Wer ist der Nächste nach dem Einstieg bei SAP?
Nachdem Aktionärsaktivisten den US-Markt schon stark abgegrast haben, kommen die in Milliarden schwimmenden Fonds stärker nach Europa. Immer wichtiger wird in den Kampagnen M&A, häufig mit dem Ziel von Devestments. Die unter Druck stehenden Long-only-Investoren profitieren davon.Von Walther Becker, Frankfurt Gerät Bayer nach dem Monsanto-Desaster stärker ins Fadenkreuz von Aktivisten? Oder BASF? Die Deutsche Post? Auch Daimler, die eine bloß rechtliche Trennung von Pkw und Nutzfahrzeugen vornimmt, könnte ins Visier rücken. Fest steht: Der Einstieg von Aktionärsaktivisten bei SAP, dem nach Börsenwert größten deutschen Blue Chip, hat der Diskussion über die knallharten Investoren amerikanischer Prägung nochmals neuen Schub gegeben. “Der US-Markt gilt bei vielen Aktivisten als mittlerweile weitgehend abgegrast”, sagt Christian Kames, Leiter Investment Banking von J.P. Morgen in Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Sie beackerten zunehmend Ziele in Europa. “Ich rechne damit, dass 2019 noch mindestens ein weiterer Dax-Konzern ins Visier gerät”, sagt Kames. Konzentration auf DealsIm abgelaufenen Jahr kamen die außeramerikanischen Kampagnen, die seit 2012 im Schnitt um 32 % zulegten, laut J.P. Morgan auf einen leicht höheren Anteil als die Feldzüge in den USA. Gleichzeitig sind die Assets under Management der Hedgefonds, die dieses Direktgeschäft betreiben, von 65,5 Mrd. auf 117,6 Mrd. Dollar geklettert. Und da ist es kein Zufall, dass das Spin-off-Volumen in Europa gleichzeitig im Schnitt um 16 % p. a. auf 27,6 Mrd. Euro gewachsen ist.”Inzwischen konzentrieren sich Aktivisten vor allem auf M&A und Portfolioveränderungen”, betont der Banker. Sie hätten damit besser als der Markt abgeschnitten. Während sie seit 2015 die Marktenwicklung nur leicht übertrafen, habe die Überrendite von M&A-bezogenen Kampagnen 18 % betragen. Kein Wunder also, dass dies die bevorzugte Stoßrichtung von Aktivisten ist. Hebel und Ansatzpunkte sind inzwischen weniger Governance-Themen oder Ausschüttung als vielmehr Transaktionen und Spin-offs. Wenn Aktivisten eine neue Beteiligung melden, dann steigt in der Regel der Aktienkurs – und die Hedgefonds, die sich mit Instrumenten abgesichert haben, können direkt nach dem Start Kasse machen. Als Elliott im April bei SAP mit knapp 1 % einstieg, schwoll der Börsenwert um 15 Mrd. Euro an.Wer hierzulande Aktivist sagt, meint meist Elliott, die unter anderem bei Gea, Kabel Deutschland, Stada, Thyssenkrupp und Uniper Druck machte. Und Elliott gibt auch gerne mal parallel zu einer öffentlichen Kampagne ein Angebot ab – dem sich Vorstände dann kaum entziehen können, denn mit dem öffentlichem Druck werden sie quasi dazu gezwungen, Stellung zu nehmen. Und insbesondere Elliott wird zunehmend mit einem eigenen Vehikel zum Private-Equity-Investor, der selbst milliardenschwere Beteiligungen auf längere Sicht hält. Bisher vor allem in den USA, aber mit SLM Solutions, wo die Wette nicht aufgegangen war, auch hierzulande.Noch sind die bekannten Namen aus den USA wie Third Point, Carl Icahn, Valueact, Trian oder Pershing hierzulande nicht aufgeschlagen. Aber sie werden kommen. “Angesichts der wachsenden Kapitalstärke der US-Fonds ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hier in Erscheinung treten”, sagt Kames. Und sie finden zunehmend Unterstützung bei traditionellen Long-only-Investoren. “Das sind inzwischen längst nicht mehr nur passive Shareholder, sie werden zunehmend sehr aktiv und machen mehr, als man denkt”, sagt Kames. “Wenn es um Proxy Contests geht, geben sie den aktivistischen Investoren gerne ihre Stimmen”, ohne sich selbst mit aggressiven Kampagnen die Finger schmutzig zu machen. Den Index schlagenDie Erklärung dafür: “Der Druck auf aktiv gemanagte Fonds, den Index zu schlagen, nimmt immer weiter zu, und häufig profitieren sie von aktivistischen Kampagnen”, weiß Richard Thomas, bei Lazard Leiter Shareholder Advisory in Europa. In vielen Fällen unterstützen sie die Aktivisten nach Kräften. Inzwischen beschäftigen ihm zufolge die großen Indexfonds ganze Teams, die in der Lage seien, die Argumente der Aktivisten zu bewerten und dann selbst zu entscheiden, was richtig für ein Unternehmen ist. “Aktivisten wiederum haben gelernt, mit passiven Aktionären zu kommunizieren, und haben bei diesen hohe Glaubwürdigkeit”, beobachtet Thomas. Global sind 1,6 Bill. Dollar Lazard zufolge 2018 aus aktiv gemanagten in passive Fonds geflossen: “Der Kampf ums Kapital wurde von den Passiven gewonnen”, sagt Thomas.Wer noch immer auf die niedrigen Beteiligungsquoten der in Geld schwimmenden Aktivisten verweise und sich in Sicherheit wiege, der unterschätze die Wirkung der Kampagnen gewaltig. Wenn die Fonds über Meldeschwellen gingen und dann auch noch über 5 %, “dann sind sie gewiss, dass sie gewinnen werden”, sagt Kames, denn sie haben Reputation zu verlieren. Elliott gelte zum Beispiel als der Fonds, der immer gewinnt.”Im Dax ist die Aufmerksamkeit für diese Investorenspezies deutlich gestiegen”, beobachtet Kames. In MDax oder SDax sei dies längst nicht der Fall. Hier werde Aktivismus vielfach noch immer als Thema allein für die Investor Relations betrachtet, statt ihn als Chefsache zu behandeln. Heute geht es nicht mehr wie vor einigen Jahren um die Vorbereitung auf Verteidigung. “Die Gut-Böse-Denke ist falsch”, sagt Kames. Professioneller Umgang habe sich bei Nestlé und zuletzt SAP gezeigt. “Unternehmen müssen schnell versuchen, auf die Argumente einzugehen”, betont der Banker. Und das bedeute vor allem, sich frühzeitig mit den Konzepten und Vorgehensweisen der Aktivisten zu beschäftigen. Denn die Diskussion müsse man kurzfristig auf der Basis von Fakten führen. Aktivistische Investoren haben sich in der Regel monatelang vorbereitet, ihre Argumente aufbereitet, mit anderen Anteilseignern gesprochen und Berater an Bord geholt. Und sie sind bereit, aus allen Rohren zu feuern und dabei auch “soziale” Netzwerke zu nutzen. So bediente sich Third Point in der Campbell-Kampagne auf Youtube eines Videos, das sich auch an Suppenköche richtet. “Die Unternehmen stehen ihnen dagegen häufig unzureichend vorbereitet gegenüber und überlassen damit die Meinungsbildung weitgehend den Aktivisten”, sagt Kames. Gesunde ParanoiaAktivisten könnten schon morgen an die Tür jedes börsennotierten Unternehmens klopfen. Größe, die Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat, das Vertrauen auf Mitbestimmung und Ankeraktionäre, eine Blue-Chip-Investorenbasis – das biete keinen Schutz. Vorbereitung, eine gesunde Paranoia und Geschwindigkeit seien wichtig. “Warnsignale gibt es in der Regel lange vorher.” Wer sie nicht wahrnimmt, Argumente und Kommunikation nicht parat hat, dem werde das Heft schnell aus der Hand geschlagen. In der Aktionärsbasis macht Jim Rossman, der weltweit das Shareholder-Advisory-Team von Lazard führt, signifikante Veränderungen aus, die Aktivismus ermöglichen. BlackRock, Vanguard und State Street halten gemeinsam fast 25 % der notierten US-Unternehmen und seien damit “die neuen Power Broker”. Im S&P 500 halten im Schnitt die zehn größten Aktionäre 47 %. So gehe der Kapitalfluss hin zu passiven Fonds mit einer enormen Konzentration der Aktionärsbasis einher.Siemens-Chef Joe Kaeser ist Aktivisten vielfach einen Schritt voraus, meinen Beobachter mit Blick auf die Konzernzerlegung. Bayer gilt als eine der Topadressen für Aktivisten nach dem Monsanto-Debakel. BASF ist in einer ähnlichen Situation wie Nestlé mit behäbigem Wachstum, hat aber die Neuordnung begonnen. In der Autoindustrie baut Daimler eine kostenintensive Holding, statt Werte über die Separierung etwa der Mobilitätsdienste zu heben. Und VW könnte über die Abspaltung von Porsche mit einer Ferrari-nahen Bewertung enorme Werte heben. An Großbanken hingegen trauen sich Aktivisten offenbar nicht ran – sie wollen nicht ins fallende Messer greifen.Weltweit sind die größten Positionen, die Hedgefonds aktuell halten, Procter & Gamble, CVR Energy, Ericsson und BHP Billiton.