Wenn die Übernahmekosten explodieren

Value Trust entwickelt Modell zur Schätzung von erfolgversprechenden M&A-Prämien - Back-End-Spekulation bleibt unkalkulierbar

Wenn die Übernahmekosten explodieren

Welche Prämie muss ein Bieter offerieren, um einen angestrebten Eigenkapitalanteil zu erreichen? In einer Studie sind systematisch von 2005 bis 2017 alle öffentlichen Übernahmeangebote mit Squeeze-out oder Verschmelzung analysiert.Von Walther Becker, FrankfurtNie war sie so unklar wie heute: Die Antwort auf die Frage, was nach einer Unternehmensübernahme auf der Schlussrechnung tatsächlich steht. Schlagendes Beispiel, das von Akquisitionen gelisteter Unternehmen abschreckt, ist Stada.Als die Finanzinvestoren Bain und Cinven den ersten Versuch für den Pharmakonzern starten, bieten sie 65,28 Euro je Aktie. Und scheitern. Die zweite Offerte zu 66,25 Euro gelingt nur dank gesenkter Annahmeschwelle. Zeitweilig ist der Hedgefonds Elliott, berüchtigt für seine Back-End-Spekulation, im Spiel. Für seine Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag fordert er mindestens eine Abfindung von je 74,40 Euro. Für das dieser Tage anstehende Delisting nach gut 21 Jahren gibt es 81,73 Euro. Da endlich akzeptiert Elliott. Aktionäre, die zuvor getendert hatten, schauen in die Röhre. Der Endpreis liegt knapp ein Viertel höher als die ursprüngliche Offerte.Lassen sich öffentliche Übernahmen also nur noch durchbringen, wenn der Bieter vom Start weg eine Mindestannahme von 90 %, die Marke für den verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out, einzieht und bereit ist, dafür von Anfang an eine saftige Prämie zu zahlen, weil sonst Hedgefonds unter Nutzung von Rechten für Kleinaktionäre hineinspringen und den Deal unkalkulierbar machen? Bis zum Squeeze-outDie Finanzexperten von Value Trust um Christian Aders haben zusammen mit der HHL Leipzig Graduate School of Management mit Bernhard Schwetzler eine Studie zu Public Takeover und Taking Private vorgelegt. Sie gilt als erste Analyse, die systematisch von 2005 bis 2017 alle öffentlichen Übernahmeangebote mit nachfolgendem Squeeze-out oder Verschmelzung untersucht. Dabei ist in vielen Fällen ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischengeschaltet. Von den 355 Übernahmeangeboten wurden in 161 Fällen aktienrechtliche Strukturmaßnahmen durchgeführt, die eine Überprüfung der Abfindung der Minderheitsaktionäre in Spruchverfahren nach sich zogen. “Die einzigartige Datenbasis ermöglicht es erstmalig, Schlussfolgerungen zu einer optimalen Übernahmestrategie in Deutschland abzuleiten”, sagt Aders. Die Ergebnisse belegten, dass vergleichbare Analysen aus den USA oder Europa aufgrund der Besonderheiten des deutschen Übernahme- und Aktienrechts nicht auf hiesige Verhältnisse übertragbar seien.In den 23 Fällen, die von November 2016 bis Oktober 2017 in einem Spruchverfahren entschieden wurden, ergab sich eine durchschnittliche Rendite über alle Verfahren von 28 %. Angesichts dieser Abfindungserhöhungen fragen sich Investoren, wie teuer eine Übernahme am Ende dann tatsächlich wird. “Vergleicht man den unbeeinflussten Aktienkurs vor Abgabe des Übernahmeangebots mit den Gesamtkosten nach Abschluss des Spruchverfahrens, dann belaufen sich die durchschnittlichen Gesamtkosten des Taking Private, also die Total Cost of Ownership, auf rund 43 %”, hat Aders herausgefunden.Auf Beherrschungsvertrag, Verschmelzung, Squeeze-out und Spruchverfahren entfallen dabei von den gewichteten Gesamtkosten lediglich 8 %. Dabei seien auch die Fälle eingeschlossen, bei denen im Spruchverfahren das Abfindungsangebot erhöht wurde. Dabei liege diese Aufstockung mit circa 11 % weit unter den Werten der Vergangenheit. Auch nimmt die Dauer der Spruchverfahren deutlich ab; sie liege im Schnitt bei vier bis fünf Jahren. Während Altfälle wie Unicredit/HVB noch immer nicht zu Ende sind. “Größere Transparenz verkürzt die Dauer”, beobachtet Aders.Die Höhe der Prämie, die den maßgeblichen Teil der Gesamtkosten eines Taking Private ausmacht, variiert laut Schwetzler stark nach dem Eigenkapitalanteil, den ein Bieter vor Abgabe der freiwilligen Übernahmeofferte hält. Relevant seien hierbei die Marken 30 %, 50, 75 und 90 bzw. 95 % des Eigenkapitals. Je weniger Aktien ein Interessent zu Beginn hält, umso mehr muss er also berappen. Mit Abstand die höchsten Aufschläge werden laut der Studie mit 27 % geboten, wenn der Bieter nicht mehr als 30 % vor Unterbreitung der Offerte hält. Über alle lag die durchschnittliche Prämie bei 21%.Ein weiterer Analyseschwerpunkt sind daher die “Kontextfaktoren”, die bei 0 bis 30 % Anteil den Erfolg beeinflussen. Dabei bedeute Erfolg, ob der beabsichtigte Schwellenwert von 50 % oder 75 % nach Beendigung des Angebotsfrist erreicht wird. “Auf Basis einer detaillierten empirischen Analyse der 138 Übernahmeangebote, die bei einem Aktienanteil von unter 30 % abgegeben wurden, wurde ein Schätzmodell entwickelt, das mit rund 65 % Güte prognostiziert, welche Prämie bei gegebenen Kontextfaktoren in der spezifischen Situation geboten werden muss, um einen gewünschten Zielanteil zu erreichen”, sagt Aders. Im KontextZu den wichtigsten Kontextfaktoren zählt er Unterstützung des Managements, Unternehmensgröße, Währung des Angebots – Cash versus Aktien -, Aktionärsstruktur bzw. Gewicht von Indexfonds, der Anteil der bei Abgabe des Angebots zugesagten Aktienblöcke und die Volatilität des Kurses vor der Offerte.Das entwickelte Modell ermögliche erstmalig, eine Schätzung abzugeben, welche Prämie bei gegebenen Kontextfaktoren von Bieter, Ziel und Kapitalmarkt offeriert werden muss, um einen angestrebten Eigenkapitalanteil zu erreichen. Ob sich die Bieter aber die Höhe des notwendigen Aufschlags auch leisten können, hängt maßgeblich von den Synergien ab, die er glaubt, realisieren zu können. Dies sei aber stets eine Frage des Einzelfalls. Unbeeinflusst davon ist das Back-End-Spiel, das maßgeblich davon abhänge, wie sich Aktivisten in Kenntnis der Optionen des Übernahmerechts im konkreten Fall positionieren. Am Beispiel von Stada, Kabel Deutschland, Celesio und Demag Cranes werde klar, dass Größe auf jeden Fall Spieler wie Elliott auf den Plan ruft und in vielen Fällen die Gesamtkosten in die Höhe treibt.