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Wer autonom fahren will, sucht Anschluss

Von Sebastian Schmid, Frankfurt Börsen-Zeitung, 12.7.2019 Die Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren in zwei Zukunftstechnologiefelder Milliarden investiert - die Elektromobilität und das autonome Fahren. Während die laufenden Anstrengungen...

Wer autonom fahren will, sucht Anschluss

Von Sebastian Schmid, FrankfurtDie Autoindustrie hat in den vergangenen Jahren in zwei Zukunftstechnologiefelder Milliarden investiert – die Elektromobilität und das autonome Fahren. Während die laufenden Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung in der E-Mobilität bereits Früchte tragen und bald signifikante Umsatzbeiträge liefern dürften, erweist sich der Weg zum autonom fahrenden Auto steiniger und kostspieliger als zunächst gedacht. Ungewohnt oft gehen Autobauer und Zulieferer Partnerschaften ein, um das finanzielle Risiko eines Scheiterns zu begrenzen und die Erfolgschancen durch mehr Schlagkraft in der Entwicklung zu erhöhen. Viele Autobauer fahren dabei auf mehreren Spuren gleichzeitig und suchen parallel Anschluss bei verschiedenen Partnerschaften. Hoher Aufpreis Denn die Probleme sind mannigfaltig. Autos mit einem hohen Grad an autonomen Fahreigenschaften sind nach derzeitigem Stand der Technik zu teuer – etwa 30 000 bis 50 000 Euro Aufpreis kalkulieren Experten derzeit mindestens. Im klassischen Modell der Nutzung durch den Eigentümer ist dieser allenfalls in der Oberklasse eine Option. Wahrscheinlicher werden sich die Zusatzkosten erst über neue Geschäftsmodelle wie autonom fahrende Taxiflotten rechtfertigen lassen. Noch ist die Software für sicherheitsrelevante Fragen im komplexen Stadtverkehr mit Fußgängern, Radfahrern und Elektrorollern indes längst noch nicht reif, um vollautonomes Fahren aus Sicht der Regulierungsbehörden außerhalb von Testszenarien zuzulassen.Und da Stufe 3 zwar in Sichtweite ist, Stufe 4 indes noch ein gutes Stück weg und Stufe 5 – das voll autonome Fahren unabhängig von Straßeneschaffenheit und Beschilderung – in weiter Ferne bleibt, werden Kooperationen derzeit meist offen für neue Partner und unabhängig von bestehenden Vereinbarung geschlossen. So haben die Erzrivalen BMW und Daimler Anfang des Monats die Verträge zu ihrer Entwicklungskooperation unterzeichnet, deren Ziel es ist, Fahrfunktionen auf Level 4 bis 2024 in die Serienreife zu bringen. Unter anderem wollen die Premiumhersteller eine skalierbare Architektur für Fahrassistenzsysteme inklusive Sensoren konzipieren sowie ein gemeinsames Rechenzentrum zur Speicherung, Verwaltung und Weiterverarbeitung von Daten aufbauen.Davon unberührt bleiben die bestehenden Kooperationen von BMW und Daimler auf dem Feld des autonomen Fahrens. BMW arbeitet etwa seit 2017 mit dem US-Chiphersteller Intel zusammen. Magna, Continental und Fiat Chrysler zählen zu den Unternehmen, die sich der Intel-Kooperation angeschlossen haben (siehe Grafik). Daimler entwickelt etwa zusammen mit Bosch Systeme fürs autonome Fahren. Auch diese Kooperation war 2017 begründet worden.Gemeinsam mit Audi und BMW hatte Daimler zudem den Digitalkartendienstleister Here von Nokia übernommen, an dem sich Intel ebenfalls beteiligt hat und mit dem auch der US-Chiphersteller Nvidia kooperiert. Volkswagen hat derweil am gestrigen Mittwoch beschlossen, die bestehende Partnerschaft mit dem US-Autobauer Ford auszuweiten – unter anderem auch auf autonomes Fahren (siehe Bericht Seite 9). Dem Vernehmen nach hatten die Wolfsburger ebenfalls mit BMW über eine Zusammenarbeit in der Entwicklung selbstfahrender Autos gesprochen. Wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken hätten die Münchener letztlich aber Daimler den Vorzug gegeben. Tesla ist lieber solo unterwegsFest steht: Allein traut sich fast keiner autonom zu fahren. Nur Tesla sucht keinen Anschluss. CEO Elon Musk sieht den US-Konzern hier offenbar im Vorteil und ist – anders als in der Elektromobilität – hier weniger bereit, seine Erfahrungen zu teilen. Die Rechenchips von Nvidia hat Tesla schon durch eigene ersetzt, die Partnerschaft mit Mobileye wurde vor Jahren beendet. Auf die Lidar-Sensoren mögen die anderen Autobauer schwören, Musk ignoriert sie. Ob es mit dem Vorsprung des Elektroautopioniers wirklich so weit her ist, dürfte sich schon 2020 zeigen. Dann will Musk, die von ihm verkauften Autos mit Einverständnis der Eigner in eine Flotte selbstfahrender Taxen verwandeln. Andere scheinen von einer solchen Idee noch Jahre entfernt. Gelingt dies Musk, dürfte sich die Partnersuche bei den Wettbewerbern noch einmal deutlich intensivieren. Auf den ersten Blick geht es beim autonomen Fahren derzeit kaum vorwärts. Das täuscht indes. Die Kooperationswut zeigt, dass die Zeit längst rennt.