option mehr, sagte ein Sprecher. Die noch vorhandenen Aktien, die Beteiligung von 22,7 % entspricht knapp 81 Millionen Stück, reichten zum aktuellen Kurs gar nicht mehr aus, um die Anleihe vollständig zu bedienen. Der Marktwert des Aktienpakets bringt aktuell 227 Mill. Euro auf die Waage.Ähnlich geht es der RAG-Stiftung, die erstmals im Juni 2014 eine in Evonik-Aktien wandelbare Umtauschanleihe emittierte. Das Papier wird in diesem November fällig. Der Umtauschpreis liegt jedoch bei stolzen 38,91 Euro, ein Kurs den der Chemiekonzern seit dem Börsengang im April 2013 noch nie gesehen hat. Folglich muss die RAG-Stiftung die Anleihe in bar zurückzahlen.Auch dafür soll der Erlös aus der jüngsten Transaktion – neben der Umtauschanleihe führte die Stiftung erstmals auch eine Aktienplatzierung durch – verwendet werden. Anders als Haniel wäre die RAG-Stiftung dank eines Evonik-Anteils von über 60 % aber zumindest in der Lage die Anleihe komplett in Aktien zurückzahlen. Das Recht, die Rückzahlungsvariante selbst zu bestimmen, hat sich die Stiftung allerdings erst für die in diesem September begebene Umtauschanleihe einräumen lassen.