Wenn Phantome Gewinne verschieben
Auslandsinvestments sind ein wichtiger Treiber der internationalen Zusammenarbeit. Doch bringen nicht alle Direktinvestitionen Kapital zur Produktivitätssteigerung. Ein großer Teil der Finanzströme läuft über Phantomgesellschaften und dient der Steuerersparnis bzw. -vermeidung am Rande der Legalität. wb Frankfurt – Die 600 000 Einwohner Luxemburgs stehen für ebenso hohe ausländische Direktinvestitionen wie die 327 Millionen Amerikaner und deutlich mehr als die von 1,4 Milliarden Chinesen. Rechnerisch hat damit jeder Bürger im Großherzogtum 6,6 Mill. Dollar im Ausland investiert. Ist da etwas nicht in Ordnung mit offiziellen Statistiken oder etwas anderes im Spiel? Dies hat der Internationale Währungsfonds mit Jannick Damgaard, Thomas Elkjaer und Niels Johannesen von der Universität Kopenhagen untersucht. Fazit: Ein großer Anteil der erfassten Finanzströme läuft über Phantomgesellschaften und dient primär der Steuerersparnis bzw. -vermeidung am Rande der Legalität.Dabei seien Auslandsinvestments (Foreign Direct Investments, kurz FDI) seien ein wichtiger Treiber der internationalen Zusammenarbeit, wirtschaftliche Integration, Stimulierung des Wachstums, Schaffen von Arbeitsplätzen und Steigerung der Produktivität durch Transfer von Kapital, Fähigkeiten und Technologien. Daher verfolgten viele Länder die Politik mehr davon anzuziehen. Doch bringen nicht alle ausländischen Direktinvestitionen Kapital zur Produktivitätssteigerung. In der Praxis seien FDI grenzüberschreitende Finanzinvestitionen zwischen Unternehmen, die zu derselben multinationalen Gruppe gehören, und viele davon seien reine Phantome, die Mittel durchliefen leere Firmenhüllen. Double Irish, Dutch SandwichDiese Special Purpose Entities haben der Studie zufolge keine echten Geschäftstätigkeiten, fungieren als Holdings für innerbetriebliche Finanzierungen oder die Verwaltung von immateriellen Vermögenswerten – “vielfach um die Steuerrechnung multinationaler Konzerne zu minimieren”. Dieses Finanz- und Steuer-Engineering blähe die Statistiken auf und erschwere es, die echten, produktivitätssteigernden Auslandsinvestments herauszufinden. Eine Vorgehensweise der Konzerne wird mit “Double Irish with a Dutch Sandwich” aufgespießt.So sei ein großer Teil der weltweiten Direktinvestitionen ins Ausland Phantomkapital, das darauf zielt, die Steuerschulden zu minimieren und nicht die Produktion zu finanzieren. Die Studie beziffert deren Anteil auf fast 40 % der weltweiten FDI – im Wert von insgesamt 15 Bill. Dollar, was dem addierten Inlandsprodukt Chinas und Deutschlands entspreche. Binnen zehn Jahren, in denen der Steuerwettlauf nach unten immer stärker wurde, sei der Anteil kräftig geklettert.Die Ergebnisse kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Regierungen versuchen, die multinationale Vermeidung von Unternehmenssteuern zu bekämpfen. Die Steuerreform zählt zu den Prioritäten der G7-Ländergruppe. Die jüngsten einseitigen Schritte Frankreichs zur Besteuerung der im Land tätigen globalen Technologiekonzerne haben den Druck auf andere G7-Mitglieder erhöht, eine Einigung zu erzielen. Die OECD wurde beauftragt, bis zum nächsten Jahr global akzeptable Lösungen auszutüfteln. Fast die Hälfte der von den Forschern identifizierten Phantom-FDI entfiel auf Luxemburg und die Niederlande. Andere Länder, in denen weniger als die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen “echt” seien, werden Malta, Irland, die Schweiz sowie eine Reihe britischer Überseegebiete genannt. So entwirft, entwickelt und produziert Apple die iPhones nicht in Irland. Doch die dortige Tochter gilt als eine der wertvollsten ausländischen Direktinvestitionen der USA. Nicht zuletzt, weil der Steuersatz von 50 % in den 1980-er Jahren auf 12,5 % gedrückt worden sei. Trotz der jüngsten internationalen Bemühungen, Unternehmen daran zu hindern, ihre Gewinne für Steuerzwecke international zu verschieben, zeigt die Studie, dass der Anteil des Phantomkapitals an den gesamten FDI wächst. Noch 2010 machten Phantom-Auslandsinvestments 31 % der gesamten Bestände aus; bis 2017 waren es der Studie zufolge schon 38 %.Hinter der globalen Zahl verbergen sich sehr unterschiedliche Länder. Der Anteil Großbritanniens an den Phantomzuflüssen aus FDI stieg von nur 3 % im Krisenjahr 2009 auf 18 % 2017, wie die Schätzungen zeigen. In Belgien und Schweden sank der Anteil in der gleichen Zeit von rund 30 % unter 10 %.Die Bemühungen, die Gewinnverschiebungen aufgrund des fiskalischen und politischen Drucks nach der Krise zu Beginn des Jahrzehnts auf Niedrigsteuerjurisdiktionen zu reduzieren, führte offenbar zu umgekehrt zu noch aggressiverem Vermeidungsverhalten.