Johannes Schmidt, Indus Holding

„Wer durch diese Krise kommt, hat Resilienz bewiesen“

Raus aus der Automobilserienzulieferung, rein in neue Zukunftsbranchen. Die Beteiligungsgesellschaft Indus will wieder stärker von großen Wachstumstrends profitieren und feilt dafür nun eifrig am Portfolio.

„Wer durch diese Krise kommt, hat Resilienz bewiesen“

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Zwei neue Töchter, eine neue Enkeltochter, ein Verkauf: Für die auf den deutschsprachigen, industriellen Mittelstand ausgerichtete Beteiligungsgesellschaft Indus Holding war das Akquisitionsjahr 2021 im Vergleich zu 2020 durchaus ereignisreich. Unter dem Strich hat sich das Portfolio von 47 auf 48 Beteiligungen vergrößert − der letzte Hidden Champion, ein Spezialist für Verpackungsmaschinen, kam gerade erst Mitte Dezember hinzu.

Auch geschäftlich war für die Gruppe aus dem nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach diesmal mehr Schwung drin: „Es ist ein Jahr, das für Indus mit viel Licht verbunden war, da wir in vier von fünf unserer Segmente eine erfreuliche Entwicklung gesehen haben“, sagt Vorstandschef Johannes Schmidt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. So wuchsen die Bereiche Maschinen- und Anlagenbau sowie Bau/Infrastruktur zuletzt besonders stark. Insgesamt habe die Dynamik im zweiten Halbjahr aber etwas nachgelassen. „Maßgeblich liegt das natürlich an den bestehenden Material- und Logistikproblemen“, räumt Schmidt ein, der bei dem SDax-Unternehmen seit 15 Jahren im Vorstand sitzt. „Man spürt aber auch die emotionale Belastung und Marktunsicherheit nach zwei Jahren Corona-Pandemie.“

Dass sich die Beschaffungsprobleme im produzierenden Gewerbe nach der Pandemie so lange hinziehen würden, hätte sich der studierte Mathematiker anfangs nicht träumen lassen. „Ein paar Jahre lang mache ich das hier ja nun schon“, sagt er. „Zum Jahresbeginn war ich mir relativ sicher, dass sich diese Materialthemen irgendwann im zweiten Halbjahr eher abbauen werden.“ Denn, so habe die Erfahrung gezeigt, länger als sechs oder maximal zwölf Monate dauere es normalerweise nicht, bis sich solche Knappheiten wieder von selbst bereinigen. „Jetzt haben wir aber eine Situation, in der sich die Engpässe mit voranschreitender Zeit immer mehr verschärfen, gerade im Elektronikbereich.“

Hoffnungen auf eine Besserung der Situation im zweiten Halbjahr 2022 hatte eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger jüngst erst wieder zunichtegemacht. Wegen der zunehmenden Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage werde der globale Chipmangel noch bis in das Jahr 2023 und wahrscheinlich darüber hinaus bestehen bleiben, hieß es darin. Bei Indus wirkt sich das vor allem auf die Entwicklung der Serienzulieferer für die Pkw-Produktion negativ aus. So hatten die Kunden beginnend mit dem dritten Quartal deutlich weniger Bestellungen abgerufen als ursprünglich prognostiziert, wie die Holding im November berichtet hatte. Bei einem Unternehmen des Fahrzeugtechnik-Segments war zu­dem im gleichen Zeitraum die Auslieferung von Messtechnik-Produkten gestört.

Es ist aber auch das generell schwierige Geschäftsumfeld für Serienzulieferer, das Indus schon vor einiger Zeit dazu veranlasst hat, sich aus diesem Bereich langfristig herauszuziehen. „Größe spielt hier eine wichtige Rolle“, sagt Schmidt. Doch seien die Beteiligungen der Holding mit Umsätzen von weniger als 100 Mill. Euro in dieser Sparte eher klein. „Insofern haben wir als Teil unseres Strategieprogramms eben auch perspektivisch das Thema Exit aus der Automobilserienzulieferung in die Agenda geschrieben. Daran arbeiten wir aktiv.“ Bei dem anfangs erwähnten Verkauf handelt es sich etwa um den Serienzulieferer und Kunststoffspezialisten Wiesauplast, der seit 1997 zur Indus-Gruppe gehört und nun zum Jahreswechsel an die Scherdel-Gruppe in Marktredwitz gehen soll, ein Familienunternehmen, das unter anderem auf Umformtechnik, Oberflächentechnik, aber auch Maschinen-, Werkzeug- und Anlagenbau spezialisiert ist.

Keineswegs will Schmidt der Automobilindustrie aber nun komplett den Rücken kehren. Dafür bietet das Feld zu viele Chancen. „Die Fahrzeugtechnik umfasst bei uns auch Busse, Landmaschinen und Ähnliches – das ist grundsätzlich eine Aktivität, die interessant ist und auch in der Zukunft interessant sein wird, gerade mit Blick auf die anstehenden Technologieumbrüche“, sagt er. So seien beispielsweise Themen wie die Klimatisierung für Elektrobusse oder auch Messtechnik für die Fahrzeugentwicklung und Fahrerprobung im Portfolio vertreten.

Rückkehr zu höherer Marge

Das Unternehmen hat außerdemweitere „Zukunftsbranchen“ definiert, in die schwerpunktmäßig in den kommenden Jahren investiert werden soll. Dazu zählen neben der Automatisierungs-, Mess- und Regeltechnik im Allgemeinen auch die Bau- und Sicherheitstechnik, Medizin- und Gesundheitstechnik, Technik für Infrastruktur und Logistik, Energie- und Umwelttechnik. Mit jährlich zwei bis drei Zukäufen auf erster Ebene soll das Portfolio bis 2025 zwischen 55 und 60 Beteiligungen umfassen und damit einen Umsatz von deutlich über 2 Mrd. Euro generieren. Im Vergleich zu 2019 entspricht das einem Zuwachs von etwa 15 %. Die Ebit-Marge soll bis dahin dann auch wieder im Bereich von 10 % landen. Dieser Wert war zuletzt 2016 erreicht worden.

Die Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten habe sich durch die Coronakrise zum Teil vereinfacht, zum Teil aber auch verkompliziert, erzählt Schmidt. „Die Pandemie ist generell für viele Geschäftsmodelle ein langanhaltender Härtetest. Dadurch entsteht schon ein ganz natürlicher zusätzlicher Selektionsmechanismus. Wer durch diese Krise vernünftig kommt, hat wirklich die Resilienz seines Geschäftsmodells bewiesen.“

Gleichzeitig habe die mit der Krise verbundene Engpass-Situation aber auch die Anfälligkeit der jeweiligen Lieferketten sehr offen zutage gefördert. „Wenn wir uns heute Unternehmen anschauen, die auch im Ausland aktiv sind, achten wir daher verstärkt darauf, wie sie aufgestellt sind − also ob sie auch eine Niederlassung vor Ort haben, oder ob sie reineweg nur vom Export leben“, sagt Schmidt. Das sei auch vor dem Hintergrund der weiter angespannten Handelsbeziehungen zwischen den USA und China wichtig.

„Es gibt ja hier Sanktionsgesetzgebungen, die stehen sich zum Teil diametral gegenüber“, sagt der Manager. Für ein Unternehmen ohne Zweigstelle in diesen Ländern sei das nur schwer zu bewerkstelligen.

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