Werkzeugmaschinenbau lahmt
Die deutschen Werkzeugmaschinenbauer blicken zum Auftakt der Fachmesse Emo in Hannover pessimistischer nach vorn. Fürs Gesamtjahr wird deshalb die Prognose gekappt. Die Abkühlung in den großen Kundensegmenten Automobilindustrie und Maschinenbau sorgt für dunkle Wolken am Branchenhimmel. ds Hannover – Die Werkzeugmaschinenbauer erwarten nun im laufenden Jahr einen Produktionsrückgang von 2 %, nachdem sie sich ursprünglich ein Plus von 2 % vorgenommen hatten. Damit würde der Umsatz unter die 2018 erreichte Rekordmarke von 17,2 Mrd. Euro sinken.Von Januar bis Juli schrumpfte der Auftragseingang um 21 %, wie Maschinenbau-Branchenpräsident und Emo-Generalkommissar Carl Martin Welcker zur Eröffnung der Fachmesse Emo in Hannover sagte.Die Entwicklung im deutschen Werkzeugmaschinenbau gilt als guter Indikator für die Investitionsneigung in der gesamten Industrie. Die Branche hängt besonders stark von der Autoindustrie ab und stellt Maschinen zum Zerspanen, Bohren, Fräsen oder Biegen von Metall her. Mit seinen rund 74 000 Beschäftigten und etwa 17 Mrd. Euro Umsatz ist der Werkzeugmaschinenbau das Herzstück des gesamtes Maschinenbaus. Als größter Branchenvertreter der Welt gilt die nicht gelistete Trumpf aus Ditzingen bei Stuttgart. Die Werkzeugmaschinenbauer sind, wie der gesamte Maschinenbau, an der Börse stark unterrepräsentiert. Zu den wenigen in Deutschland börsennotierten Werkzeugmaschinenbauern gehören DMG Mori, Schuler und Hermle.Zu den globalen Branchenriesen zählen Shenyang und DMTG aus China sowie Amada, Komatsu und Okuma aus Japan. Chinesische Aussteller haben auf der Emo an Zahl und Fläche deutlich zugelegt, was dafür spricht, dass sie verstärkt auf die reifen Exportmärkte drängen und in die Domäne der deutschen und japanischen Platzhirsche vorstoßen. Bereits 2005 hatte sich die chinesische Gesellschaft Beijing No. 1 Machine Tool den deutschen Werkzeugmaschinenhersteller Waldrich Coburg geschnappt, womit China schon früh seine Ambitionen im Maschinenbau unterstrichen hatte.Unabhängig von den derzeitigen konjunkturellen Bodenwellen arbeiten die Werkzeugmaschinenbauer mit Hochdruck daran, die Rahmenbedingungen für Industrie 4.0 zu gestalten. Um die digitale Fabrik möglich zu machen, müssen Maschinen unterschiedlicher Hersteller vernetzt werden und über eine einheitliche Maschinensprache kommunizieren können. Vor rund zwei Jahren hatte der Branchenverband VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) deshalb die Initiative gestartet, eine Standardschnittstelle für die Kommunikation von Produktionsmaschinen zu entwickeln.Nun meldet der VDW Fortschritte: Umati – das Akronym steht für Universal Machine Tool Interface – soll der entscheidende Baustein für Werkzeugmaschinenhersteller sein, der die Versprechen von Industrie 4.0 einlöst. “Ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass damit eine neue Ära in der Produktion eingeläutet wird”, erklärte Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des VDW, auf der Emo. Gearbeitet wird mit dem Maschinenprotokoll OPC UA. “USB-Stecker für Maschinen”An diesem “USB-Stecker für Werkzeugmaschinen”, wie Prokop sagte, haben in einer Kernarbeitsgruppe die Firmen Chiron, DMG Mori, Emag, Grob, Heller, Liebherr, Trumpf und United Grinding zusammengearbeitet. Die Entwicklung der einheitlichen Datenschnittstelle und -sprache für Produktionsmaschinen sei von den Kunden gefordert worden, sagte Prokop. Diese wollten nämlich selbst entscheiden, welche Maschinen sie kauften, welche Software sie einsetzten und welche Daten sie nutzten.”Wenn Maschinenhersteller sie dabei nicht unterstützen können, werden dies andere tun, die unter Umständen schneller unterwegs und finanzkräftiger ausgestattet sind”, sagte Prokop in offensichtlicher Anspielung auf die Internet- und Datenriesen aus dem Silicon Valley. Die deutschen Maschinenbauer hatten wiederholt die Sorge geäußert, dass Unternehmen wie Amazon, Google, Microsoft und Apple mit ihren plattformbasierten Geschäftsmodellen auch in die industrielle Datenkommunikation vordringen könnten und dass die Maschinenhersteller dann zu reinen Hardware-Herstellern degradiert werden und den direkten Kontakt zum Kunden verlieren könnten. “Das durfte auf keinen Fall passieren”, sagte Prokop.Eingebunden werden sollen bei Umati auch die Hersteller von Steuerungsgeräten. Mit im Boot seien bereits Beckhoff, Bosch Rexroth, Fanuc, Heidenhain und Siemens und seit Neuestem auch die zu ABB gehörende B&R, Fagor, Fidia und Mitsubishi Electric. Eine erste Version von Umati soll Mitte nächsten Jahres verfügbar sein. Es seien noch “zahlreiche Diskussionen, Abstimmungen und Kompromisse” nötig, um die einheitliche Maschinenschnittstelle voranzubringen, so Prokop. Auf der Emo gibt es bereits Anlagen zu sehen, die mit einer vorläufigen Version von Umati arbeiten. Erste Maschinen mit Umati könnten bereits im Herbst 2020 erhältlich sein, schätzt Prokop.